Nur ein Punkt für den BVB:Applaus für den Gegner 

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Sieht fast aus wie eine obszöne Geste, ist aber ein Zeichen der Zuneigung: Der an Köln ausgeliehene Dortmunder Neven Subotic feiert nach dem Spiel mit den BVB-Fans. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Trotz großer Überlegenheit muss sich Dortmund mit einem 0:0 gegen Köln begnügen. Also feiern die Fans nach dem neunten Pflichtspiel binnen 29 Tagen einen Heimkehrer im fremden Trikot.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Viel investiert - wenig bekommen. Der fußballerische Niedrigzins hat Borussia Dortmunds Trainer nach einem Nullzunull gegen den 1. FC Köln allerdings nicht frustriert. "Ich bin ganz begeistert, wie viel wir investiert haben", sagte Thomas Tuchel sogar und störte sich scheinbar nicht daran, dass es am Ende bloß ein winziges Pünktchen Rendite gab. "Wir haben es, abgesehen vom Torabschluss, toll gemacht - die ganze Woche schon, sogar den ganzen Monat." Nach dem neunten Pflichtspiel binnen 29 Tagen und drei Tage nach dem 3:2-Halbfinalsieg in München sah Tuchel keinerlei Grund, "sich die Laune vermiesen zu lassen".

Es hat letztlich aber so wenig zu bejubeln gegeben im größten Fußballstadion Deutschlands, dass am Ende zwei miteinander feierten, die in der Winterpause voneinander getrennt worden waren: die Fans von Borussia Dortmund und der Kölner Abwehrspieler Neven Subotic. Die Fans haben es dem langjährigen Dortmunder, momentan an den 1. FC Köln ausgeliehen, nicht übel genommen, dass er dabei behilflich war, ihnen im Kampf um die Champions-League-Qualifikation zwei Punkte zu stibitzen. Das Spiel endete mit einem von den BVB-Fans vor der Südtribüne gefeierten Subotic. "Ein einzigartiger Moment", schwelgte der amerikanisch-serbische Fußballer hernach, "das war eine Wertschätzung der Fans für meine achteinhalb Jahre in Dortmund." Er könne zwar nicht sagen, ob er im Sommer zurückkehre, "aber Dortmund wird immer mehr sein als ein Ex-Verein, Dortmund ist Heimat für mich".

Die hinter Pierre-Emerick Aubameyang (27 Treffer) drei besten Dortmunder Torschützen Ousmane Dembélé, Raphael Guerreiro (je 6) und Lukasz Piszczek (5) hatten sich zu Spielbeginn bloß auf der Ersatzbank wiedergefunden. Trainer Tuchel machte sich um die Torgefährlichkeit seiner Mannschaft zu diesem Zeitpunkt keine Sorgen. Und man sah in den ersten 20 Minuten auch warum. Christian Pulisic auf der rechten Flanke dribbelte Dominique Heintz schwindelig, Marco Reus auf links sorgte bei Lukas Klünter für Schreckmomente in Serie - und das vermeintliche Führungstor durch Aubameyang in der 14. Minute galt bloß deshalb nicht, weil der Japaner Shinji Kagawa zuvor um eine winzige Nasenspitze im Abseits gestanden hatte. Dortmund wirbelte die Kölner eine halbe Halbzeit lang derart durcheinander, dass diese nicht wussten, ob gerade Frühling, Karneval oder eine ganz andere Jahreszeit ist.

Zweimal trifft der BVB, zwei stand ein Dortmunder im Abseits

Weil Kölns serbischem Rechtsaußen Milos Jojic die Jahreszeiten aber egal sind und weil er mal für Dortmund gespielt hat, wollte er nach einer halben Stunde den Spielverlauf auf den Kopf stellen. Weil er bei diesem Unterfangen aber um Zentimeter scheiterte, wollte der ebenfalls mit einer BVB-Vergangenheit behaftete Leonardo Bittencourt fünf Minuten später das Gleiche tun - doch auch er scheiterte knapp. Das Tor blieb torlos, weil auch beim zweiten vermeintlichen Dortmunder Führungstreffer eine Abseitsstellung vorausgegangen war: Marco Reus verlängerte in der 33. Minute einen Kopfball ins Tor, der wohl auch so über die Linie gegangen wäre.

Nach der schwierigen Anfangsphase spielten die Kölner 5-4-1, das ist die taktische Notrufnummer für individuelle und kollektive Unterlegenheit. Dortmunds Chancenzahl tendierte unter diesen Voraussetzungen auch wirklich gegen Null, weshalb Tuchel in der 66. Minute beschloss, die Aussichten durch die gleichzeitige Hereinnahme von Dembélé (für Reus) und Guerreiro (für Kagawa) zu erhöhen. Der fußballspielende Balletttänzer Dembélé sorgte tatsächlich fünf Minuten lang für neuen Elan. Er passte, lupfte und zauberte den Ball in den Kölner Strafraum, dass es eine Freude war. Am Ergebnis änderte das freilich nichts. Als sich dann der eingewechselte Kölner Marco Höger intensiv um Dembélé kümmerte, war es wieder vorbei mit dem Zauber. Und die erstaunliche Bilanz von Trainer Peter Stöger hielt: In sechs Partien gegen Dortmund hat er noch nicht verloren.

Dortmund konnte es verschmerzen, denn wichtiger wäre ein Sieg am nächsten Wochenende, im "Spiel um Platz drei" gegen die TSG Hoffenheim. Weshalb Dortmunds Mittelfeldmann Gonzalo Castro mit Berechtigung behauptete: "Wir haben es noch selbst in der Hand." Tuchel klang noch zuversichtlicher, als er schloss: "Wir haben die Form und die Mentalität, uns gegen Hoffenheim einen Sieg zuzutrauen." Dann hofft er wieder auf eine erfreulichere Rendite. Die Dortmunder entscheiden über ihren Zinssatz nämlich selbst.

© SZ vom 30.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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