Nullnummer im Abstiegskampf:Verzicht auf Schönschrift

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Zweimal am Boden: Hamburgs Kapitän Gotoku Sakai und der Freiburger Nils Petersen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Beim 0:0 zwischen Freiburg und Hamburg treffen zwei Mannschaften aufeinander, die zu Recht im letzten Tabellendrittel stehen - und dennoch ganz unterschiedliche Defizite aufweisen.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Freiburgs Kapitän hatte Recht, als er nach dem Spiel feststellte, dass "Hamburg eine Chance im ersten Durchgang" hatte, "dann kam nichts mehr". Und doch zögerte Julian Schuster ein wenig, als ihm der Interviewer für die Homepage des Freiburger Klubs die Feststellung unterjubeln wollte, dass man ein tolles Spiel gesehen habe, das "nichts mit Abstiegskampf zu tun hatte". Denn tatsächlich hatten da gerade eben zwei Mannschaften gegeneinander gespielt, bei denen man über 90 Minuten lang sehr genau sah, warum sie sich wohl bis zum Saisonfinale mit dem Abstieg befassen müssen.

Dabei können die Gesichter des Abstiegs aber natürlich durchaus so unterschiedlich aussehen wie die der beiden Kontrahenten vom Freitagabend. Denn die Spielweise des Hamburger SV und die des SC Freiburg, die unterscheidet sich sehr grundsätzlich. Hier eine Hamburger Mannschaft, von der Sportdirektor Jens Todt behauptet, sie sei stabiler als der nach wie vor bedenkliche Tabellenstand aussagt. Das stimmt zumindest insofern, als der HSV in den vergangenen Jahren oft unstrukturiert bis vogelwild auftrat. Nun, da die Handschrift von Markus Gisdol besser zu erkennen ist, stimmt es auf jeden Fall schon mal mannschaftstaktisch. Die einzelnen Linien agieren besser zusammen, die viel beschworene "Kompaktheit" ist tatsächlich zu erkennen. Die Defensive, die beim staunenswerten 3:0-Heimsieg gegen Hoffenheim schon stark war, musste sich auch gegen die abschlussschwachen Freiburger keine größeren Vorwürfe machen und blieb zum zweiten Mal in Serie ohne Gegentor. So viel zum Positiven.

Doch außer tief zu stehen und in regelmäßigen Abständen zum Stilmittel des taktischen Fouls zu greifen, fiel den Hamburgern nicht viel ein, in der zweiten Halbzeit spielte nur noch eine Mannschaft, und das war nicht der HSV. Was dann doch arg wenig ist, wenn man individuell so gut besetzt ist wie die Hanseaten. Festzustellen bleibt also, was sie bei Gisdols ehemaliger Station in Hoffenheim eh schon wissen: Die Handschrift von Markus Gisdol mag beim HSV zunehmend erkennbar sein, eine Schönschrift ist sie aber wirklich nicht. In der Freiburger Eiseskälte hatte der HSV letztlich nur zwei Halb- bzw. Viertelchancen durch Aaron Hunt (18.) und Jan-Fiete Arp (42.).

Freiburg müht sich, bleibt aber wieder zu harmlos

Freiburg hingegen, die Mannschaft mit dem völlig anderen Gesicht, hatte gleich ein ganzes Dutzend Gelegenheiten. Zumindest, wenn man Abschlüsse in Richtung gegnerisches Tor, mittig geschossene Direktabnahmen und Außennetz-Treffer als Halbchancen bezeichnen will. Allein in der stärksten Freiburger Phase zwischen der 46. und 70. Minute schossen die Profis in rot, was das Zeug hielt - doch nicht nur bei Nicolas Höflers Chance in der 69. Minute erinnerten die Bemühungen an die von eifrigen Schülern im Grundkurs Sport, Fachrichtung Fußball. 21:9 Torschüsse wies die Statistik am Ende zugunsten der Freiburger aus - und doch war das 0:0 das einleuchtende Endergebnis.

Das lag gewiss auch daran, dass auf Freiburger Seite erneut zwei, drei Akteure weit unter Bestform blieben. Diesmal hatte der junge Pascal Stenzel mehr Probleme mit dem starken HSV-Stürmer Filip Kostic, als Trainer Christian Streich lieb sein konnte. Kapital konnten die Hamburger, denen oft eine komplette Angriffsseite offen stand, daraus allerdings nicht schlagen. Und mit zunehmender Spieldauer hatte man den Eindruck, dass sie das auch gar nicht wollten.

Unzweideutig fiel die Spielanalyse beider Trainer aus. "Natürlich gab es fußballerische Defizite. Da müssen wir nicht drum herumreden", sagte Gisdol. "In der zweiten Hälfte ist es uns nicht mehr gelungen, den Druck von Freiburg früh zu unterbinden." Dem wollte auch sein Freiburger Kollege nicht nachstehen, der die schwache Chancenverwertung ansprach und abschließend feststellte, dass man bei den Möglichkeiten dieses Kaders schon zufrieden sein müsse, 90 Minuten optisch überlegen zu sein: "Man kann es nicht erzwingen." Genau das könnte noch zum echten Problem für den Sportclub werden. Zum Beispiel am kommenden Wochenende, beim nächsten Kellerduell - in Köln.

© SZ vom 03.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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