Nordiren ohne Will Grigg:Feuer gelöscht

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Der Begriff Kultfigur ist ein wenig überstrapaziert - aber auf den Nordiren Will Grigg trifft er in jedem Fall zu. (Foto: Paul Faith/AFP)

Er war die Kultfigur der Nordiren bei der EM. Doch zum Spiel gegen Deutschland trat Will Grigg nicht an - weil seine Frau vor wenigen Tagen ein Kind zur Welt gebracht hat, wollte der Fußballer lieber bei seiner Familie sein.

Von Dominik Fürst

Will Grigg war on fire, einen ganzen Sommer lang. Weil jedes Massenereignis einen Soundtrack braucht und ein britischer Fan eine lustige Idee hatte, besangen die Menschen während der Fußball- Europameisterschaft in Frankreich vier Wochen lang mit voller Inbrunst einen Nordiren, den sie nicht kannten. Dass Grigg nicht eine einzige Minute spielte - völlig egal. Weil jedes Massenereignis einen Soundtrack braucht und Biertrinken ohne Musik nur halb so lustig wäre, besangen ein paar Monate später einige Menschen in München zwei Wochen lang einen Nordiren, den sie nicht kannten: "Will Grigg's auf der Wiesn". Dass Grigg nie in einem Bierzelt gesehen wurde - völlig egal. Schließlich musste der Stürmer seinem Beruf nachgehen. Aber was ist eigentlich aus ihm geworden?

Deutsche Fußballinteressierte hätten sich am Dienstagabend endlich ein Urteil bilden können, hätte Grigg der nordirischen Nationalmannschaft nicht zuvor abgesagt. Weil seine Frau vor wenigen Tagen ein Kind zur Welt gebracht hat, wollte der Fußballer lieber bei seiner Familie sein.

Dabei hätte Grigg, anders als während der EM, diesmal spielen dürfen, wie sein Trainer andeutete: "Er hat in dieser Saison häufiger getroffen als jeder andere unserer Offensivspieler", sagte Nordirlands Nationalcoach Michael O'Neill.

Grigg steht bei Wigan Athletic unter Vertrag, einem kleinen Klub aus der Mitte Englands, dem er in der vergangenen Spielzeit mit 25 Treffern zum Aufstieg in die zweite Liga verholfen hat. In dieser Saison traf er in elf Spielen bereits fünfmal. Griggs Entscheidung für die Familie und gegen die Nationalmannschaft scheint der Coach deshalb nicht ganz zu verstehen. "Ich hatte (vor der Absage) eine gute Unterhaltung mit ihm, er wollte dabei sein und hat auch erkannt, dass das seine beste Chance seit langem wäre, von Beginn an zu spielen." Aber Spieler seien manchmal eben nicht verfügbar - "aus welchen Gründen auch immer. Es ist seine Entscheidung", sagte O'Neill. Eine Entscheidung, die gut zum Charakter des 25-Jährigen passt, so wie er sich seit der EM der Öffentlichkeit darstellt. "Es war ein verrückter Sommer", sagte Will Grigg vor Kurzem und gab zu, dass die EM am Ende ein bisschen frustrierend für ihn verlaufen sei, weil er "unbedingt spielen wollte". Öffentlich beschwert hat er sich nicht. Grigg wirkt wie ein ziemlich anständiger junger Mann, der auf dem Platz seine Leistung bringen möchte, ohne sich Allüren zu leisten. Für seine europaweit gegrölte Fan-Hymne kann er ja nichts.

"Will wirkte in den letzten Spielen etwas verbraucht."

Während Grigg nach der EM nur wenige Interviews gab, hörten die Zuschauer nicht auf, seinen Namen zu singen. Kurioserweise wählten ihn Journalisten sogar auf Platz 25 bei der Wahl zu Europas Fußballer des Jahres. Der Hype glitt ins Absurde ab. Nordirlands Trainer O'Neill meint es dagegen ernst mit dem Angreifer und versichert, dass dieser trotz seiner null EM-Einsätze nicht beleidigt sei: "Man könnte meinen, er sei jetzt nicht verfügbar, weil er damals nicht gespielt hat, aber wer so denkt, liegt falsch."

Grigg selbst hatte seine Länderspielabsage nur intern mitgeteilt, ein öffentliches Statement gab er nicht ab. Doch auch bei seinem Vereinstrainer in Wigan herrschte etwas Verwunderung über den jungen Familienvater, für den der Sport allem Anschein nach vorübergehend etwas in den Hintergrund geraten ist. Beim Ligaspiel gegen Wolverhampton in der vergangenen Woche erzielte Grigg nach seiner Einwechslung zwar den 2:1-Siegtreffer, doch sein Trainer Gary Caldwell erklärte danach: "Will wirkte in den letzten Spielen ein bisschen verbraucht, er war nicht sein normales scharfsinniges Selbst."

Dabei darf man schon mal kaputt aussehen, wenn nachts daheim das Baby schreit.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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