Niederlage gegen die Slowakei:Ein Rückfall in alte Zeiten

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Confed-Cup war gestern. Spätestens mit dem 0:2 gegen die Slowakei macht sich Fußball-Deutschland wieder Sorgen um die WM 2006. Nicht nur aus spielerischer Sicht, sondern auch wegen der Krawalle deutscher Hooligans in Bratislava.

In zwei Mal 90 Minuten haben Deutschlands Fußball-Nationalspieler die Euphorie aus dem Confederations Cup zunichte gemacht und wieder große Zweifel an einer erfolgreichen WM geschürt.

Mit hängenden Köpfen, verzweifelten Mienen und dem Ruf nach einer Aussprache verließen sie nach der 0:2-Pleite in Bratislava den Ort des Trauerspiels - nur Jürgen Klinsmann behielt wie schon nach dem ernüchternden 2:2 in den Niederlanden sein sonniges Gemüt.

"Wir lassen uns das Lächeln nicht nehmen, auch wenn wir ein Spiel vergeigen", sagte der Bundestrainer, in dessen Augen das wie schon in Rotterdam trostlose Gekicke seiner orientierungslos wirkenden Truppe keinen Grund zu größerer Besorgnis darstellt.

"In keinster Weise", antwortete Klinsmann auf die Frage, ob man das propagierte Ziel "Weltmeister" neun Monate vor dem WM-Start abschreiben müsse: "Es war ein kleiner Dämpfer, aber damit werden wir fertig. Wir müssen das jetzt schlucken."

Kritik von Ballack

Michael Ballack aber wollte angesichts der Tatsache, dass die Elf gegenüber den Darbietungen bei der Mini-WM vor knapp drei Monaten nicht mehr wiederzuerkennen ist, nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen. "Es ist ein Rückschritt im gesamten Spiel. Wir spielen nicht mehr so erfolgreich und nicht mehr so zwingend nach vorne", erkannte der Kapitän die grundlegenden Mängel und forderte umgehend Konsequenzen: "Wir müssen uns ernsthaft zusammensetzen und darüber nachdenken, wie wir die nächsten Spiele angehen."

Für klärende Worte bleibt bis zum Test gegen Südafrika am Mittwoch in Bremen, wo der DFB-Tross am Sonntag Quartier bezog, genügend Zeit. Dann dürfte auch Klinsmanns waghalsig anmutende Personalpolitik intern zur Sprache kommen. In der Vergangenheit zahlte sich sein Mut zu riskanten Startformationen vielfach aus, in Bratislava aber hatte sich der Wahl-Kalifornier total verzockt.

In Thomas Hitzlsperger, Bernd Schneider und Gerald Asamoah spielten drei Profis auf anderen Positionen als im Verein - obendrein bestätigten alle drei in der Partie ihre nicht überzeugenden Trainingseindrücke.

Im Gegensatz dazu mussten die Hoffnungsträger Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger ebenso wie die Neulinge Marcell Jansen und Lukas Sinkiewicz in der entscheidenden ersten Spielhälfte auf der Bank schmoren. "Die erste Halbzeit war eine mittlere Katastrophe, da hat nichts richtig zusammengepasst. Erst durch die Auswechslungen ist das Spiel besser geworden", urteilte Mayer-Vorfelder.

Für den Rückflug nach Deutschland kündigte er an, dass er sich vom Bundestrainer dessen Personalentscheidungen erklären lassen wolle. "Die Wortwahl bleibt jedem selbst überlassen", reagierte Klinsmann genervt auf die Worte des DFB-Chefs und verteidigte seine Wahl: "Die Anfangsformation war sehr wohl durchüberlegt." Es wäre "schon aus psychologischer Sicht falsch gewesen", die Youngster von Beginn an aufzubieten: "Wir machen einen Schritt nach dem anderen und lassen uns nicht verleiten."

Auch den Vorwurf, angesichts von nun nur noch sechs Länderspielen bis zur Benennung des WM-Kaders zu sehr zu experimentieren, wies der Bundestrainer zurück. "Die Zeit läuft uns in keinster Weise davon", sagte Klinsmann, schließlich habe sich in der Mannschaft bereits ein Gerüst gebildet. Davon war in der Slowakei allerdings nichts zu sehen, vor allem im Defensivverhalten fehlte jeglicher Zusammenhalt.

"Es war einfach gegen die deutsche Abwehr, sie war nicht in Ordnung", sagte der zweifache Torschütze Miroslav Karhan und legte damit den Finger in die Wunde. Klinsmanns Abwehr sei international nicht konkurrenzfähig, urteilte der Profi des VfL Wolfsburg.

Franz Beckenbauer wählte zwar moderatere Worte, meinte aber im Endeffekt das Gleiche. "Ich war erstaunt über die Menge der Fehler. Man tut sich im Moment schwer, würde ich mal ganz vornehm sagen", so der bald 60-Jährige: "Ich finde es schade, dass die Euphorie und die Begeisterung vom Confed-Cup verfliegt und man sich an alte Zeiten gewöhnen muss."

Vor allem aber fragte sich Beckenbauer wie so viele, warum der DFB neun Monate vor der Heim-WM seine Nationalmannschaft zu einem Geisterspiel bei einem zweitklassigen Kontrahenten in eine baufällige Arena schickt. Der Rahmen von allenfalls 9000 Besuchern, darunter eine grölende und nach Schlusspfiff randalierende Schar deutscher Chaoten, hatte mit Länderspiel-Atmosphäre und WM-Vorfreude nichts zu tun.

"Ich weiß nicht, ob so ein Länderspiel einen weiterbringt. Solche Gegner und dann noch bei denen. Da fehlt mir jedes Verständnis", kritisierte Beckenbauer die Planungen des DFB.

Ob die deutsche Elf nach den verpatzten Auftritten in Rotterdam und Bratislava am Mittwoch in Bremen den verlorenen Faden wieder findet, wird sich zeigen. Klinsmann jedenfalls gab sich vorsichtig optimistisch: "Das Angenehme ist, dass die Mannschaft am Mittwoch nachlegen kann. Es wäre undankbar, wenn wir jetzt vier Wochen warten müssten."

Die Südafrikaner könnten ein dankbarer Aufbaugegner sein: Der WM-Gastgeber 2010 hat am Samstag mit einer 1:3-Pleite in Burkina Faso sein WM-Ticket praktisch verspielt und ist dementsprechend viel frustrierter als der WM-Gastgeber 2006.

Fünf Monate nach den schweren Ausschreitungen deutscher Hooligans beim Länderspiel in Slowenien ist es am Samstag in Bratislava erneut zu Krawallen gekommen. Diese hatten aber nicht annähernd die Dimension der Vorfälle Ende März in Celje.

Nach dem 0:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen die Slowakei kam es im Stadion beim Verlassen der deutschen Zuschauer zu einem kurzen, aber heftigen Schlagabtausch zwischen gewaltbereiten Anhängern und der slowakischen Polizei. Nach Angaben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der örtlichen Behörden wurden dabei sechs deutsche Randalierer verletzt, einer davon schwer. Zudem gab es zwei Festnahmen.

DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder verurteilte die Krawalle am Sonntag vor der Abreise der DFB-Delegation aus Bratislava. "Das wirft ein schlechtes Bild auf Deutschland. Man muss sich schämen. Ich kann mich nur entschuldigen bei der slowakischen Bevölkerung für das, was einige Chaoten wieder angerichtet haben", sagte der Verbandschef.

Auch die Nationalspieler distanzierten sich nach Spielende deutlich von diesen so genannten Fans, die unter den Augen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) auch während des Spiels mit Hass-Parolen und Sprechchören negativ in Erscheinung getreten waren.

Zwanziger: Keine Entwarnung für 2006

Der Geschäftsführende DFB-Präsident Theo Zwanziger sagte am Sonntag im DSF-Doppelpass, dass man auch für die Weltmeisterschaft 2006 "nicht völlige Entwarnung" geben könne. Die Situation sei dann in Deutschland aber grundlegend anders, da gewaltbereite Hooligans keinen Zugang zu den Stadien bekommen würden.

Abseits der Arenen müssten echte Fans und Gewalttäter streng getrennt werden. "Wir brauchen da eine deutliche Polizeipräsenz, aber keine auffällige Präsenz, denn es soll ein friedliches Fest werden", sagte Zwanziger.

Nach Abpfiff der Partie sollten die Zuschauer im deutschen Block noch 20 Minuten auf das Verlassen des Stadions warten. Einige Anhänger, die von Zwanziger als "Kriminelle" bezeichnet wurden, durchbrachen die Absperrung. Dagegen ging die Polizei massiv vor.

Sechs Deutsche wurden dabei verletzt. Bei der Versorgung der Verletzten half auch die medizinische Abteilung des DFB. Nach DFB-Angaben waren 560 Eintrittskarten über den Fanclub Nationalmannschaft und organisierte Fan-Reisen an deutsche Anhänger verkauft worden. Allerdings sollen sich Problemfans, über deren Anreise schon im Vorfeld gewarnt worden war, über slowakische Kanäle noch Tageskarten besorgt haben. "Das ist das große Problem bei Spielen in den früheren Ostblockstaaten", meinte Mayer-Vorfelder.

Immerhin gelang es, Ausschreitungen wie zuletzt in Celje zu verhindern. Beim Länderspiel gegen Slowenien war es Ende März zu den schwersten Ausschreitungen deutscher Hooligans seit der Europameisterschaft 2000 in Belgien und den Niederlanden gekommen.

Dutzende deutscher Randalierer waren damals vor, während und nach der Partie vorübergehend festgenommen worden. Während des Spiels waren unter anderem Leuchtraketen auf den Rasen geschossen und Sitze aus den Verankerungen gerissen worden. In der 2. Spielminute musste die Partie vom Schiedsrichter sogar kurz unterbrochen werden.

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