Neuer Korruptionsverdacht:Geld von allen Seiten

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Eine Woche vor der Wahl eines Fifa-Präsidenten ist ein neuerlicher Korruptionsverdacht aufgekommen: Eine Zahlung aus Blatters Fifa an ein Hilfsprojekt im Umfeld von Österreichs Verbandschef irritiert ein Wiener Gericht.

Von Johannes  Aumüller und Thomas Kistner, München

Die Woche der Entscheidung beginnt im Fußball-Weltverband, am kommenden Freitag kürt der Fifa-Kongress den neuen Chef. Der Wahlkampf wird zum Duell des Uefa-Generalsekretärs Gianni Infantino aus der Schweiz und des Scheichs Salman al Khalifa aus Bahrain. Während die Thronbewerber beschwören, unter ihnen würde alles besser als in der Ära des suspendierten Sepp Blatter, der die Fifa seit 1998 regierte, treibt die Hauptamtlichen tiefe Sorge um: Nutzt die US-Justiz auch diesen Konvent für Zugriffe? Die Ermittlung gründet auf dem Anti-Mafia-Gesetz "Rico"; die Fifa kämpft dagegen, in die Täter-Rolle zu geraten. Falls das passiert, wird bedeutungslos, wie der neue Chef heißt. Dann kann die Fifa dichtmachen.

Für die Bewertung der Rico-Frage spielt Blatters langjährige Geschäftsführung eine zentrale Rolle. Neben den Geldflüssen rund um die 2001 bankrott gegangene Schmiergeld-Firma ISL oder dem nebulösen Milliardengeschäft um die WM-Tickets interessiert dabei manche dubiose Zahlung an Funktionäre auf Blatters Veranlassung. Den Anfang machte die Zwei-Millionen-Tranche an den (deshalb ebenfalls gesperrten) Uefa-Chef Michel Platini. Die Ethiker prüfen, warum es anno 2001 eine Zahlung über 125 000 Dollar an den Russen Wjatscheslaw Koloskow gab (SZ, 17.2.). Und nun rückt eine Zahlung über 100 000 Dollar aus Blatters Fifa an ein Hilfsprojekt im Umfeld von Leo Windtner in den Fokus.

Windtner, Chef von Österreichs Landesverband ÖFB, hat gerade erstinstanzlich den Prozess gegen eine Zeitung verloren, in dem er diesen Geldfluss eigentlich erklären wollte. Doch die Sache geriet zum Desaster, der Wiener Richter habe die Zahlung an den Funktionär als "dubios" bezeichnet - sie könne gar "den Verdacht der Bestechlichkeit" erwecken, so zitiert die beklagte Zeitung Österreich den Richter. Jedenfalls zeigt der Vorgang, wie sich Förderhilfen der Großverbände für Durchstechereien missbrauchen lassen könnten, wenn man wollte. Das Thema könnte sich auch als brisant für den Wahlkongress erweisen, denn in die Austria-Causa ist neben Blatters Fifa die Uefa des Nachfolge-Kandidaten Infantino involviert - die an das Projekt ebenfalls Geld überwies, 50 000 Euro.

Die Geschichte führt zurück in den letzten heißen Fifa-Wahlkampf. Im März 2014 war bereits klar, dass die Uefa gegen Blatters vierte Wiederwahl im Mai 2015 zu Felde ziehen will. Just zu der Zeit machte die Europa-Union auf Windtners Betreiben Geld locker für ein kurz zuvor gegründetes Sozialprojekt namens Acakoro, bei dem die Gattin des ÖFB-Chefs Schirmherrin ist: eine Kinder-Fußballakademie in Kenia. Er habe damals, sagte Windtner vor Gericht, Uefa-General Infantino angesprochen; binnen kurzem sei das Projekt als "sensationell" bewertet worden. Das Geld floss - direkt an die Hilfsorganisation.

Die Uefa unterstützt seit 2012/13 über ein spezielles Programm jährlich fünf bis sechs solcher Projekte. In der Regel stecken dahinter Ex-Fußballer, Windtner war in den beiden Auftaktjahren der einzige aktive Funktionär, der für ein solches Projekt als "Project Champion" firmiert.

Zäher als bei der Uefa lief es bei der Fifa. Bei einem Termin im Franz-Beckenbauer-Camp im Sommer 2014, so Windtner, habe er Blatter angesprochen. Der blieb im Vagen. Vielleicht, weil damals Eiszeit herrschte zwischen Uefa und Fifa: Warum sollte der Fifa-Chef ein Projekt im anderen Lager unterstützen? Im Herbst 2014 geriet Blatter erneut global in die Kritik; auch wegen des Streits um den Report zu den WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar. Plötzlich fiel Windtner, beruflich Generaldirektor der Energie AG, mit gefälligen Äußerungen über den Fifa-Boss auf: "Ich sehe derzeit keine Alternative zu Blatter", sagte er Ende November der Website 90minuten.at. In der Uefa war zu der Zeit fest beabsichtigt, Blatters Ära zu beenden; egal, mit welchen Kandidaten. Zufall oder nicht: Kurz nach Windtners netten Worten für den Fifa-Boss wurde das Projekt in der Fifa bewilligt, am 18. Dezember 2014.

Es blieb aber ein Haken. Denn die Fifa überwies die 100 000 Dollar im März 2015 auf das "Konto für Fifa-Entwicklungsprogramme des ÖFB". Schließlich, teilte sie nach Wien mit, sei der Antrag "durch den ÖFB eingereicht" worden. Aber der Verband wollte das Geld nicht, es soll intern zu Konflikten gekommen sein. Das Geld wurde zurück nach Zürich geschickt. Generaldirektor Alfred Ludwig sagte der Presse: "Wir als ÖFB haben keinen Antrag gestellt." Das hatte der Chef im Alleingang getan - und zwar auf der Verbandsschiene, wie der Richter interessiert festhielt: "Privatinitiative, aber auf dem ÖFB-Papier."

Trotzdem erreichte Windtner sein Ziel. Am 24. März weilte Blatter beim Uefa-Kongress in Wien, Windtner unterbreitete ihm und Fifa-General Jérôme Valcke erneut das Problem. Am 25. März schrieb Windtner eine Mail an den (inzwischen von der Fifa gefeuerten) Valcke - nur zwei Tage später floss das Geld aufs Konto der Hilfsorganisation in Linz. Direkt von der Fifa.

Nun bezweifelt niemand die gute Sache, Kinder in Afrika zu unterstützen. Aber nicht nur den Richter irritiert die präsidiale Aussage zu Blatter inmitten des Fifa-Wahlkampfs - von einem Wahlmann, der sich damit in Widerspruch zu Europas klarer Frontlinie begab. Windtner wies stets jeden Vorwurf, dass etwas nicht korrekt gelaufen sei, von sich. Doch selbst im ÖFB wuchs damals die Sorge um die Position des Chefs. Per Präsidiumsbeschluss wurde verfügt, dass Blatter nicht gewählt wird.

Sowohl bei der Uefa als auch der Fifa stellt sich die Frage, warum sie welches derartige Projekt unterstützen - und wie sie die zweckmäßige Verwendung der Mittel prüfen. Die Uefa sagt, es gebe gewisse Kriterien, die das Projekt erfüllt habe. Auf Fragen zur Kontrolle verweist sie nur auf allgemeine Prinzipien wie die Möglichkeit, Kontrolle "im Sinne von Stichproben" vornehmen zu können - und auf den Schlussbericht, der Einzug in ihren Jahresbericht fände. Doch an der Stelle, auf die der Verband verweist, finden sich nur allgemeine Sätze.

Mit Blick auf die Fifa hakte Richter Stefan Apostol im Wiener Prozess nach, ob es vor der bemerkenswert raschen Überweisung einen schriftlichen Fördervertrag zwischen Fifa und dem Projekt gegeben habe. Windtner sagte: "Das entzieht sich meiner Kenntnis." Auch einen Förderantrag "in diesem Sinne" habe es nie gegeben.

Die Fifa will konkrete Nachfragen zur Kontrolle der Mittel und der schnellen Überweisung nach Windtners Treffen mit Blatter und Valcke im März 2015 nicht beantworten. "Da dies Gegenstand eines Gerichtsprozesses in Österreich ist, können wir es derzeit nicht kommentieren."

Das beklagte Blatt hatte in der Hauptverhandlung im August 2015 die Vorladung von Fifa-General Valcke beantragt: Als Zeugen dafür, dass die Finanzhilfe "entgegen den Gepflogenheiten und Kontrollmechanismen der Fifa erfolgt ist, zumal die Fifa grundsätzlich keine Einzelprojekte fördert und ihre Mittel niemals an nicht bekannte private Vereinigungen leitet." Das habe Valcke öffentlich erklärt. Er und Blatter kamen nie. Leo Windtner will in Berufung gehen.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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