Nationalmannschaft:WM-Quartier Berlin

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Bundestrainer Klinsmann setzt seine Entscheidung gegen Leverkusen durch und nominiert für die Asienreise drei Neulinge und einen Psychologen.

Von Martin Hägele

Dirk Nowitzki, bei den Dallas Mavericks in der NBA als Basketballprofi angestellt, war leicht überrascht, als ihn ein Mitarbeiter des Deutschen Fußball Bundes um ein Statement bat, was er sich vom Standort der Bundesliga-Profis während des WM-Turniers 2006 verspreche.

Doch als Weltklasse-Athlet mit außergewöhnlichen Ambitionen ist ihm dann schnell jene Antwort eingefallen, die in der Heimat bestens ankommt: "Eine gute Entscheidung, dass sich die Mannschaft in der Stadt vorbereitet, in der sie das Finale gegen Brasilien spielen will."

Mitten drin statt nur dabei

Es läuft also weiter im Sinne der "Sportlichen Leitung", wie die neue Führungscrew um Bundestrainer Jürgen Klinsmann, Manager Oliver Bierhoff und Assistent Joachim Löw mittlerweile selbst von den Verbandspräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder und Theo Zwanziger offiziell bezeichnet wird.

Deren Lokal- beziehungsweise Terminwünsche werden vom Vorstand genauso angenommen wie von den Managern der Liga. Selbst bei den schwierigsten Debatten hat Bierhoff gemerkt, "dass das sportliche Herz von allen am stärksten für die Nationalmannschaft schlägt".

Beinahe täglich scharen sich mehr Landsleute hinter den Klinsmännern und deren Bestimmung: "Wir wollen den Schwung und die Spannung genießen und mittendrin im Fußballfieber leben." Wenn die ganze Welt auf die ehrgeizigen DFB-Kicker schaut, bietet sich die Hauptstadt mit ihrem internationalen Flair dann schon ganz anders an als die ursprünglich und vor der Ära der "sportlichen Leitung" zum WM-Hauptquartier bestimmte BayArena in Leverkusen.

Zur Entschädigung ein, zwei Länderspiele

Dort schaut nun der Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser "sehr traurig und nachdenklich" zum Fenster seines Büros hinaus und wartet darauf, welche Kompensations-Vorschläge die Kollegen MV und Zwanziger demnächst unterbreiten.

Um Geld wird es sich dabei nicht handeln, eher um ein oder gar zwei internationale Begegnungen, davon möglichst einen Klassiker, der sonst nie in dem 25.000-Zuchauer-Stadion stattfinden würde. Mit einer solchen Art von Dankeschön wäre dann jener Punkt aus der Welt geschafft, der monatelang die Fußball-Gemüter an den Stammtischen genauso wie in den Chefetagen der Bundesliga erhitzt hat. Man sollte sich wohl auch für die Zukunft daran gewöhnen, dass die Führungscrew ihre Pläne still und aus dem Hintergrund durchzieht.

Einbindung des Sportpsychologen Hans-Dieter Hermann ins Nationalteam beanspruchte bei der Pressekonferenz im Freizeitpark Rust lediglich einen dreiminütigen Monolog Bierhoffs. Und wie hatte sich die Szene vor Monaten erregt, als Klinsmann im Rahmen seiner Regierungserklärung von einem Motivationstrainer gesprochen hatte.

Sprachlich und geographisch passt das neue Stabsmitglied der medizinischen Abteilung ideal zur Führungsmannschaft. Der 44-Jährige, der in der Vergangenheit mit Skifahrern, Turnern, Boxern und Trampolinspringern zusammengearbeitet hat, ist im schwäbischen Ludwigsburg aufgewachsen und lehrt jetzt als Dozent an der Uni Heidelberg.

Positiv plakatieren für den deutschen Fußball

Kennenlernen werden Oliver Kahn und Co. ihren Mentaltrainer auf der zehntägigen Asienreise der Nationalelf (13. bis 22. Dezember). Die dient nämlich nicht nur dazu, den interessanten asiatischen Raum fürs Marketing und Merchandising der Bundesliga zu beackern.

"Sicher wollen wir uns da positiv plakatieren und am Ende des Jahres auch eine Standortbestimmung haben", sagte Löw, vor allem aber wolle man den Teamgeist weiter fördern und den Prozess der Gruppendynamik vorantreiben. Für den in Amerika weilenden Klinsmann trägt dessen Adjutant Löw das Programm für Yokohama, Busan und Bangkok vor. Was für manche Kritiker ein höllischer und furchtbar ungesunder Trip ist, hört sich bei Löw als ganz unaufgeregte Dienstreise an.

Man glaubt ihm, dass sie das richtige Personal gefunden haben, und dass sich auch die nächsten , die den Adler tragen dürfen, für ihren ehrenvollen Job korrekt qualifiziert haben. Simon Jentzsch (VfL Wolfsburg), Patrick Owomoyela (Arminia Bielefeld) und Christian Pander vom FC Schalke 04 heißen die Nationalspieler Nummer sieben, acht und neun, die unter Klinsmann ihren internationalen Einstand geben sollen.

Diesmal haben die Förderer der jungen Welle mit dem 21-jährigen Pander nur einen aus der Jugend-Abteilung nominiert. Der Deutsch-Nigerianer Owomoyela (25) hat einen erstaunlichen Aufstieg hinter sich, und bei Jentzsch (28) handelt es sich um eine gestandene Bundesligakraft; er spielte sich über eine längere Periode ins Rampenlicht. Zudem besetzt das Trio der Neulinge genau jene Positionen, die wegen der Uefa-Cup-Verpflichtung der Profis vom VfB Stuttgart in Japan vakant sind: Es fehlen zunächst Ersatztorwart Timo Hildebrand, Rechtsverteidiger Andreas Hinkel, Linksverteidiger Philipp Lahm.

Das DFB-Aufgebot:

Tor: Oliver Kahn (Bayern München), Simon Jentzsch (VfL Wolfsburg) sowie Timo Hildebrand (VfB Stuttgart, für Südkorea und Thailand)

Abwehr: Christian Wörns (Borussia Dortmund), Patrick Owomoyela (Arminia Bielefeld), Per Mertesacker (Hannover 96), Robert Huth (FC Chelsea London), Christian Pander (Schalke 04) sowie Andreas Hinkel und Philipp Lahm (beide VfB Stuttgart, für Südkorea/Thailand)

Mittelfeld: Bastian Schweinsteiger, Torsten Frings, Michael Ballack (alle Bayern München), Bernd Schneider (Bayer Leverkusen), Fabian Ernst, Frank Baumann, Tim Borowski (alle Werder Bremen)

Angriff: Miroslav Klose (Werder Bremen), Lukas Podolski (1. FC Köln), Gerald Asamoah (Schalke 04), Thomas Brdaric (VfL Wolfsburg) sowie Kevin Kuranyi (VfB Stuttgart, für Südkorea/Thailand)

© SZ vom 03.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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