Nationalmannschaft:Sturm der Begeisterung bei der Ankunft im Iran

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Tausende Iraner haben das Team von Jürgen Klinsmann auf dem Flughafen in Teheran begrüßt. Die Spieler retteten sich durch einen Seitenausgang.

Von Philipp Selldorf

Aus dem Himmel über Teheran betrachtet mag man sich nicht mehr darüber wundern, dass hier zu einem Testspiel gegen Deutschland 100000, vielleicht sogar 120.000 Besucher erwartet werden.

Ein gewaltiger Ozean aus Häusern und Stadt ergießt sich über das flache Land am Rand der kahlen Berge - Teheran ist eine gewaltig große Metropole. Wundern musste man sich bloß, dass ein guter Teil der Besucher des Spiels vom Samstag bereits gestern am Flughafen erschienen war, um die deutsche Mannschaft willkommen zu heißen. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte Nationalspieler Christian Wörns, "das ist beeindruckend und überwältigend."

Ein freundlicher Empfang ist das eine. Ein iranischer Empfang für deutsche Fußballstars das andere. Angeblich waren es mehrere Tausend, die sich vor dem Flughafen eingefunden hatten. Als die deutschen Spieler die Gepäckausgabe verließen, um ihren Bus zu entern, stellten sie fest, dass es leichter ist, Brasiliens A-Team zweistellig zu besiegen, als das Spalier der aus unbekannten Gründen restlos begeisterten iranischen Fans zu passieren.

"Welcome" hieß es hundert Mal, und gelegentlich auch: "Ich liebe dich." Es war allerdings so viel Liebe, dass es die deutschen Spieler gar nicht aushalten konnten, weshalb sie geschlossen den Rückzug antraten und durch einen Seitenausgang entkamen.

Selbst iranische Journalisten zeigten sich erstaunt über das immense Getümmel und stellten blitzartig die Hochrechnung auf, dass lediglich nach der Qualifikation der iranischen Nationalelf in Australien für die WM '98 und bei der Ankunft der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Abadi ähnliche Euphorie geherrscht habe.

Auch für Gerhard Mayer-Vorfelder hatten die hemmungslos enthusiastischen Fans noch jede Menge Beifall übrig, als dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im gepanzerten Mercedes der Weg durch die Menge gebahnt wurde.

Er genoss den Beifall, und verfolgte staunend, wie sich vollbeladene Autos, aus denen deutsche Fahnen wehten, hinter seinem Wagen zur Prozession vereinten. Nur ein junger Mann hatte sich vergriffen und war im Trikot der Holländer erschienen.

Das weise Weichei

Was sie in Teheran erwarten würde, darüber hatten die deutschen Fußballer zuletzt unterschiedliche Vorstellungen geäußert.

Thomas Brdaric gestand aus ihm selber nicht geläufigen Gründen "ein Magengrummeln" ein; Gerald Asamoah meinte, er wisse nicht, wie es dort zugehe, und werde deshalb "die ganze Zeit auf dem Zimmer bleiben"; nur Miroslav Klose hatte sich bereits ein klares Bild gemacht, was er in Irans Hauptstadt vorfinden werde: "Gutes Wetter und ein Stadion, das voller Männer ist."

Das waren zumindest einige entschlossene Festlegungen, die dem Bild, das dieser Tage von Werder Bremens Miroslav Klose verbreitet wird, nicht entsprechen.

Nach dem Vorfall mit Oliver Kahn beim jüngsten Bundesligatreffen mit dem FC Bayern müsste Klose das Verlangen ergriffen haben, dem Opferschutzbund "Weißer Ring" beizutreten. Während Kahn für seinen sinnlosen Angriff bloß wie üblich als exzentrisches Ungeheuer hingestellt wurde ("wie ein tumber Oktoberfestbesucher" schrieb die taz), wurde Klose als wehrloses Etwas gehandelt, das sich alles gefallen lasse.

"Hustensaft" nannte ihn etwa der ehemalige Bundesliga-Torjäger Dieter Schatzschneider, was nicht so nett gemeint war wie es lustig klingt. "Jetzt lese ich, dass ich ein Vollidiot bin, das Weichei", sagte Klose dem kicker. Doch stark ist nicht die Faust, die zurückschlägt, sondern der Geist, der sie führt, gibt der Angreifer wie ein biblischer Weiser zu verstehen: "Ich sehe es als große Stärke, ruhig geblieben zu sein", sagt er.

In Wahrheit ist Klose nämlich im Begriff, seine Pfälzer Unschuld zu verlieren. Vor einem Jahr hieß es ja noch, dass Klose die Nähe zum Betzenberg so sehr schätze, dass er am liebsten im Schlafanzug zum Training gehen wolle.

Auf solche Hinweise merkt der Stürmer nun ziemlich verächtlich an: "Das haben Leute erzählt, der Herr Jäggi zum Beispiel. Aber für mich war es genau der richtige Schritt, nach Bremen zu gehen."

Zwar fiel ihm in Bremen das Dasein anfangs auch nicht leicht, weshalb Trainer Thomas Schaaf ihn zur Schonung auf die Ersatzbank setzte, doch hat er mittlerweile sein Niveau wiederentdeckt und nebenbei die bösen Geister verscheucht, vor allem den seines Vorgängers Ailton, der es in Bremen zum großen Götzen gebracht hat. Keine Angst mehr vor Ailton?

"Ich bin der Klose", antwortet Klose, "ich kam dahin und hab versucht, mein Ding zu machen." Am Samstag beim Länderspiel darf Klose anstelle des verletzten Kevin Kuranyi sein Ding vor 120000 in Teheran versuchen. "Es wird ein hartes, schweres Spiel", sagt er.

Aber es besteht kein Grund zur Furcht: "Ich hab' ne dicke Haut angelegt."

© Süddeutsche Zeitung vom 08.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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