Nationalmannschaft:Irgendwo Richtung Mond

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Warum reisen die Nationalspieler eigentlich nach Asien? "Sie können Weihnachtseinkäufe erledigen, Sehenswürdigkeiten anschauen - jeder wie er will", teilte Trainer Klinsmann mit. Fußball soll aber auch gespielt werden.

Als Franz Beckenbauer noch als oberster deutscher WM-Bewerber unterwegs war, musste er eines Tages auch nach Samoa reisen. Wo denn dieses Samoa sei, wurde er gefragt, und Beckenbauer antwortete: "Das ist irgendwo Richtung Mond."

"Aktive Erholung" und Weihnachtseinkäufe verspricht Klinsmann seinen Spielern. (Foto: Foto: dpa)

Hunderttausende von Flugmeilen legte er in seiner Mission zurück, er spielte Golf mit Scheichs, die keinen Schläger halten konnten, lobte exotische Speisen, die ihm Angst machten, und einmal nahm er einen lebenden Hammel als Geschenk entgegen. Aber mit Beckenbauers Einsatz allein ließ sich die zwischen den Bewerbern Deutschland und Südafrika schwankende Jury des Weltverbandes Fifa nicht gewinnen.

Deswegen mussten deutsche Großunternehmen wie Bayer und Mercedes, Leo Kirchs Fernsehkonzern und die Bundesregierung nachhelfen. Auch der FC Bayern leistete mit Freundschaftsspielen in Afrika und Asien seinen Beitrag, und nun ist, in einer weiteren Rate von Verpflichtungen, die Nationalmannschaft an der Reihe. Gestern startete sie in Frankfurt zur Tournee durch den Fernen Osten.

Zunächst steht dabei das Spiel in Japan (Donnerstag) auf dem Programm, danach folgen Südkorea (Sonntag) und Thailand (Dienstag).

Aktive Erholung im Hotel

Beim Züricher WM-Votum vom 4. Juli 2000 hatten die vier asiatischen Wahlmänner geschlossen für Deutschland gestimmt. Damals versprach Franz Beckenbauer vor lauter Dankbarkeit dem südkoreanischen Fußballboss Chung Mong Joon und dem thailändischen Verbandschef Worawi Makudi einen Besuch der Nationalelf.

Dass zusätzlich Japan ins Programm genommen wurde, hat auch mit den wirtschaftlichen Interessen der Bundesliga, vorweg des FC Bayern, zu tun. Japan ist ein interessanter Fußballmarkt, auf dem die Deutschen das Geldverdienen nicht mehr den Engländern und Spaniern überlassen wollen.

Dass die knapp bemessene, mühsame Asienreise den um ihre Spieler besorgten Bundesligaklubs ungelegen kommt, versteht sich von selbst, zumal da die Sommerpause durch die EM besonders kurz war.

Der Letzte, der sich zaghaft aufzulehnen versuchte, war Bayern-Trainer Felix Magath, aber mit seinem Vorstoß, die besonders oft strapazierten Michael Ballack und Torsten Frings zu Hause zu lassen, fand er nicht mal im eigenen Verein Unterstützung (obwohl Frings, an den Rippen verletzt, nun tatsächlich verschont bleibt).

"Die Reise gefällt uns nicht, aber wir werden alle Spieler abstellen", sagte Klubchef Karl-Heinz Rummenigge, während Uli Hoeneß auf die bestehende Abmachung verwies und die Erwartung äußerte, dass die Spieler schon genügend Erholung finden würden.

Erst sechs Anrufe in Abwesenheit und dann beim Rückruf aufgelegt: Marco Engelhardt vom 1. FC Kaiserslautern. (Foto: Foto: dpa)

Shopping statt schuften

Diese Einschätzung hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann vor dem Abflug bestätigt, weshalb der Nachrichtendienst sid den Reisezweck neu definierte: "Wellness und Weihnachts-Shopping statt knallharte Trainingsarbeit".

Tatsächlich kündigte Klinsmann an: "Wir werden in erster Linie Wert auf Regeneration legen und nicht so oft auf dem Trainingsplatz sein. Dafür werden wir im Hotel aktive Erholung betreiben. Die Spieler werden genug Pausen erhalten."

Das Verwöhnprogramm begann beim Abflug: Während sich die Spieler in der Ersten Klasse des Jumbos ausbreiten konnten, begnügten sich der Bundestrainer und Manager Oliver Bierhoff mit Plätzen in der Business Class. Beinahe möchte man die Fußballer beneiden um ihre Dienstreise.

"Sie können Weihnachtseinkäufe erledigen, oder sich die Sehenswürdigkeiten anschauen - jeder wie er will", teilte Klinsmann mit. "In Japan werden wir noch etwas auf die Beine stellen, da haben wir mit Guido Buchwald und Pierre Littbarski zwei ortskundige Bekannte. Ich bin sicher, dass diese Reise für alle ein Erlebnis wird."

Die Neulinge spielen

Dafür sorgen ohnehin die Debütanten im lediglich 17 Spieler umfassenden Kader (die Stuttgarter Fraktion mit Hildebrand, Hinkel, Lahm und Kuranyi reist wegen des Uefa-Cup-Spiels gegen Zagreb erst am Donnerstag an).

Zwar musste der Schalker Verteidiger Christian Pander seine Teilnahme absagen (leichter Bandscheibenvorfall), doch waren immer noch vier Neulinge an Bord: Marco Engelhardt (Kaiserslautern), Christian Schulz (Bremen), Patrick Owomoyela (Bielefeld) und Simon Jentzsch (Wolfsburg).

"Alle, auch die Neuen, werden spielen. Aber möglichst soll keiner dreimal 90 Minuten eingesetzt werden", sagte Klinsmann. Nur Jentzsch wird die Ausnahme bilden, weil der Platz im Tor an Oliver Kahn und Timo Hildebrand (im Thailand-Spiel) vergeben ist.

Die neuen Spieler seien "hochmotiviert, sie wittern die Chance, auf den WM-Zug aufzuspringen", glaubt Klinsmann. Engelhardt hat aber von dieser Chance bisher nicht viel geahnt. "Vor einem halben Jahr habe ich noch mit dem Karlsruher SC in der Zweiten Liga gegen den Abstieg gespielt. Jetzt bin ich bei der Nationalelf dabei", stellte er gestern ungläubig fest.

An seine Nominierung konnte er deshalb gar nicht glauben: "Das war ganz kurios. Ich hatte sechs Anrufe in Abwesenheit auf meinem Handy, kannte die Nummer aber nicht. Als ich dann zurückgerufen habe und sich Jogi Löw meldete, habe ich direkt wieder aufgelegt, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte."

Aber die Reise macht er natürlich gern mit. "Ein schöneres Geschenk gibt es nicht", sagt Engelhardt. Vermutlich wäre er sogar mitgeflogen, wenn es nach Samoa gehen würde. Das liegt übrigens in der Südsee.

© SZ vom 14.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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