Nationalmannschaft:Friede an den Pfosten

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Lehmann und Kahn haben sich ausgezankt: Vor dem Spiel der Nationalelf gegen Rumänien gab es eine Aussprache zwischen den beiden streitlustigen Torwärten. Teamchef Völler fürchtete vor der Europameisterschaft Unruhe in der Mannschaft - und handelte.

Von Ludger Schulze

Die DFB-Informationsbroschüre vermerkte: Dienstag, 27. April, 10.30 Uhr: Abreise mit Charterflug DE9142 nach Bukarest. Zu diesem Zeitpunkt aber knackte es im Lautsprecher, und eine vor Peinlichkeit ersterbende Stimme teilte mit, dass der Plan so nicht klappen würde.

Es war die Stimme des Piloten, und sie verhieß nichts Gutes: Regelwidrig habe sich ein Kerosinfleck auf der Tragfläche ausgebreitet, was auf ein Leck schließen lasse und einen Wechsel der Maschine erfordere. Also: Alle Mann raus aus dem Flieger und zurück ins Frankfurter Flughafengebäude.

Irgendwann ging es dann zurück aufs Rollfeld, doch der dabei eingesetzte Bus litt ebenfalls unter einem Gebrechen, denn nach etwa sechssekündiger Fahrt mussten erneut die Passagiere aus- und einen anderen Bus besteigen. Dann endlich stieg die Ersatzmaschine makellos auf in den Himmel über Frankfurt, doch die Länderspielreise nach Rumänien hatte sich längst und nicht zu Unrecht den Titel "Odyssee nach Bukarest" verdient.

Lehmann stichelte gegen Kahns Privatleben

Unter diesen Umständen herrschte Erleichterung unter den Mitreisenden, dass ein Treffen der beiden Nationaltorhüter am Morgen nach dem Frühstück unter Moderation von Teamchef Rudi Völler ohne Kollateralschäden verlaufen war. Die beiden Pfostensteher pflegten zuletzt einen distanzierten Umgang, weil Herr Lehmann den Konkurrenzkampf mit Herrn Kahn dergestalt intensiviert hatte, dass er Reportern gegenüber einen Verweis auf das zeitweilig turbulente Privatleben des Münchners machte.

Er selbst, stichelte Jens Lehmann, habe schließlich keine 24-jährige Freundin (um die andere Kahn gewiss beneiden dürften). Kahn vermittelte stets den Eindruck, als interessiere ihn diese Sottise so, als wäre in seiner Nachbarschaft irgendeinem Spatz beim Nestbau ein Grashalm heruntergefallen.

Doch Völler sorgte sich offenbar sehr um Auswirkungen auf den inneren Frieden der Equipe, die schließlich mit einer geballten Ladung Teamgeist zur EM nach Portugal reisen soll. Also: Aussprache unter Männern.

Abends zuvor hatte Kahn den Journalisten noch einen Kurzvortrag über die hierarchische Ordnung unter den Torleuten gehalten, was sich so anhörte: "Es gibt überhaupt nichts zu zweifeln an meiner Position, ich fühle mich in sehr, sehr guter Form." Ganz so gut ist seine Verfassung allerdings nicht.

Jeder spielt eine Halbzeit

Mit dem Verweis auf Knieprobleme des Bayern-Torwarts wurde folgender Kompromiss verkündet: In Bukarest wird Kahn nur in der ersten Halbzeit und Lehmann nach der Pause das Tor hüten. Eine Lösung im Sinne des geplagten Lehmann, der obendrein nach britischen Zeitungsberichten bei seinem Meisterklub Arsenal London nicht mehr wohlgelitten ist.

In der Nationalelf dürfte er sich künftig grundsätzlich wieder brav in die Rolle der Zweitbesetzung hinter dem Vor-Gesetzten fügen. Fast könnte man in Anbetracht der Nebengeräusche die Musik vergessen, den letzten Test des Nationalteams vor der Nominierung des EM-Aufgebots am 25.Mai. In Bukarest erwartet Kahn "einen sehr starken Gegner" und erinnert an die EM-Qualifikation.

Da sind die Kicker vom Balkan erst in der 97. Minute des letzten Spiels durch einen Treffer der Dänen von Platz eins ihrer Gruppe auf Rang drei zurückgeworfen worden. Rudi Völler warnt, "die können alle mit der Kugel umgehen" - Adrian Mutu freilich diesmal nicht. Der Stürmer vom FC Chelsea London und zweifellos beste Rumäne muss wohl verletzt pausieren.

Kahn jedenfalls mag das durch jüngste Erfolge gegen Kroatien (2:1) und Belgien (3:0) taufrische Renommee(chen) und blütenzarte Selbstvertrauen(lein) nicht "durch eine lasche Leistung kaputt machen".

Das gelang der Ersatzmaschine schon mal nicht. Der Flieger landete mit 78 Minuten Verspätung, aber ohne den geringsten Defekt und so zeitig, dass dem pünktlichen Auftritt der Nationalmannschaft im Bukarester Stanescu-Stadion nichts mehr im Wege stand.

Rumänien - Deutschland (Mi. 19 Uhr, live im ZDF) Rumänien: Lobont (Amsterdam/26 Jahre/30 Länderspiele) - Stoican (Donezk/27/10), Iencsi (Spartak Moskau/29/17), Chivu (AS Rom/23/35), Dancia (Torpedo Moskau/24/2) - Dumitru (27/15), Radoi (beide Steaua Bukarest/23/27), Rat (Donezk/23/16) - Ilie (Besiktas Istanbul/30/53) - Ganea (Wolverhampton/30/42), Niculae (Sporting Lissabon/23/22). Deutschland: Kahn (FC Bayern/34/66) - Friedrich (Hertha BSC/ 24/16), Baumann (Werder Bremen/28/22), Nowotny (Bayer Leverkusen/30/ 40), Lahm (VfB Stuttgart/20/2) - Hamann (Liverpool/30/51), Schneider (Leverkusen/30/33), Ballack (FC Bayern München/27/38), Ramelow (Leverkusen/30/45) - Bobic (Hertha BSC/32/32), Kuranyi (VfB Stuttgart/22/9). Schiedsrichter: Rosetti (Italien). - Zuschauer: maximal 19000 im Bukarester Stanescu-Stadion.

© SZ vom 28.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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