Nationalmannschaft:"Da wächst was Tolles heran"

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Deutschland gewinnt gegen Asienmeister Japan 3:0 und weiß erneut zu überzeugen. Da darf man dann auch schon mal an Sie-wissen-schon-was denken.

Von Ludger Schulze

Von außen spähte Teammanager Oliver Bierhoff durch die Scheibe, klopfte ans Glas und deutet lachend auf die Uhr. Der Bus, der die deutschen Fuß-ballnationalspieler zum Tokioter Flughafen Narita bringen sollte, wartete mit laufendem Motor.

Das hat man ja laaaaange nicht mehr gesehen: Deutsche Fußballer mit einem Pokal in der Hand. (Foto: Foto: ddp)

Drinnen, bei der Pressekonferenz im International Stadium von Yokohama, empfing Jürgen Klinsmann grinsend das Signal, ohne seinen Gute-Laune-Vortrag zu unterbrechen.

Der neue Bundestrainer, der schon während des Spiels gegen Japan mit "Klinsmann, Klinsmann"-Sprechchören gefeiert worden war, genoss diese Momente viel zu sehr, um sich von weiterem Lob für seine Leute abbringen zu lassen.

Im August dieses Jahres hat er als Überraschungs-Kandidat seinen Dienst angetreten und seitdem fällt die von Misserfolg gepeinigte Fußballnation von einer Begeisterung in die nächste.

"Spiel einfach so, also ob du ewig dabei wärst"

Fünf Spiele hat Jürgen Klinsmann mit seinen Leuten absolviert, und die Bilanz am Ende dieser Jahres kann sich jetzt schon sehen lassen, ehe die Asien-Tournee vor zwei weiteren Spiele zu Ende gegangen ist: Vier Siegen steht lediglich ein Unentschieden entgegen, das Torverhältnis von 12:2 spricht eine klare Sprache vom Aufschwung.

Das 3:0 (0:0) gegen Asien-Meister Japan ist ein weiterer Fortschritt auf dem langen Marsch nach Berlin, wo im Juli 2006 das Weltmeister-schafts-Endspiel stattfinden wird.

Das Wort "weiterentwickeln" spielte die größte Rolle in Klinsmanns Analyse einer Partie, die eine eindeutig überlegene deutsche Mannschaft erlebt hatte. "Vor allem war erfreulich zu beobachten", sagte der 40-jährige Kalifornier, "wie sich die Mannschaft weiterentwickelt hat, und wie sie fähig ist, junge, neue Spieler zu integrieren."

Diesmal warf der Coach gleich drei neue Leute ins Spiel: Patrick Owomoyela (Arminian Bielefeld), Christian Schulz (Werder Bremen) und zuletzt Marco Engelhardt (1. FC Kaiserslautern). Letzterem, der als Ersatz für den verletzten Bremer Frank Baumann zu unverhofften Ehren gekommen war, nahm er wenige Sekunden vor dessen Einwechslung zur Seite und flüsterte ihm ein paar Takte ins Ohr: "Spiel einfach so, als ob du schon ewig dabei wärst."

i-Tüpfelchens frecher Heber

Engelhardt befolgte den Rat aufs i-Tüpfelchen, und wenn er mit seinem frechen Heber aus 20 Metern ein bisschen mehr Glück gehabt hätte, wäre er sogar als Torschütze in der DFB-Statistik aufgetaucht. Auch Owomoyela und Schulz fügten sich in die Team-Harmonie ein wie altgediente Strategen und man muss reichlich verblüfft zur Kenntnis nehmen, wie unproblematisch der Einbau unbekannter Gesichter verläuft.

Das Verdienst daran gebührt vor allem Michael Ballack, der, obwohl schon immer zu den wenigen Stars des deutschen Fußballs gehörend, unter Klinsmann eine bewundernswerte Entwicklung durchlebt. "Er gibt als Kapitän eine Figur ab, die wegweisend ist, nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb. Es macht Spaß, ihn dabei zu beobachten", sagt der.

Ballack war auf dem Rasen auch nach Meinung von Zico, dem brasilianischen Trainer der Japaner, die bestimmende Figur. Seine Energie, seine Dynamik, seine Torgefährlichkeit (mit 21 Treffern im 49. Länderspiel hat der Mittelfeldspieler nun eine Quote wie nur wenige herausragende Stürmer) eröffnen der Mannschaft eine Zukunft, die mitten in der Handvoll von Weltklasse-Teams anzusiedeln ist.

Der Zauderer und Weichling auf dem Weg zum Weltklasse-Spieler

Klinsmann, der gegen alle Skepsis von Anfang an keine Zweifel an der Klasse dieser Auswahl ließ, sieht sich nun bestätigt: "Da wächst was Tolles heran."

Nun könnte man mäklerisch einwenden, dass der Gegner keinesfalls mehr das Niveau der WM 2002 hat, als Nippon im Achtelfinale knapp gegen die Türken (WM-Dritter) scheiterte, oder dass den Japanern, die in diesem Jahr zu Hause lediglich gegen Argentinien verloren haben, ihre komplette erste Abwehrreihe aus Verletzungsgründen fehlte.

Doch zum Ausgleich hatten die Deutschen lediglich zwei gute Tage zur Akklimatisierung, viel zu wenig, wie erfahrene Asien-Reisende wissen. Klinsmann: "Keiner hat sich über diese kleinen Widrigkeiten beschwert, sondern jeder hat zielbewusst sein Spiel gespielt."

Ein wunderbares Beispiel für die von Inamoto angesprochenene Qualität lieferte der Bremer Stürmer Miroslav Klose, der noch vor vier Monaten als Zauderer und Weichling abgestempelt zu werden drohte, und nun dabei ist, in die Extra-klasse für Offensivspieler vorzudringen.

Nicht nur wegen seiner zwei Abstauber-Geistesblitze fiel er aus dem Rahmen des ohnehin Erfreulichen, sondern auch wegen der Aggressivität, mit der er den Ab-wehrspielern bei gegnerischem Ballbesitz auf den Pelz rückte.

Vorsicht! Eines Tages kommen die Italiener

Hauptsächlich Klose könnte gemeint gewesen sein, als Klinsmann ein paar Details seiner Ansprache verriet: "Ich habe der Mannschaft gesagt, jeder soll sich überlegen, wo wir im August standen ."

Zwei abschließende Dinge passten gut zum Stil dieser jungen Mannschaft. Einmal, dass Klinsmann nicht vergaß, den aufmerksamen japanischen Gastgebern unverkrampft zu danken. "Es ist eine große Freude, hier gewesen zu sein." Höflichkeit verschafft Pluspunkte.

Und zum anderen ein realistischer Blick, wie ihn Michael Ballack verriet. Das alles sei ja recht schön gewesen, "aber man muss erst mal sehen, wie es gegen eine Mannschaft wie Italien läuft." Auch wieder wahr.

Japan: Narazaki/Nagoya Grampus Eight (28 Jahre/46 Länderspiele) - Kaji/FC Tokio (24/21), Tanaka/Jubilo Iwata (29/14), Chano/JEF United Ichihara (28/3), Alex/Urawa Red Diamonds (27/46) ab 83. Nishi/Jubilo Iwata (24/5) - Inamoto/West Bromwich Albion (25/51) ab 70. Endo/Gamba Osaka (24/28), Fukunishi/Jubilo Iwata (28/39), Ogasawara/Kashima Antlers (25/28), Fujita/Jubilo Iwata (33/24) ab 70. Miura/Verdy Tokio (28/23) - Takahara/Hamburger SV (25/32) ab 70. Okubo/Cerezo Osaka (22/17), Suzuki/Kashima Antlers (28/45) ab 46. Tamada/Kashiwa Reysol (24/18) Deutschland: Kahn/Bayern München (34/75) - Owomoyela/Arminia Bielefeld (25/1), Wörns/Borussia Dortmund (32/61), Mertesacker/Hannover 96 (20/3), Schulz/Werder Bremen (21/1) - Ernst/Werder Bremen (25/12) ab 77. Engelhardt/1. FC Kaiserslautern (24/1), Ballack/Bayern München (28/49), Schneider/Bayer Leverkusen (30/37) ab 73. Borowski/Werder Bremen (24/6) - Asamoah/Schalke 04 (26/23), Klose/Werder Bremen (26/44), Podolski/1. FC Köln (19/6) ab 63. Schweinsteiger/Bayern München (20/8)

© SZ vom 17.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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