Nationalelf:Mit Paule im Wörnsland

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Bundestrainer Jürgen Klinsmann ist vor dem wichtigen Test gegen die USA entgegenkommend vor allem eins: entgegenkommend.

Das hat man bislang auch noch nicht gehört, dass sich ein Fußballer crossmedial einsetzen lässt. Aber vielleicht ist das ja ein neuer Begriff aus der geheimen Taktikwerkstatt des Joachim Löw, und sollte damit so etwas wie Kreuz-und-quer-Laufen gemeint sein, dann könnte man sagen, dass das beim letzten Länderspiel in Italien schon ganz gut hingehauen hat.

Zwei dicke Freunde: Jürgen Klinsmann und Paule. (Foto: Foto: dpa)

Wahrscheinlich darf man also einiges erwarten von Paule, dem nächsten Debütanten in der Ära Jürgen Klinsmann. Denn Paule ist jetzt auch bald Nationalspieler, er tritt in die Fußstapfen von Paule Breitner, Paule Beinlich und Paule Rink, wobei er all diesen Helden eines voraus hat: Paule ist ein Adler, der wie ein beschwipster Pinguin aussieht.

Paule ist das neue Maskottchen der DFB-Elf, er ist am Montag in Düsseldorf offiziell vorgestellt worden, und es hat einen einigermaßen erleichtert, dass es bei ihm noch für eine Hose gereicht hat.

Überhaupt passt Paule ideal zu dieser Mannschaft. "Paule soll ja ein guter Kicker sein", hat ein Herr von der Paule-Entwicklungs-Firma am Montag verkündet, "aber er ist einer, dem in seinem Übereifer manchmal ein paar Missgeschicke passieren." Wahrscheinlich nennt man das corporate identity, und besser hätte man sie ja nicht beschreiben können, diese deutsche Nationalmannschaft, die am Mittwoch in Dortmund auf die USA trifft. Ganz neu ist die Maskottchen-Idee aber nicht, die deutsche Elf hatte auch früher schon mal eines, nur wurde sie da praktischerweise von diesem Maskottchen auch trainiert.

Ergebnisse für den Sympathiefaktor

Als Rudi Völler noch amtierte, brauchte es keine - Achtung! - "zielgruppenübergreifende Sympathiefigur". Das nämlich soll Paule sein, was schnurstracks zur zentralen Frage führt, die die Nation seit geraumer Zeit umtreibt: Ist Klinsmann auch eine zielgruppenübergreifende Sympathiefigur?

Jürgen Klinsmann indes will das gar nicht sein. Klinsmann ist jener Bundestrainer, dessen Sympathiefaktor sich mehr als bei all seinen Vorgängern an den Ergebnissen seiner Mannschaft bemisst - weshalb er spätestens nach dem 1:4 in Italien nicht mehr allzu viele Zielgruppen bedient.

Man darf davon ausgehen, dass es sich beim anstehenden Länderspiel - paradoxerweise gegen Klinsmanns Wahlheimat USA - um eines der wichtigsten Testspiele seit Erfindung der Nationalhymne handelt. Nach den Zuspitzungen der letzten Wochen ist aus diesem Match in der öffentlichen Wahrnehmung eine Art Klinsmann-Spiel geworden - abgesehen von den Neururers im Land versucht die Liga vor dieser Partie weit gehend still zu halten, aber welche Debatten im Misserfolgsfall losbrechen, lässt sich erahnen.

Schon haben ein paar Gurus Ottmar Hitzfeld in Stellung gebracht, auch Lothar Matthäus hat sich als eine Art Schattenbundestrainer auf dem Markt platziert. Sollte die DFB-Elf zu Hause gegen eine B-Elf der Amerikaner patzen, müsste zumindest eine extrem lange Krisenstrecke bis zur WM-Vorbereitung moderiert werden - und man darf ruhig sagen, dass Moderation nicht zu den bevorzugten Stärken des radikal konsequenten Bundestrainers gehört.

Er mag zum Beispiel noch immer nicht recht verstehen, warum ihn die Öffentlichkeit gerne beim WM-Workshop gesehen hätte: "Dieser Druck und gewisse mediale Dinge, die da so rumgeistern, die sind ja nicht steuerbar", hat er am Montag nur gesagt.

Wer Klinsmann über die letzten 20 Monate verfolgte, hat schon merken können, dass ihm die Bedeutung dieses Spiels bewusst ist. Er ist freundlich gewesen am Montag, aber es war eine Freundlichkeit mit Zwischentönen.

Freundliche Gesten für Dortmund

Klinsmann versucht sich an dem Spagat, der Öffentlichkeit entgegen zu kommen und dabei doch Klinsmann zu sein. Er hat das Dortmunder Stadion als "geil" belobigt und er hat erneut gesagt, dass er die Entscheidung des BVB-Trainers Bert van Marwijk, Christoph Metzelder auf der Bank für die WM üben zu lassen, "absolut respektiert - genauso wie Bert van Marwijk unsere Wahl respektiert".

Er weiß, dass seine Mannschaft am Mittwoch in Wörnsland spielt, er weiß, dass er sich ein feindliches Stadion nicht leisten kann. Also versucht er sich an ein paar freundlichen Gesten, wozu wohl auch die Nominierung von Sebastian Kehl gehört, der nach der Verletzung von Frings vermutlich sogar auf der Sechser-Position beginnen darf.

Aber dass es hinter dieser betonten Harmonie noch immer grummelt, ist nicht zu überhören gewesen. Ob er die Interpretationen der Sechser-Rolle von Frings uns Kehl vergleichen könne, hat ein Reporter wissen wollen, und ob er sagen könne, welche er bevorzuge? "Nein, das tue ich nicht", hat er brüsk geantwortet. Normalerweise freuen sich Trainer über Fachfragen, aber Klinsmann steht solchen Werkstatteinblicken misstrauisch gegenüber.

Die Macht des Faktischen hat es mit sich gebracht, dass der bekennende Agierer Klinsmann jetzt manchmal wie ein Reagierer wirkt. Ganz gerecht ist dieser Eindruck nicht, denn speziell in der Personalpolitik hat der Reformer in seiner Amtszeit eine Menge richtig gemacht.

In der Tat gibt es auch diesmal schlüssige Gründe für die Berufung des Rückkehrers Kehl und des Mainzer Neulings Manuel Friedrich; Kehl hat eine anständige Saison gespielt, und der Innenverteidiger Friedrich könnte jene Position im Kader einnehmen, die der wieder in die U21 zurückrotierte Kölner Sinkiewicz freigemacht hat.

Andererseits wirken beide Personalien nun wie Reaktionen, nach dem Motto: Kehl kommt nur, um das BVB-Volk zu befrieden. Und Friedrich kommt nur wegen dieses 1:4 in Italien. Früher fragte man sich bei Klinsmanns Experimentalneulingen ja oft: Huch, warum jetzt schon? Diesmal fragt man sich eher: Warum jetzt erst?

Aber einen ganz neuen Spieler hat Klinsmann ja auch entdeckt, und es ist einer ganz nach seinem Geschmack. Denn Paule ist, wie gestern verkündet wurde, auch online erreichbar.

© SZ vom 21.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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