Nachwuchsfußball:Besonnen am Rand

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Übernimmt er bald die U19? Miroslav Klose ist gefragt als Trainer. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Miroslav Klose gibt sein Debüt als Trainer, gewinnt sein erstes Spiel mit der U17 des FC Bayern - und ist überrascht, wie sich der Druck für die jungen Spieler auf ihn überträgt.

Von Christoph Leischwitz, München

Ein paar Mal habe sein Bein gezuckt, sagt Miroslav Klose später. Immer dann, wenn einer seiner Spieler eine Schussmöglichkeit hatte, aber beim Abschluss zögerte. Als einer, der alleine in der Bundesliga 121 Tore geschossen hat, der WM-Rekordtorschütze ist, muss es schon ziemlich gemein sein, am Rand zu stehen und zusehen zu müssen, wie die Mannschaft ihre Chancen vergibt. Aber ein paarmal klappte es dann doch, und so ist Kloses Debüt zwischen den weißen Linien der Coaching Zone erfolgreich verlaufen: Die U17 des FC Bayern gewann zum Auftakt der Bundesliga Süd/Südwest 3:1 (1:0) gegen Wehen Wiesbaden.

Beim DFB hatte Klose, 40, zwar schon in mehreren Positionen gearbeitet, zuletzt auch bei der WM in Russland als Assistent von Joachim Löw. Am Samstag stand er nun zum ersten Mal hauptverantwortlich am Seitenrand. Zwei Kamerateams filmten ihn nach dem Einlaufen der Mannschaften vor der Ersatzbank, ein kleines bisschen mehr ist schon los im kleinen Campus-Stadion des FC Bayern im Norden Münchens. Und dann spürte er ihn doch noch, den Druck.

Drei Tage vor seinem ersten Pflichtspiel als Cheftrainer hatte der Weltmeister von 2014 auf die Frage, ob er aufgeregt sei, noch geantwortet: "Na ja." Wenige Minuten nach dem Spiel sagte er: "Es ist doch was ganz anderes", dort zu stehen, nicht mithelfen zu können und zu sehen, wie der Druck den jungen Spielern auf den Beinen lastet. "Die Eltern, die Geschwister sind da, die wollen sie ja auch ein Stück weit stolz machen."

Ein Junioren-Bundesligaspiel kann eine hektische Angelegenheit werden. Das Tempo ist hoch, der Testosteronspiegel ebenfalls, alle stehen am Anfang einer Karriere, von der sie hoffen, dass sie steil verlaufen wird. Das gilt auch oft für die Trainer an der Seitenlinie, die das Ganze bisweilen sogar anheizen. Eines von vielen Beispielen dafür war das Finale der Bayern-U17 Mitte Juni gegen Borussia Dortmund mit zwei roten Karten, Rudelbildung und viel Geschrei. Bayern verlor 2:3, Klose war da noch nicht in München. Er verlor an jenem Tag, an der Seitenlinie stehend, 0:1 gegen Mexiko.

Man habe Spieler draußen, "die Aua machen können" - so spricht der Trainer Klose

Der ehemalige Angreifer, 137 Länderspiele, 71 Tore, wirkt in der Junioren-Bundesliga mit ihren oft noch ungestümen Protagonisten wie ein ruhender Pol, auch wenn ab und zu seine Beine zucken mögen. Die meiste Zeit steht Klose am Samstag ruhig am Seitenrand, den Kopf leicht geneigt, das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Anweisungen an die Spieler halten sich in Grenzen. Bei den Toren klatscht er sich mit den Ersatzspielern ab, beim Schlusspfiff klatscht er zufrieden, aber kurz drei Mal in die Hände, das alles wirkt nicht gerade überschwänglich. Umgekehrt kritisiert er aber auch keine Schiedsrichter-Entscheidungen, ein einziges Mal breitet er kurz die Arme aus, als er gerne eine gelbe Karte für einen gegnerischen Spieler sehen würde. Nach diesem Spiel ist schon einmal klar, was er als Trainer-Neuling und zugleich Routinier seinen Spielern mitgeben kann: Besonnenheit.

Klose selbst sagt, er wolle einfach mal sehen, ob ihm dieser Job gefällt. Er will erst einmal seinen Zweijahresvertrag erfüllen, "bis jetzt macht es mir unglaublich viel Spaß", sagt er, und dann mal weiterschauen. Genauso habe er das mit seiner Profikarriere gemacht.

Klose hat Zeit. Von seiner Mannschaft und demnach auch von ihm werden im ersten Jahr keine Wunderdinge erwartet, das Qualitätsgefälle in der Mannschaft wird schnell sichtbar: Im offensiven Mittelfeld spielt Kapitän Malik Tillman, drumherum die anderen. Besonders spektakulär sind Tillmans Alleingänge, die zwar lange nichts Zählbares einbringen. In der zweiten Halbzeit sorgt der eingewechselte Lasse Günther für viel Betrieb und legt zwei Tore auf. "Klasse, Lasse", ruft Klose zweimal hintereinander, offensichtlich überrascht.

Die Startelf, sagt Klose, habe er nach den Eindrücken seiner ersten sechs Wochen bei den Bayern aufgestellt, sein Plan sei aufgegangen: "Den Gegner mit Ballbesitz müde spielen, das ist die erste Halbzeit ganz ordentlich gelungen", sagt Klose, und dann habe man ja noch genug Spieler draußen sitzen, "die in der zweiten Halbzeit Aua machen können". So spricht der Trainer Klose. Was die vergebenen Chancen angeht: "Die Jungs müssen variieren, auch mal ablegen." Sie dürfen also ein bisschen rumprobieren? "Sie müssen sogar." Klose sagt zwar, dass es die jugendlichen Fußballer heute leichter hätten als zu seiner Zeit. Aber den strengen Oberlehrer will er am ersten Spieltag, nach einem Sieg, auch nicht raushängen lassen.

© SZ vom 12.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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