Nachruf:Triumph und Tränen

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In den Armen der Duchess: Jana Novotna weint nach dem verlorenen Wimbledon-Finale 1993 gegen Steffi Graf vor der Herzogin von Kent. (Foto: dpa)

Jana Novotna gewann 24 Tennisturniere, war Nummer zwei der Welt - und berühmt für ihre Tränen auf dem Centre Court, die die Verletzlichkeit der Profi-Seele offenbarten. Im Alter von 49 Jahren ist Jana Novotna an einem Krebsleiden gestorben.

Von Barbara Klimke

Die Zeitungen vom Tag danach hat Jana Novotna nie weggeworfen. Manchmal hat sie den kleinen Packen noch zur Hand genommen, ihn durchgeblättert und wieder weggelegt. Mehr als alle Trophäen und Pokale hat er sie daran erinnert, wie ein Match, ein verlorenes Tennisspiel, ein Leben prägen kann.

Sämtliche englischen Sonntagszeitungen hatten damals, am 4. Juli 1993, in dicken Lettern über ihre schmerzliche Niederlage in Wimbledon berichtet. Aber schon am nächsten Morgen, als Novotna traurig, deprimiert und ein wenig zögerlich zu den Blättern griff, gab ihr das auf seltsame Weise Trost: "Ich öffnete die Zeitungen, und mein Bild mit der Herzogin von Kent war auf allen Titelblättern", hat sie vor zwei Jahren in einer Sendung der BBC erzählt: "Einen Augenblick fühlte sich das an, als sei ich die Siegerin gewesen, und das war ein schöner Moment." Das Wunderbare an den Fotos sei es, dass sie "die menschliche Seite des Profitennis" zeigten: "Und daran haben sich die meisten Leute später mehr erinnert als an meine Niederlage."

Was Jana Novotna den Menschen im ausverkauften Centre Court von Wimbledon und Millionen vor dem Fernseher ungewollt offenbarte, war die Zerbrechlichkeit der Seele eines Athleten. Die Tschechin, damals 24, hatte erstmals das Finale erreicht. Sie stand Steffi Graf gegenüber, der überragenden Spielerin ihrer Zeit, die Wimbledon schon vier Mal gewonnen hatte. Anders als in ihren Duellen zuvor war Novotna, eine brillante Technikerin, Graf an diesem Tag tatsächlich anfangs überlegen. Sie liebte das Angriffsspiel, Serve-and-Volley, lag im dritten Satz schon 6:7, 6:1 und 4:1 vorn und brauchte bei eigenem Aufschlag nur noch einen Punkt, um 5:1 in Führung zu gehen. Dann verlor sie die Nerven. Schlug einen Doppelfehler. Drosch einen Volley weit ins Aus, am völlig freien Court vorbei. Verfiel in Panik. Und verlor den dritten Satz noch 4:6. Bei der Siegerehrung, als ihr die Herzogin von Kent die kleine Silberschale für die Verliererin überreichen wollte, brach sie in Tränen aus. Behutsam nahm die Herzogin sie in den Arm, und Novota weinte bitterlich an ihrer Schulter. Es ist ein Bild, das in keiner Wimbledon-Chronik fehlt. Was sie zu Tränen rührte, erzählte sie später, seien die aufmunternden Worte der Herzogin gewesen: Irgendwann, sagte diese zu ihr, schaffst Du das!

Manche Tennisspielerin wäre an einer solchen Niederlage zerbrochen, aber Novotna hat es wirklich geschafft, was bei ihrem begnadeten Talent vielleicht keine große Überraschung war. Vier Jahre später stand sie erneut im Wimbledon-Finale und verlor gegen Martina Hingis aus der Schweiz. Im Jahr darauf, 1998, schlug sie Hingis im Halbfinale, und nach dem Endspiel gegen die Französin Nathalie Tauziat nahm sie aus den Händen der Herzogin endlich die große Silberschale in Empfang.

Zu dieser Zeit war die vermeintlich spröde, kühle Tschechin längst zum Darling des Tennispublikums geworden. Der Sport duldet Schwäche für gewöhnlich nicht, er hat keinen Platz für Ängstlichkeit und Sensibilitäten. Jana Novotna aber hatte alle, die je selbst Niederlagen hatten verkraften müssen, daran erinnert, wie nahe Triumph und Verzweiflung beieinander liegen können.

In den 14 Jahren ihrer Karriere hat sie 24 Titel im Einzel gewonnen und als hervorragende Doppelspielerin auch 16 Grand-Slam-Wettbewerbe im Doppel und Mixed. Sie war die Nummer zwei der Weltrangliste und, wie der Präsident der Frauentennis-Organisation WTA, Steve Simon, sagte, "eine Inspiration auf und neben dem Tenniscourt". Eine Zeit lang lebte sie in Florida, vor sieben Jahren kehrte sie nach Brno, in ihre Heimatstadt, zurück. Sie arbeitete als Trainerin, aber den Drang, noch einmal selbst das Rackett zu schwingen, spürte sie nie - auch weil sie wusste, dass das Tennis viel kraftvoller geworden war.

An das verlorene Finale, ihr Finale der Tränen, hat sie gern zurückgedacht, denn es habe sie, wie sie der BBC sagte, zu einer besseren Spielerin gemacht - "und auch zu einem besseren Menschen". Jana Novotna ist am Sonntag im Kreise ihrer Familie im Alter von 49 Jahren nach einer Krebserkrankung gestorben.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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