Nachruf:Sevillas Sensationsstürmer

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Ankunft im Jahr 1973: Alhaji Momodo Njie, genannt Biri-Biri, bei seinen ersten Ballkontakten im Stadion des FC Sevilla. (Foto: Agencia EFE/imago)

Er war der erste schwarze Moslem in Spaniens Fußball und der Held der Fans: Der legendäre Biri-Biri verstirbt mit 72 Jahren in Dakar - und letztmals huldigen ihn seine Anhänger mit Gesängen.

Von Javier Cáceres

Früher, als noch Zuschauer auf die Tribünen durften, war es bei Heimspielen des FC Sevilla nur eine Frage der Zeit, bis eine alte andalusische Weise erklang, die irgendwann adaptiert und zu einer Hymne des Klubs wurde: "Con el Biri Biri biri/ con el Biri Biri va..." Man muss in dem Text nicht nach einem tieferen Sinn suchen, sondern nur nach Klang, Sentiment und Hingabe für einen mythisch verklärten Spieler, der am Sonntag im Alter von 72 Jahren verstarb: Alhaji Momodo Njie, genannt: Biri-Biri.

Die Faszination, die Biri-Biri im Sevilla der 1970er Jahre auslöste, ist von bemerkenswerter Einzigartigkeit. Und mindestens ebenso bemerkenswert ist, dass diese Faszination bis in die heutige Zeit reicht: Die größte, streng antirassistisch verfasste Fangruppe des FC Sevilla, "Los Biris", wurde 1975 gegründet, als Biri-Biri mit 14 Toren zum Helden des Wiederaufstiegs der Mannschaft wurde. Es war das Jahr seines Lebens, sollte Biri-Biri später sagen; einmal wurde er nach einer Gala von Sevilla-Fans auf Schultern aus dem Stadion Sánchez Pizjuán herausgetragen - bis zur Gran Plaza, knapp einen Kilometer entfernt. Der Aufstieg 1975 war ohne Zweifel eine Heldentat. Ein Jahr zuvor war er bei Sevilla keinem Geringeren als dem späteren HSV-Trainer Ernst Happel misslungen, der zuvor den niederländischen Topklub Feyenoord Rotterdam 1970 zum Weltpokal-Titel geführt hatte.

Biri-Biri war 1973 nach Sevilla gekommen, auf verschlungenen Wegen. Ein Verein aus Dänemark, B 1901 Nyköbing, hatte in Gambia ein Freundschaftsspiel ausgetragen und dort Biri-Biri entdeckt, der schon als 15-Jähriger ein Länderspiel bestritten hatte. Eigentlich hatte Sevillas großer Lokalrivale Betis Biri-Biri verpflichten wollen. Doch der FC Sevilla stimmte ihn um, kaum, dass er auf dem Flughafen der andalusischen Hauptstadt gelandet war.

Für die damalige Zeit, in den Endjahren der nationalkatholischen Franco-Diktatur, war Biri-Biri nicht weniger als eine Sensation. Einen schwarzen Moslem hatte die Stadt in einem Fußballklub noch nicht gesehen. Später, in der ersten Liga, bekam er einen Alltagsrassismus zu spüren, der in Spanien lange belächelt wurde. Vor einem Spiel Sevillas trug Real Madrids José Martínez Sánchez, alias "Pirri", - damals Medizinstudent, später Mannschaftsarzt des Rekordmeisters -, seinem raubeinigen Mannschaftskameraden Goyo Benito auf, bei Biri-Biri zuzulangen: "Bei dem Schwarzen sieht man die blauen Flecken nicht." Benito trat, bis Biri-Biri Gnade erbat: "Bitte, Señor Benito, schlagen Sie mich nicht mehr."

Biri-Biri galt in jener Zeit als unberechenbarer, sehr elastischer Stürmer, der im Angriff auf allen Positionen zu Hause war, vor Ecken gern in die Knie ging und damit Verteidiger verwirrte. Dass er 1978 wieder nach Dänemark ging und schon tief in den 1980er Jahren seine Karriere in Gambia beendete, änderte nichts daran, dass er in Andalusiens Hauptstadt unvergessen blieb. "Als ich Sevilla verließ, habe ich geweint. Ich weiß nicht, wie es sein konnte, dass die Bewohner einer Stadt, in der ich nur Fußball gespielt habe, mich so sehr lieben konnten", sagte er der Fußballzeitschrift Panenka.

Und sie lieben ihn noch immer: Nachdem am Sonntag bekannt wurde, dass Biri-Biri in Dakar nach langer schwerer Krankheit und einer Operation verstorben war, zogen die "Biris" vors Sánchez Pizjuán und sangen ihm zu Ehren das gleiche Lied, das sie anstimmen werden, sobald sich die Stadiontore wieder für sie öffnen werden.

© SZ vom 21.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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