Nachruf:Mann der Stille

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Der erste türkische Boxer, der Weltmeister bei den Amateuren wurde: Sinan Samil Sam. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Der Boxer Sinan Samil Sam war ein Volksheld in der Türkei - doch er war auch einer, der sich gerne zurückzog von den schrillen Seiten seines Sports.

Von Benedikt Warmbrunn

Sinan Samil Sam war der Brieftaubenzüchter aus Hamburg, er war der Pferdezüchter aus Ankara, er war ein Mann mit vielen Eigenschaften, nur eines war er vielleicht nie wirklich: der Bulle vom Bosporus. Was aber sein Rufname wurde, unter dem er in der europäischen Boxszene bekannt wurde. Sam war jedoch kein Bulle, er war keiner, der alle platt machte, er war keiner, der aufbrausend wurde. Er war ein stiller Mann in einer schrillen Branche, einer, der die Öffentlichkeit nicht suchte, sondern vor ihr floh. Zu seinen Brieftauben. Zu seinen Pferden.

Doch die Öffentlichkeit wollte mehr von diesem Boxer, und so wurde Sinan Samil Sam zu einem Symbol, das größer war als er selbst. Achtmal wurde er türkischer Amateurmeister, 1999 gewann er den Titel bei der WM der Amateure, als erster türkischer Boxer der Geschichte. Er kämpfte nun für sein Land, er kämpfte für die Erwartungen all seiner Anhänger. Und sie erwarteten nun eine große Karriere bei den Profis. 2002, zwei Jahre nach seinem Wechsel zum Universum-Team aus Hamburg, gewann er den EM-Titel im Schwergewicht; er war nun der erste türkische Boxer, der in einer Gewichtsklasse oberhalb des Halbweltergewichts einen Titel gewinnen wollte. Es war der Höhepunkt seiner Karriere. Bei seinen Kämpfen jubelten ihm in den deutschen Hallen Tausende seiner Landsleute wie einem Volkshelden zu.

Sam verteidigte seinen Titel zweimal, aber bereits 2003 verlor er zum ersten Mal, in den USA gegen den Kubaner Juan Carlos Gómez. Wenige Monate später verlor er auch den EM-Gürtel, gegen Luan Krasniqi. Es war das Ende seiner großen Zeit. Sam fand Zuflucht nun nicht mehr nur bei seinen Brieftauben und seinen Pferden, sondern auch im Alkohol. 2007 kämpfte er auf der ersten Profiboxveranstaltung in der Türkei seit 27 Jahren, hätte er gewonnen, hätte er um den WM-Titel boxen dürfen. Er stieg mit Übergewicht in den Ring, und er verlor. 2008, in Ankara, endete sein letzter Kampf tumultartig, Flaschen und Stühle flogen in den Ring. Die Punktrichter hatten den Kampf gegen Paolo Vidoz Unentschieden gewertet, obwohl Sam den Kampf bestimmt hatte. Wenige Tage später, nach einem Einspruch von Sams Manager, bestimmten die Punktrichter ihn doch zum Sieger. Sam wäre wieder Europameister geworden. Er verzichtete auf den Titel.

2010 wurde bei Sam eine Leberzirrhose diagnostiziert. Seitdem wartete er auf eine funktionierende Spender-Leber, die seiner Schwester und die seiner Cousine konnten ihn nicht retten. In der Nacht auf den Freitag erlag Sinan Samil Sam in einer Klinik in Istanbul seiner Krankheit. Der Mann, der es lieber still hatte, wurde 41 Jahre alt.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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