Nachruf:Der Unvergessene

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Sein größter Erfolg: Hidalgo mit dem EM-Pokal 1984. (Foto: AP)

Michel Hidalgo trainierte die legendäre französische Nationalmannschaft um Michel Platini und Jean Tigana und gewann die EM 1984. Das machte ihn zu einer historischen Figur.

Von Javier Cáceres

Als sich Michel Hidalgo mit dem Abstand von 30 Jahren in der Zeitung L'Équipe an den Europameistertitel von 1984 und damit an seinen größten Triumph als Trainer erinnerte, dachte er auch an "die dramatische Nacht" von Sevilla. An jenes magisch-elektrisierende Spiel im Halbfinale der WM 1982, das die Franzosen gegen Deutschland nach Elfmeterschießen verloren (3:3, 4:5). Hidalgo erinnerte daran, wie sein Team es nicht ertragen konnte, auf dem Flughafen den feixenden Deutschen zu begegnen, weil die Bitternis noch auf ihrer Haut blühte. Hidalgo zählte auf: "Die Fehler des Referees, der Angriff auf (Patrick) Battiston, das Verhalten bestimmter Deutscher, vor allem von Harald Schumacher." Der deutsche Torwart hatte Battiston so brutal gerammt, dass der Puls des Franzosen zwei Minuten lang nicht spürbar war. Der Zorn über all diese Ungerechtigkeiten 1982, er war die Grundlage für den Sieg 1984 im EM-Finale von Paris, Frankreich schlug Spanien 2:0. Das machte Hidalgo, der am Donnerstag verstarb, zur unvergessenen Figur.

Hidalgo, der als Spieler drei Mal französischer Meister wurde und 1956 im ersten Landesmeisterpokal-Finale der Geschichte mit Stade Reims gegen Real Madrid verlor, war 1976 Nationaltrainer geworden. Vor seiner ersten WM 1978 wurden er und seine Frau Opfer eines Entführungsversuchs; eine linke Gruppe wollte einen Boykott der WM im Land der argentinischen Folterer und Mörder erzwingen. Zu dieser ersten WM, an der Frankreich nach 1966 teilnahm, reiste Hidalgo mit einem Team, das über die Jahre danach ein wunderbares Aroma versprühen sollte. Nichts bringt dieses so sehr zurück wie die Namen unvergesslicher Mittelfeldspieler: Luis Fernández, Bernard Genghini, Jean Tigana, Alain Giresse - und natürlich Michel Platini.

"Er hasste Ungerechtigkeiten", sagte Platini, als er gebeten wurde, sich an das dritte ikonische Bild zu erinnern, das am Freitag in vielen Zeitungen Frankreichs zu finden war: Hidalgos cholerische Attacke, als bei der WM 1982 der Emir mitten im Spiel auf dem Rasen auftauchte und seine Elf zum Verlassen des Spielfelds aufforderte, aus Protest dagegen, dass die Kuwaitis einen Pfiff von den Rängen gehört hatten und ein Tor kassierten, weil sie in ihrer Naivität aufhörten, weiterzuspielen. "Er war ein aufrichtiger, guter Mann", sagte Platini in L'Équipe.

Nach Angaben seiner Familie starb Hidalgo "nach einer langen Krankheit", die nichts mit Corona zu tun hatte. Der Umstände halber wird Hidalgo nicht die Hommage erhalten, die er verdient gehabt hätte. Denn er holte für die heutige Sportgroßmacht Frankreich nicht nur die erste EM, sondern "den ersten Titel in einer Mannschaftssportart überhaupt", wie Frankreichs Ex-Torwart Joel Bats sagte: "Michel Hidalgo ist das Frankreich, das siegt." Er wurde 87 Jahre alt.

© SZ vom 29.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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