Nachruf:Der große Zweite

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Stirling Moss gilt als bester Formel-1-Fahrer, der nie Weltmeister wurde. Eine erfüllte Karriere hatte er trotzdem.

Von Elmar Brümmer, München

Es ist kein offizieller Titel, mehr ein Etikett, das zeitlebens an Stirling Crauford Moss klebte, und jetzt auch seinen Nachruf begleitet: der beste Formel-1-Rennfahrer, der niemals Weltmeister geworden ist. Trotzdem endete am Ostersonntag keine unglückliche Karriere, sondern eine sehr erfüllte. 90 Jahre ist der Brite alt geworden, längst war er von der Queen zum Sir geadelt worden, und von der britischen Renngemeinde, die noch leidenschaftlicher ist als die der Ferraristi, zum "Mister Motor Racing" ernannt. Der älteste lebende Grand-Prix-Sieger starb nach Angaben seiner Frau Susie in der Daily Mail in seinem Londoner Haus so, "wie er gelebt hat: wundervoll aussehend". Moss habe einfach seine "wunderschönen Augen geschlossen, und das war es". Ältester noch lebender Sieger ist jetzt der Brite Tony Brooks, 88 Jahre, er war Weltmeisterschafts-Zweiter 1959.

Der Zweite ist der erste Verlierer, das ist das erbarmungslose Gesetz der Königsklasse. Aber es kommt eben schon darauf an, gegen wen man unterliegt. In seinem Fall war es der fünfmalige Weltmeister Juan Manuel Fangio, neben Michael Schumacher und Lewis Hamilton der erfolgreichste Grand-Prix-Pilot der Historie. Von 1955 bis 1958 wurde Moss viermal Vize, seinen ersten Formel-1-Sieg holte er 1955 in Aintree, als die Silberpfeile von Mercedes einen legendären vierfachen Erfolg feierten. 16 Große Preise gewann er (übrigens für fünf verschiedene Marken) - und damit mehr als 17 der bisherigen 33 Weltmeister.

Sein erstes Formel-1-Rennen gewann Stirling Moss 1955 im Mercedes auf dem Aintree-Circuit bei Liverpool. (Foto: Motorsport Images/imago)

Nicht die Niederlagen gegen den Argentinier Fangio, seinen Freund, haben ihn zermürbt. Vielmehr war es das eine Pünktchen, das dem Vanwall-Piloten 1958 gegen seinen Landsmann Mike Hawthorn fehlte, der mittels Ferrari-Stallregie zum Weltmeister gemacht wurde. Danach war Moss der WM-Titel nicht mehr so wichtig - das Fahren aber schon.

Anfang der Sechziger hätte er noch einmal eine gute Chance gehabt, aber nach einem Unfall am Ostermontag 1962 in Goodwood, bei dem er gegen einen Erdwall fuhr, lag er im Koma. Er erlitt Knochenbrüche und ein Hirntrauma, blieb zunächst halbseitig gelähmt. Als er sich über ein Jahr später zurück auf die Strecke wagen konnte, merkte er, dass ihn die Magie hinter dem Lenkrad verlassen hatte. Zum neuen Helden auf der Insel wurde Jim Clark. Für die Lehrbücher bleibt Moss' Satz übers Rennfahren: "Eine Kurve mit Vollgas zu durchfahren, ist schwierig. Aber dieselbe Kurve mit Vollgas zu nehmen, wenn auf der einen Seite eine Mauer und auf der anderen ein Abgrund ist, das ist eine echte Leistung."

Vergessen worden ist er ohnehin nie, die Branchenbibel Autosport ruft ihm nach: "Für viele war er der Inbegriff von Motorsport, vermutlich auch der erste große Star, aber ganz sicher der größte Allround-Pilot." Denn hinter dem Lenkrad von Sportwagen war Stirling Moss noch talentierter. Bei den 24 Stunden von Le Mans blieb ihm die Krönung aber auch versagt. Zweimal Zweiter, sonst nur Ausfälle.

In Moss schlummerte ein besonderer Katalysator: Niederlagen wandelte er nicht in Frust, sondern Lebensfreude um. So triumphierte er 1955 bei den leidenschaftlichsten Rennen, der Mille Miglia und der Targa Florio. Insgesamt ist seine Quote eine sehr stattliche: 529 Rennen, 212 Siege. 1955 fuhr er jedoch auch für Mercedes in Le Mans, als sich die Unfalltragödie um seinen Team-Kollegen Pierre Levegh ereignete, bei der mehr als 80 Zuschauer und Levegh starben.

Die britische Motorsportlegende Sir Stirling Moss entschied insgesamt 16 Große Preise für sich, dabei fuhr er für fünf verschiedene Marken. (Foto: dpa)

Als Kommentator, Firmenrepräsentant und als Pilot bei Oldtimer-Veranstaltungen mischte er immer noch bis weit über die 80 hinaus mit in den Fahrerlagern. Erkennungszeichen: die breiten, bestickten Hosenträger. Bis zu seinem Abschied aus der Öffentlichkeit vor zwei Jahren konnte man ihn praktisch nur gut gelaunt erleben.

Vor sieben Jahren in Silverstone tauschte er mit Hamilton das Lenkrad, er setzte sich in den neuen Silberpfeil, zumindest taten sie für die Kameras so. Einen Trick verriet der Fast-Weltmeister von einst dem aktuellen Abo-Champion: "Am Start habe ich immer ganz bewusst völlig entspannt in die Gegend geguckt, damit sich die Konkurrenten fragten, in was für einem Wunderauto ich wohl sitze. So haben sie sich schon am Start immer ein bisschen schlechter gefühlt..."

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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