Nach Öko-Test Veröffentlichung:Kündigungen bei Goleo-Firma Nici

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Das Spielwaren-Unternehmen hatte sich gerade wieder aufgerappelt - doch dann warnte ein Umweltmagazin vor dem Kauf der Goleo-Plüschtiere: für Nici ein Desaster.

Klaus Ott/Uwe Ritzer

Die Trikots der Nationalelf und die deutsche Fahne verkaufen sich bestens, und auch das WM-Maskottchen Goleo profitiert von der Partystimmung im Lande.

Für den hosenlosen Löwen gingen bei der Nici AG im oberfränkischen Altenkunstadt in den vergangenen Wochen rund 700.000 Nachbestellungen ein, vom Schlüsselanhänger bis zum 1,20 Meter großen Stofftier.

Das vor sechs Wochen aufgrund krimineller Machenschaften im Management insolvent gegangene Spielwaren-Unternehmen, das vom vorläufigen Insolvenzverwalter Michael Jaffé fortgeführt wird und nach dessen Ansicht überlebensfähig ist, hätte sogar noch mehr Geschäft mit seinem WM-Produkt machen können. Nici lag ein unterschriftsreifer Großvertrag für Goleo mit einer Handelskette vor.

Doch dann warnte die Zeitschrift Öko-Test vor einem Schadstoff, mit dem das Plüschtier belastet sei. Man rate davon ab, Goleo "im Siegestaumel allzusehr zu knuddeln", schrieb das Umweltmagazin. Die Handelskette zog das Angebot, das mehrere Millionen Euro und mit Folgeaufträgen womöglich noch weit mehr Geld in die leere Firmenkasse gebracht hätte, schnell wieder zurück. Die gut 580 Mitarbeiter von Nici, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, waren um eine Hoffnung ärmer.

"Sensationsmache"

Jetzt folgen die nächsten schlechten Nachrichten für die Belegschaft. Noch in dieser Woche erhalten nach Angaben aus Unternehmenskreisen zahlreiche Beschäftigte ihre Kündigung, darunter auch Aushilfskräfte. Außerdem werden Zeitarbeitsverträge nicht verlängert.

Insgesamt fallen rund 120 Stellen weg. Für Altenkunstadt, eine strukturschwache Region, ist das ein herber Schlag. Doch Insolvenzverwalter Jaffé hat keine andere Wahl. Der Spezialist für schwierige Fälle, der schon 1400 Firmenpleiten betreut hat, war im Plüschtierland auf ein kriminelles System gestoßen.

Der langjährige Vorstandschef Ottmar Pfaff hatte mit Scheinrechnungen und gefälschten Lieferpapieren Forderungen in Höhe von mehr als 55 Millionen Euro erfunden und an Banken sowie andere Finanz-Firmen verkauft.

Auf diese Weise blähte Pfaff den Umsatz künstlich auf und schuf Arbeitsplätze, für die es gar keine Arbeit gab. Nach einem Geständnis sitzt der Ex-Chef im Gefängnis und wartet auf die Anklage und seinen Prozess. Er muss sich auf eine mehrjährigen Haftstrafe gefasst machen.

Derweil liegen nach Angaben aus Gläubigerkreisen erste Zahlen über die wahren Verhältnisse bei Nici vor. Die Firmengruppe hatte für 2005 offiziell 155 Millionen Euro Umsatz gemeldet. Tatsächlich hatte das Unternehmen, nach Abzug der Luftbuchungen und intern verrechneter Warenströme, nur für rund 80 Millionen Euro Plüschtiere und andere Produkte verkauft.

Die Lagerbestände sind immens; 50 Millionen Artikel liegen auf Halde. Mit Goleo hatte Pfaff die Firma retten wollen, doch das war ein Trugbild. Nun muss Insolvenzverwalter Jaffé, der sich dazu nicht äußert, harte Einschnitte vornehmen und sich auch noch mit Öko-Test streiten.

Das Umweltmagazin hatte Ende Mai heftige Vorwürfe gegen Goleo erhoben. Das Plüsch-Maskottchen weise "stark erhöhte Mengen" an Dibutylzinn auf. Bereits sehr kleine Mengen genügten, um das Immun- und Hormonsystem von Tieren und vermutlich auch des Menschen zu beeinträchtigen. Auch Fan-Produkte anderer Firmen wurden getestet. In einem Editorial schrieb Chefredakteur Jürgen Stellpflug, "billiger und mit Schadstoffen belasteter Schrott wird teuer als Fanartikel verhökert".

Nici konterte mit einer ebenso heftigen Attacke beim Landgericht Coburg. Dort trug das Unternehmen vor, von Goleo gehe nicht die geringste Gefahr aus. Das Plüschtier enthalte keine stark erhöhten Mengen an Dibutylzinn und könne bedenkenlos geknuddelt werden.

Die Vorwürfe seien falsch und gefährdeten das Vorhaben von Jaffé, die Firma zu retten. Öko-Test habe mit einem "Knaller" kurz vor Beginn der WM, also zu einem besonders günstigen Zeitpunkt, die eigene Auflage steigern wollen. Die weltweit Schlagzeilen ("Gift in Goleo"), die folgten, schadeten Nici immens.

Wäre es der Zeitschrift wirklich darum gegangen, die Bevölkerung aufzuklären und zu schützen, dann hätte das Umweltmagazin seine Bedenken schon viel früher veröffentlichen können, kritisierte Nici und sprach von "Sensationsmache".

Schließlich sei Goleo schon seit mehr als einem Jahr im Markt. Das Landgericht erließ daraufhin eine einstweilige Verfügung. Die Zeitschrift darf ihre Vorwürfe vorerst nicht wiederholen. Jaffé prüft darüber hinaus Schadensersatzansprüche.

Für Goleo kommt der Zwischenerfolg bei Gericht wohl zu spät. Die WM ist bald vorbei, dann kauft niemand mehr WM-Maskottchen, Stofftiere und Schlüsselanhänger liegen dann auf Halde. Doch Nici, das glaubt Jaffé seit Beginn seines Feuerwehrjobs, hat auch ohne Goleo genügend Substanz für ein gesundes Unternehmen. Man müsse nur die Ausgaben den Einnahmen anpassen; statt umgekehrt vorzugehen, wie das früher der Fall war.

© SZ vom 28.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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