Nach dem Länderspiel:"Deutschland verprügelt die Amerikaner"

Lesezeit: 2 min

Hohn und Spott nach einem Länderspiel ist man in Deutschland gewohnt. Neu ist: Dieses Mal kriegt es der Gegner ab. Die US-Medien gehen mit ihrer B-Elf hart ins Gericht - und ernennen die Deutschen zum WM-Favorit.

Den US-Amerikanern blieb am Ende zumindest der Trost, dem Wahl-Kalifornier Jürgen Klinsmann aus seiner unangenehmen Situation herausgeholfen zu haben.

"Ich denke, dass Jürgen heute Nacht ein bisschen besser schlafen kann", sagte Bundesliga-Profi Steven Cherundolo von Hannover 96 nach der bitteren 1:4-Niederlage gegen die deutsche Nationalelf.

Trainer Bruce Arena, seit 1998 im Amt, war nach dem schwachen Auftritt seines Teams dagegen nicht zum Lachen zu Mute. Die Hände tief in den Taschen vergraben, bemühte er sich krampfhaft um Gelassenheit und versuchte, das Spiel als Muster ohne Wert einzustufen.

Nie wieder mit der Reserve

"Die Lehre ist, dass ich nie wieder mit meiner zweiten Mannschaft zum letzten Vorbereitungsspiel des WM-Gastgebers antreten würde", erklärte der Coach, der auf seine Stammspieler Claudio Reyna, Landon Donovan, Frankie Hejduk, Brian McBride und DaMarcus Beasley verzichten musste.

"Wir haben nicht gut gespielt, aber es hat doch jeder gesehen, dass das nicht unsere erste Mannschaft war." Da sich "nicht gerade viele für den WM-Kader aufgedrängt" hätten, "habe ich wenigstens wichtige Aufschlüsse bekommen."

Nachdem die Vorbereitung mit einem 0:0 gegen Kanada und Siegen gegen Norwegen (5:0), Guatemala (4:0) sowie die WM-Teilnehmer Polen (1:0) und Japan (3:2) bis dato gut verlaufen war, ist die Euphorie bei den US-Amerikanern aber wieder dahin. Zumal das Arena-Team für die Endrunde in Deutschland eine extrem schwere Gruppe mit Italien, Tschechien und Ghana erwischte.

Auf die Weltrangliste vertraut

In der Weltrangliste werden die US-Amerikaner derzeit auf Rang fünf geführt, die Partie in Dortmund zeigte aber erneut, dass diese Einstufung nicht zuletzt durch zahlreiche Siege gegen zweit- und drittklassige Gegner resultiert.

"Vielleicht haben einige diese Weltrangliste zu ernst genommen", schimpfte der Mönchengladbacher Bundesliga-Keeper Kasey Keller. "Dieses Spiel hat gezeigt, wer auf diesem Level spielen kann und wer nicht."

Doch Keller hofft, dass sich die Niederlage als Warnung zur rechten Zeit entpuppt. "Wir dürfen nicht zur WM fahren und denken, wir sind die Größten, nur weil wie die Norweger und die Japaner geschlagen haben", sagte der 36-Jährige: "Ich bin nur froh, dass wir diesen Schuss vor den Bug jetzt bekommen haben und nicht erst am 12. Juni gegen die Tschechen."

Auch Cherundolo, der sein erstes Tor im 36. Länderspiel erzielte, meinte: "Ich hoffe, wir haben daraus gelernt."

"Deutschland wie ein WM-Favorit"

Wiedergutmachung gegen ein großes Team kann der WM-Viertelfinalist von 2002 bis zur Endrunde aber nicht mehr betreiben. Die Gegner der letzten vier Tests sind ausschließlich nicht für die WM qualifizierte Teams: Jamaika, Marokko, Venezuela und Lettland.

Einige Pressestimmen zum Länderspiel:

New York Times: "Amerikanisches B-Team erhält ein F in Deutschland (Anm.: F ist die schlechteste Schulnote in den USA). Ein zweitklassiges US-Team löste zur Halbzeit zunächst erstklassiges Schimpfen der deutschen Fans aus, dann fiel innerhalb von Sekunden alles bei den USA auseinander."

SoccerAmerica: "Jürgen Klinsmann wird nicht mit einem One-Way-Ticket nach Kalifornien zurückfliegen - die USA haben dafür gesorgt. Deutschland erwachte zum Leben, als Klinsmann zu Beginn der zweiten Halbzeit Bastian Schweinsteiger einwechselte. Die Amerikaner brachen in den letzten 15 Minuten zusammen.

Associated Press: "Explosion in der zweiten Halbzeit. Deutschland schlug die USA nicht nur, Deutschland verprügelte die Amerikaner. Jetzt müssen die amerikanischen Fans Zweifel haben, besonders mit Blick auf die schwere WM-Gruppe mit Tschechien, Italien und Ghana."

ESPN: "Deutschland spielte wie ein WM-Favorit - aber nur zwischen der 70. und der 80. Minute, als es die USA mit drei Toren versenkte."

© sid - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: