1860 München:Umbau im Gange

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Es gibt ihn doch: Der 19-jährige Brasilianer Lucas Ribamar, im Sommer für 2,5 Millionen Euro Ablöse gekommen, bei seinem ersten Pflichtspiel-Einsatz für den TSV 1860. (Foto: Christina Pahnke/sampics)

Die Giesinger Fans trainieren ihr Namensgedächtnis: Ribamar gibt seinen Einstand, der Kameruner Boya ist als Zugang im Gespräch - und Siegtorschütze Liendl weiß nicht, ob er bleibt.

Von Markus Schäflein

Dass die Fans so laut seinen Namen brüllten, erfreute Lucas Ribamar. "Ich dachte, sie hätten mich vergessen", meinte er und lächelte. Es war natürlich undenkbar, ihn zu vergessen, denn der brasilianische Stürmer hat zwar ein halbes Jahr wegen diverser Verletzungen nicht gespielt, aber im vergangenen Sommer kam der 19-Jährige ja als der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte und mutmaßlicher Wunderstürmer zum Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München. Sie hatten ihn also nicht vergessen, als Ribamar am Freitagabend beim 2:1 gegen Fürth erstmals eingewechselt wurde, in der 77. Minute. Plötzlich wurden die Fans, die über weite Strecken mal wieder ziemlich schweigsam gewesen waren, lauter, und die Mannschaft raffte sich nach einer schwachen Vorstellung zu einer Art Schlussoffensive auf, die Michael Liendl kurz vor Schluss mit dem Siegtor krönte.

Ribamar und der derzeit verletzte Victor Andrade waren ja im Sommer erste Transfers, die unmittelbar auf den Willen des Investors Hasan Ismaik und die Empfehlung seines Beraters Kia Joorabchian zurückgingen. Für die Zugänge dieses Winters wird es schwerer, sich in der Erinnerung der Anhänger zu verankern, schließlich verkündete Sechzig in den vergangenen Tagen ständig neue Namen. Neben Ismaik auf der Tribüne saßen die Zugänge, als wollte der Investor sagen: Seht her, hier bin ich, und hier sind die Spieler, die ich euch bringe! Über seinen Wunsch, mehr KGaA-Anteile zu erwerben als Gegenleistung für die zahlreichen Darlehen und Genussscheine, die sich schon vor dem Transferwinter aufgetürmt hatten, sprach Ismaik bei seinem Besuch am Wochenende mit Vertretern des e.V.-Präsidiums.

"Stand jetzt bin ich prinzipiell ganz normal Spieler hier", erklärt Liendl nach dem 2:1 gegen Fürth

Die Fans der Giesinger trainieren unterdessen ihr Namensgedächtnis. Der senegalesische Innenverteidiger Abdoulaye Ba, der ghanaische Außenverteidiger Lumor Agbenyenu und der brasilianische Außenstürmer Amilton saßen dick eingepackt neben Ismaik, der dänische Stürmer Christian Gytkjaer grüßte von der Anzeigetafel, als seine Verpflichtung offiziell bekannt gegeben wurde. Und wenig später meldete der Corriere dello Sport auch noch, 1860 habe den kamerunischen Nationalspieler Frank Boya, 20, vom Apejes FC de Mfou für das defensive Mittelfeld verpflichtet; der Verein bestätigte die Personalie am Sonntag noch nicht. Laut dem Bericht soll Boya, der derzeit noch beim Afrika-Cup weilt, schon bis 2018 unterschrieben haben.

Dass der Umbruch in vollem Gange ist, zeigte sich auch daran, dass Siegtorschütze Liendl sich nicht einmal festlegen wollte, dass er nach dieser Transferperiode, also in drei Tagen, noch Spieler des TSV 1860 sein wird. "Man weiß nie, was passiert. Im Fußballgeschäft kann alles sehr schnell gehen", meinte Liendl. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo ich beim Trainer in der Hierarchie stehe. Stand jetzt bin ich prinzipiell ganz normal Spieler hier."

Der neue Trainer Vitor Pereira hatte nach seiner Punktspiel-Premiere gegen Fürth nicht den Eindruck erweckt, als sei das große Einkaufen schon abgeschlossen. "Insgesamt braucht die ganze Mannschaft mehr Qualität", sagte er in einer launigen Pressekonferenz, in der er lange Ansprachen hielt und dann die Reporter aufforderte, doch bitteschön auch mal Fragen an seinen Fürther Kollegen Janos Radoki zu stellen. Auf die Frage, ob mehr drin gewesen sei gegen die nicht gerade überzeugenden Münchner, antwortete Radoki: "Ich fasse mich kürzer: Ja, es war mehr drin."

Das hatte er prägnant zusammengefasst, denn im ersten Durchgang verloren die Fürther ihre verdiente Führung kurz vor der Pause, als Ivica Olic einen umstrittenen Foulelfmeter verwandelte; in der zweiten Hälfte hatten sie auch in Unterzahl nach einer gelb-roten Karte gegen Stephen Sama immer wieder gute Konterchancen, die sie aber nicht zu Ende spielten. Zugang Ba soll voraussichtlich schon am Freitag in Bielefeld dafür sorgen, dass die Defensive in Pereiras 3-4-3-System besser funktioniert.

Womöglich bekommt dann auch Ribamar etwas mehr Einsatzzeit. Als größter Hoffnungsträger, so schnell geht das bei Sechzig, ist er mittlerweile allerdings von Gytkjaer abgelöst worden.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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