MSV Duisburg:Ailtons Torte geht an alle

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Mit frischer Harmonie versucht der MSV Duisburg die Nummer drei im Ruhrgebiet zu werden - vor allem Zugang Ailton soll helfen.

Ulrich Hartmann

In Meiderich schien am Dienstag die Sonne. Die Spieler trabten entspannt über die Trainingsanlage in jenem Stadtteil, in dem vor 105 Jahren der bekannteste Fußballklub Duisburgs gegründet wurde. Der Meidericher Spielverein hat seine besten Jahre freilich längst hinter sich. Seit der Klub 1967 als MSV Duisburg auftritt, war ein sechster Platz in der Bundesliga das Nonplusultra, und von den jüngsten sieben Spielzeiten hat er sechs in der Zweiten Liga verbracht. Im Moment haben die Duisburger wieder Oberwasser.

Sie sind soeben in die Bundesliga zurückgekehrt, und seit sie den bei Werder Bremen zum Bundesliga-Torschützenkönig avancierten Brasilianer Ailton verpflichtet haben, geht es mit dem ramponierten Selbstwertgefühl der krisengeschüttelten Ruhrpottbewohner aufwärts. Im Fanshop der schmucken MSV-Arena im Stadtteil Wedau ist das Ailton-Trikot der Bestseller. An die 3000 Mal soll das 60 Euro teure Hemd verkauft worden sein. Der ebenso treffsichere (105 Bundesligatore) wie einsilbige Fußballer (,,Ailton immer musse sieße Tore!'') könnte für das Selbstbewusstsein der Fans noch wichtiger werden als für das Spiel des MSV.

Im Fanshop ist aus den Exemplaren der Vereinschronik ein Turm aufgebaut. Für 15 Euro ist in dem Bildband eine auch für den regionalen Strukturwandel symbolische Entwicklung nachzulesen, und der Präsident Walter Hellmich schreibt im Vorwort, wie toll jetzt alles wieder sei. Als der Bauunternehmer im Sommer 2002 sein Amt antrat, hatte der Klub ein baufälliges Stadion und kaum Kredit bei den Fans. ,,Die niederschmetternde Zahl von 880 Dauerkarten hat sich mir im Gedächtnis verankert'', schreibt Hellmich. Jetzt, wo der Klub unter ihm in die zweite Erstligasaison startet, sind mehr als 12000 Saisontickets verkauft, und gemessen am Betrieb im Fanladen, dürfte es in Duisburg keinen Säugling mehr ohne Zebra-Strampler und MSV-Schnuller geben.

Mal zu den Besten

Im Panorama der Ostalpen am Kitzsteinhorn in Österreich hat Hellmich im Rahmen des Trainingslagers kürzlich hoffnungsvolle Visionen entworfen. ,,Vor zwei Jahren habe ich die Bundesliga zu leicht genommen'', sagte er. Vor zwei Jahren hatte der fußballunerfahrene Businessmann überschwänglich das internationale Geschäft als Ziel ausgerufen. Doch der sofortige Abstieg hat ihn auf den Boden der Tatsachen geholt. Erst nach dem lange fraglichen Wiederaufstieg und hoch in den Bergen hat Hellmich seine Ansprüche wiedergefunden.

Diesmal soll die Mannschaft mit einem Saisonetat von 35 Millionen Euro und etwa acht Millionen mehr als nach dem Aufstieg vor zwei Jahren die Klasse erhalten und sich hinter Schalke und Dortmund mittelfristig als drittstärkste Kraft im Ruhrgebiet etablieren. ,,Wenn wir hart arbeiten, können wir mal zu den besten Vereinen in Deutschland gehören'', sagt der Präsident.

Tatsächlich gilt der für drei Millionen Euro mit zehn Zugängen verstärkte Kader als hoffnungsvoll. Trainer Rudolf Bommer, der Wacker Burghausen vor fünf Jahren in die Zweite Liga führte und bei den folgenden Stationen 1860 München und 1.FC Saarbrücken nicht mehr mit Erfolg gesegnet war, hat die Fähigkeiten des in der zweiten Liga zeitweise schwächelnden Kaders mindestens in der Breite verbessert. Der brasilianische Innenverteidiger Fernando Santos, der nigerianische Mittelstürmer Manasseh Ishiaku und das aus Salzburg zurückgekehrte einstige Stuttgarter Mittelfeldtalent Christian Tiffert gelten als Anwärter auf einen Platz in der Startelf. Bommer schweigt, wenn es um die Stammplätze geht. Weder der aus Eindhoven gekommene Abwehrspieler Michael Lamey noch die Brasilianer Maicon und Ailton dürfen sich allzu sicher sein. Im Tor herrscht in der Folge des ausgemusterten und nach Zagreb gewechselten Georg Koch gar ein Dreikampf zwischen Tom Starke, Sven Beuckert und Marcel Herzog.

Doch Wohl und Wehe des MSV werden nicht von einzelnen Spielern abhängen. Bommer, der vergangene Saison als Löwenbändiger einer teils zerstrittenen Mannschaft galt, legt Wert auf die Wiedergewinnung von Harmonie und hat im Sommerlager in Kaprun wohlwollend beobachtet, wie die aus aller Welt zusammengetrommelten Spieler auf Einladung des Präsidenten einen lustigen Hüttenabend verbrachten. Der Tiefpunkt der Vorbereitung war, als der propere und zur leichten Ernährung angehaltene Ailton zum 34. Geburtstag von der Hotelwirtin eine Torte überreicht bekam. Dass er die Nascherei mit den Kollegen teilte, hat dem als schwierig geltenden Weltenbummler sicher Pluspunkte gebracht.

Zuletzt im Testspiel gegen den Champions-League-Teilnehmer PSV Eindhoven hat Ailton auch sportlich geholfen. Er bereitete beide Treffer zum 2:1-Sieg vor und half, jenes klägliche 4:4-Unentschieden gegen den Oberligisten Kleve vergessen zu lassen, das die Duisburger Vorbereitung erschüttert hatte. Mit zurückgewonnener Gelassenheit geht es am kommenden Sonntag zum Pokalspiel nach Babelsberg, und eine Woche später beginnt die Saison mit einem Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund. Beim beneideten Nachbarn wird sich dann erweisen, was der Sonnenschein im grauen Meiderich wirklich wert war.

© SZ vom 1.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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