Motorsport:Den rasenden Doktor holt die Steuer ein

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Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi droht das Rennen gegen die Finanzpolizei zu verlieren - dann wäre eine Strafe von 112 Millionen Euro fällig.

Birgit Schönau

Der Doktor fährt in diesem Sommer Casey Stoner (Ducati) hinterher. Drei GP-Siege gegen Stoners sechs, das ist bitter. Aber Valentino Rossi bleibt doch ein Mann einsamer Rekorde. Sieben Weltmeistertitel, ein Ehrendoktorhut und Steuerschulden von mehr als 60 Millionen Euro - das macht ihm so schnell keiner nach. Drei Jahre lang wurde der 28-Jährige Motorrad-Champion (Yamaha) von der italienischen Finanzpolizei regelrecht beschattet, um herauszufinden, wie viel Zeit er in seinem Heimatort Tavullia in der Provinz Pesaro verbringt. Mit einem geschätzten Jahreseinkommen von 22 Millionen Euro rangiert Rossi auf Platz elf der bestbezahlten Sportler der Welt. Auf seinen Steuererklärungen kann man das aber nicht ablesen. In seinem Heimatland Italien zahlt das Jugendidol mit dem Spitznamen "Dottore" laut Gazzetta dello Sport nicht mehr als 900 Euro jährlich - Grundsteuer für seine Wohnung in Mailand und sein Haus in Tavullia.

Valentino Rossi feiert seine Siege auf der Rennstrecke gerne spektakulär. Zurzeit hat er wenig Anlass, sich zu freuen. (Foto: Foto: dpa)

Offizieller Erstwohnsitz ist seit dem Jahr 2000 London. Weil er die Stadt so liebe, hat Rossi immer wieder beteuert, doch die Finanzpolizei wähnt andere Gründe. Rossi steht unter dem Verdacht, die Londoner Adresse einzig der Steuer wegen gewählt zu haben. Wer nämlich in England lebt, ohne einen britischen Pass zu besitzen, muss nur für jenen Gewinn zahlen, den er ausschließlich auf der Insel erwirtschaftet hat. Für den Doktor hieß das: Preisgelder aus dem GP von England und die Zahlungen britischer Sponsoren. Peanuts also. Pech für Valentino Rossi, dass die Guardia di Finanza ihm jetzt das goldene Exil in London streitig macht. Dort hat der Rennfahrer angeblich nur eine 45-qm-Einzimmerwohnung, die er sich auch noch mit seinem Manager teilt. In Tavullia bewohnt Rossi eine Villa.

Zum Verhängnis könnte Rossi werden, dass er einmal zu viel Steuern sparen wollte

Er halte sich folglich überwiegend in seiner Heimat auf, heißt es im Bericht der Ermittler, die auch die Tage auf seiner im Hafen von Gabicce Mare vor Anker liegenden Yacht zählten. Zum Verhängnis könnte Rossi wohl werden, dass er einmal zu viel Steuern sparen wollte: Die Grundsteuer für den Erstwohnsitz ist in Italien deutlich niedriger als die für weitere Residenzen. Also ordnete Rossi sein italienisches Zuhause brav unter "Erste Adresse" ein.

Am 3. August schickte das Finanzamt in Pesaro eine Benachrichtigung an Valentino Rossi, Tavullia. Er habe dem italienischen Fiskus von 2000 bis 2004 insgesamt Erträge von 60 Millionen Euro verschwiegen, ergo demnach eine Steuerschuld von 25 Millionen Euro. Es sei zudem ein Bußgeld von 87 Millionen Euro zu entrichten. Macht 112 Millionen - ein hübscher Batzen selbst für den schnellsten Doktor. Wenn Rossi innerhalb von einem Monat zahlt, darf er mit einem 50-Prozent- Rabatt rechnen. Eine Anklage riskiert er trotzdem, die Ermittlungen für die Jahre 2005 und 2006 laufen auch schon. Rossi streitet alles ab: "Die Finanzpolizei macht ihre Arbeit, aber jeder weiß doch, dass ich sieben Monate im Jahr um den Globus ziehe, und die übrige Zeit in London lebe."

Nicht nur bei Sportlern kennt der italienische Fiskus kein Pardon

Ein Rennfahrer hat andere Strategien als die grau Uniformierten der Guardia di Finanza. Er rast seine Runden bis ins Ziel, die Finanzpolizei aber arbeitet wie der Igel gegen den Hasen. Solch ein Rennen kann Rossi kaum gewinnen - und er ist damit in guter Gesellschaft. Seit Jahren ist der Fiskus der italienischen Sportprominenz auf den Fersen. Diego Armando Maradona musste vor zwei Jahren fluchtartig die Fernsehstudios der RAI verlassen, weil die Finanzpolizei bei ihm 31 Millionen Steuerschulden einfordert. Die Gage des Ex-Fußballers wurde umgehend konfisziert - sozusagen als erste Ratenzahlung. Die Ski-Größe Alberto Tomba musste wegen Steuerhinterziehung fünf Millionen Euro Bußgeld zahlen, Rossis Kollege Loris Capirossi wurde jüngst mit acht Millionen belangt. Der frühere Radprofi Mario Cipollini schuldet dem Staat 1,2 Millionen Euro - er hatte, genau wie Capirossi Monte Carlo als Erstwohnsitz angegeben, aber natürlich lieber in bella Italia gelebt. Cipollini hat einen Offenbarungseid geleistet, an den Möbelstücken in seiner Villa in der Toskana klebt der Kuckuck.

Nicht nur bei Sportlern kennt der Fiskus kein Pardon. Luciano Pavarotti musste für zehn Jahre systematischer Steuerhinterziehung 12,5 Millionen Euro zahlen, Sophia Loren verbrachte für das gleiche Delikt sogar ein paar Wochen im Frauengefängnis von Caserta. Weil Steuerhinterziehung in Italien immer noch Volkssport Nummer eins ist - nach Schätzungen des Finanzministeriums schummeln 60 Prozent der Selbständigen - soll an den Idolen ein Exempel statuiert werden. Hinter dem Doktor steht dessen Manager Gibo Badioli. Und Badioli schweigt. Der Mann, der die "Great White London Management" gründete, quasi die Konzernzentrale des Unternehmers Rossi, kommentiert die Forderungen des Fiskus nicht. Badioli, 43, klapperte mit seinem Auto die Adriaküste ab, bevor er 1997 bei Valentino Rossi anheuerte. Der Mann aus Gabicce Mare verkaufte einst Stühle an die Strandbars - dann verhökerte er für Millionen die Werbe-Ikone Rossi an Bierbrauer und Telefonunternehmen. Das Verhältnis zwischen Manager und Rennfahrer soll zuletzt abgekühlt sein. Vielleicht wegen der Probleme mit dem Fiskus. Der rasende Doktor hat eben nicht gerne das Nachsehen.

© SZ vom 10.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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