Momente der Kunst:Original und Fälschung

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Sportler und Trainer aus der Region zeigen ihr Kunstverständnis, indem sie alte Meister und Werke der Moderne nachstellen. Spontan, unentgeltlich, täuschend echt - und übrigens auch gänzlich unbeabsichtigt.

Von Andreas Liebmann

Ist das Kunst, oder kann das weg? Das ist nicht immer leicht zu entscheiden. Die Grenzen sind fließend. Die Frage drängt sich jedenfalls häufig auf, nicht nur, wenn wieder jemand im Museum Margarine verschmiert. Sogar im Sport: Wenn da etwa einer versucht, formschön durch acht Gegner hindurch zu dribbeln; Trainer herumhüpfen wie Ausdruckstänzer; wenn ein Boxer mit einfachem Axel zu Boden geht (dem Sprung, nicht dem Schulz); oder einer wie, sagen wir, Cristiano Ronaldo sein ganzes Repertoire darbietet, vom sterbenden Schwan bis hin zur John-Wayne-Parodie. Okay, schlechtes Beispiel: kann weg, keine Frage. Aber Ronaldo hat es ja auch nicht in unsere Auswahl geschafft.

Der letzte Schrei

Mit den Fotoserien dieses Fußballtrainers hätte man locker einen Großteil des Expressionismus bebildern können. Auch im Surrealismus und in der Moderne wäre man fündig geworden. Doch nirgends blickt er so entsetzt wie auf diesem Foto. Dabei steht Daniel Weber mit dem VfR Garching im Winter auf Rang zwölf der Regionalliga, völlig in Ordnung. Und gerade auswärts war sein Team in der Hinrunde so furios aufgetreten, dass eher die gegnerischen Trainer einen solchen Gesichtsausdruck bemüht haben dürften, sobald sie hörten, dass der VfR Garching zu Besuch kommt.

Applaus, Applaus

Das Original wird meist mit dem Titel "Die betenden Hände" bedacht. Davon abgesehen, dass Hände selten beten, ist das nicht mehr als eine vage Annahme. Die Hände eines Apostels sind es wohl, die die Studie von Albrecht Dürer zeigt, aber ob der Apostel (der leider nicht aufs Bild passte) gerade applaudiert, eine Stubenfliege zerquetscht oder zum Sprung in einen Pool ansetzt? Niemand weiß es. Olympiaschwimmerin Alexandra Wenk jedenfalls praktiziert dieselbe Handhaltung ganz ohne Gebet. Auch sie versteht sich übrigens im Umgang mit Farben - mindestens an den Fingernägeln.

Goldhelmpflicht

Der Mann mit dem Goldhelm ist erstens von Rembrandt und heißt zweitens Philipp Schlager. Zumindest der eine von beiden. Er muss diesen Helm tragen, das ist für den Topscorer jedes Teams in der DEL 2 so vorgesehen. Etwas albern, sicher, vor allem wenn man beim Tabellenletzten in Bad Tölz spielt. Vielleicht blickt Schlager deshalb so verdrießlich wie das Original.

Das Gesetz des Minotauros

Da ist zum einen eine Sagengestalt, halb Mensch, halb Stier (nicht der vom BCF), ein menschenfressendes Ungeheuer. Wie es einst auf Kreta entstand, würde hier den Rahmen sprengen. Sein Pendant: ein Eishockeyspieler mit roter Maske. Wie es dazu kommt, ist leichter erklärt: Der Spieler ist für den Hersteller eines Energy-Getränks tätig, den manche für ein menschenfressendes Ungeheuer halten. Das Getränk jedenfalls hat einen Stier im Logo. Wie so oft bei Kunstinterpretationen gibt es eine zweite Ebene: Unter der roten Maske steckt Münchens Torhüter David Leggio. Kein menschenfressendes Ungeheuer, dennoch hat er gerade die ganze Liga gegen sich aufgebracht: weil er vor einem heranrauschenden Gegenspieler einfach sein eigenes Tor auf die Hörner nahm. Die Liga hat nun mit dem Gesetz des Minotauros darauf reagiert und mit Strafe gedroht. Es wird auch Lex Leggio genannt.

Die Lobpreisung

Lucas Cranach der Ältere zeigt Christus am Ölberg. Seine Hände sind gen Himmel gestreckt wie zu einer Lobpreisung, doch tatsächlich nimmt er damit einen Kelch entgegen. Auch Robert Obermeier der etwas Jüngere streckt seine Hände nach einem Kelch aus - dem WM-Pokal, den seine Anzinger Rock 'n' Roller hier gegen eine russische Übermacht ertanzen. In Poing, wo es zwar keine Ölberge gibt, aber Geothermie und ab und zu Erdbeben. (Ein bisschen lobpreisen tut er sie in dieser Szene freilich auch.)

Küsschen vom Chef

Sie stecken unter einer Decke, aber sie sind sicher nicht in Gold gehüllt. Das sieht man schon daran, dass die Fußballer der SpVgg Unterhaching auf ihrer Brust (wenn nicht wie zuletzt für die Aktion Sternstunden) höchstens für Polyesterstoffe Werbung machen. Trotzdem werben sie in der dritten Liga auch für guten Fußball. Weshalb gilt: Zwar stehen zurzeit drei ehemalige Hachinger Trainer mit ihren Teams in den Top Ten der ersten Liga (Hasenhüttl, Herrlich, Baum), aber Präsident Manfred Schwabl ist - wie man diesem Klimt-Zug ansieht - auch mit Claus Schromm sehr zufrieden.

Muskelspiele für Goliath

Der David des FC Bayern heißt bekanntlich Alaba, der von Michelangelo einfach nur David. Für einen österreichischen Fußballer ist das ein prima Name, mit der Alpenrepublik steht man ja fast immer Goliaths gegenüber. Doch obwohl auch Alaba seinen Prachtoberkörper nach Spielen sehr gerne und sehr häufig unbekleidet zeigt, zwecks Trikotwechsel, Jubel oder zur Marktwertsteigerung beim weiblichen Anhang, muss man leider sagen: In derart davidesker Pose wie seinerzeit Mario Gomez ist er trotzdem noch nie abgelichtet worden.

Fotos: Peter Hinz-Rosin, Claus Schunk, Harry Wolfsbauer, United Archives International/imago, Gepa/imago, Reuters, David Ebener/dpa, Maurizio Degl' Innocenti/dpa, Imago (2), Wikipedia (3)

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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