Mittelfinger des Tages:Gerard Piqué

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Gerard Piqué (r.) während der spanischen Nationalhymne vor dem Spiel gegen Kroatien. (Foto: ARD)

Der Spanier fuhr während der Hymne den Mittelfinger aus. Eine versteckte politische Botschaft?

Von Javier Cáceres

Es gibt, seit der Nationalismus im Ach-so-einigen Europa fröhlich floriert, nicht nur in Deutschland so genannte "Hymnendebatten". Sie kreisen meist um die Frage, ob Fußballer recht daran tun, nicht mitzusingen. Die Spanier kamen bisher ganz gut um solche Diskussionen herum, was nicht zuletzt an einer Fügung des Schicksals liegt: Ihre Hymne hat gar keinen Text. Die Fans behelfen sich schon länger mit einem "Lo, lo, lo, lo", was für ein Land, das 1968 den Eurovision Song Contest mit dem Lied namens "La, la, la" gewann (1968), nur angemessen ist. Aber irgendwas geht ja immer, und so hat Spanien nun auch eine Hymnendebatte, allerdings eine spezielle.

Auf Fotos ist zu sehen, dass Verteidiger Gerard Piqué den Mittelfinger seiner rechten Hand ausfuhr, als vor dem Spiel gegen Kroatien der Königliche Marsch erklang. Eine versteckte politische Botschaft? Eine Missbilligung des Symbols der spanischen Nation durch eine Gebärde? Das suggerierten, während das Spiel lief, ernsthaft nationalkatholische Trolls, denen Piqué schon länger ein Dorn im Auge ist. Der Grund: Er ist schon mal dafür eingetreten, dass die Katalanen in einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Kataloniens abstimmen dürfen. "Was hat die peineta bei der Hymne verloren?", war noch die harmloseste unter den erregten Stellungnahmen, die in sozialen Netzwerken zu finden waren. "Peineta", die gängige spanische Metapher für den hierzulande als Stinkefinger bekannten Gruß, ist eigentlich das spanische Wort für "Zierkamm" - ein Accessoire, das sich spanische Frauen bei sehr festlichen, meist religiösen Anlässen in den Haarschopf stecken, und der tatsächlich ein bisschen so aussieht wie eine Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger.

Dass Piqué den Finger bewusst ausfuhr, war natürlich ausgesuchter Unsinn. Er hatte, wie auf den Bewegtbildern zu erkennen ist, schlicht gedankenverloren mit den Händen gespielt. Er selbst behauptete, vor dem Spiel mit den Fingern geknackst zu haben. "Das ist alles absurd. Ich habe es diesem Land und dieser Mannschaft nie an Respekt fehlen lassen", sagte Piqué. Auch Trainer Vicente Del Bosque wurde nach der Partie auf die Episode angesprochen. "Madre mía", entfuhr es ihm, also in etwa: Du meine Güte.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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