Mischa und Alexander Zverev:Liebesgrüße aus Hamburg

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Mischa Zverev scheidet in Stuttgart nach einem Videobeweis im Halbfinale aus, Alexander scheitert in den Niederlanden. Das Ende einer Woche, in der die Brüder nicht nur mit sportlichen Leistungen auffielen.

Von Matthias Schmid, Stuttgart/München

Es war das Falkenauge, das nach etwas mehr als zwei Stunden die Niederlage von Mischa Zverev mit einem nüchternen, aber unbestechlichen Bild entschieden hat. An der Videowand mussten der deutsche Tennisprofi und die Zuschauer am Stuttgarter Weissenhof am Samstagnachmittag erkennen, dass sein zweiter Aufschlag hinter der Linie gelandet war. "Game, Set and Match Lopez" rief der Stuhlschiedsrichter und bestätigte die Entscheidung, nachdem Zverev zunächst davon ausgegangen war, dass er noch mal aufschlagen dürfe. Feliciano Lopez aber verlangte nach dem sogenannten Hawk-Eye, dem Videobeweis im Tennis. Mit Erfolg: Der Spanier gewann damit das Halbfinale des Rasenturniers 6:7 (2), 7:6 (4), 7:5 und trifft im Endspiel am Sonntag auf den Franzosen Lucas Pouille, der seinen Landsmann Benoit Paire in zwei Sätzen besiegte.

"5:7 im dritten Satz ist ziemlich ärgerlich", haderte Zverev hinterher. "Ich kann mir aber nicht viel vorwerfen. Das war einfach ein bisschen unglücklich."

Es war in der Tat ein enges Match, fast das knappste Resultat, das im Tennis möglich ist. Die ersten beiden Sätze gingen in den Tiebreak, auch im dritten Durchgang sah alles nach einem Tiebreak-Finale aus, ehe Zverev in seinem 18. Aufschlagspiel der folgenreiche Doppelfehler unterlief. Damit endete für den 29-jährigen aus Hamburg eine erfolgreiche, aber auch aufregende Woche. Er hatte das Publikum mit couragiertem und erfrischendem Serve-and-Volley begeistert, wie man es seit der Zeit von Stefan Edberg und Pete Sampras nicht mehr in dieser Konsequenz gesehen hat. "Auf Rasen hilft mir dieser Stil am meisten", hatte Zverev nach seinem Viertelfinalsieg gegen Tommy Haas am Freitag hervorgehoben.

Er folgt auch auf anderen Belägen gerne seinem wuchtigen Linkshänder-Aufschlag ans Netz, aber nicht mit dieser spektakulären Penetranz. "Auf Hartplatz oder auf Sand hängt es auch von den Gegnern und den Bedingungen ab", sagte Zverev, "aber ich kann mich inzwischen auf mein Volleyspiel sehr gut verlassen."

Bruder Alexander Zverev scheitert in den Niederlanden

Sein jüngerer Bruder, der 20-jährige Alexander, bleibt lieber an der Grundlinie stehen, obwohl er noch schneller aufschlägt. Fast zeitgleich mit Mischa spielte er am Samstagnachmittag um den Finaleinzug im niederländischen 's-Hertogenbosch. Am Ende hatte auch der Weltranglisten-Zehnte das Nachsehen, er verlor etwas überraschend gegen den Luxemburger Gilles Muller 6:7 (5), 2:6 und verpasste sein viertes Finale in diesem Jahr, drei Turniere hat er 2016 schon gewonnen.

Es waren aber nicht nur positive Nachrichten, mit denen die Zverev-Brüder, die in Montpellier gemeinsam in der Doppelkonkurrenz siegten, die Schlagzeilen in der Tennisszene in den vergangenen Tagen bestimmten. Mitte der Woche wurde weniger über ihre Siege als vielmehr über ihr Fernbleiben bei ihrem Heimatturnier in Hamburg debattiert. Vor allem Turnierdirektor Michael Stich echauffierte sich über die beiden. Von Mischa sei er sogar "persönlich enttäuscht", hatte der frühere Wimbledonsieger kundgetan, weil der ältere Zverev es vorzieht, in Atlanta zu spielen als am Rothenbaum. Dabei hat der jüngere Alexander - er spielt in Washington - sogar noch eine schriftliche Vereinbarung mit Stich abgeschlossen, die ihn noch bis einschließlich 2018 an das Turnier bindet.

Ehrlich überrascht begegnete Mischa Zverev in Stuttgart der Kritik Stichs. "Hat er das so gesagt?", entgegnete er kurz irritiert, um dann emotionslos fortzufahren und zu begründen, warum er lieber auf Hartplatz spielt als auf Sand. "Wäre Hamburg ein Hartplatzturnier, würde ich natürlich spielen. Aber nach Wimbledon wieder auf Sand und dann auf Hartplatz zu gehen, ist sehr schwer", erklärte Zverev, der mit seinem offensiven Stil die schnelleren Beläge eindeutig bevorzugt. So wie das Gras auf dem Killesberg: "Ich hoffe, dass es so weitergehen und ich noch für einige Überraschungen sorgen kann", fügte der Weltranglisten-31. hinzu.

Er würde gerne in der Weltrangliste weiter klettern und den Abstand zu seinem Bruder verringern. Abwegig ist das nicht, bei den Australian Open hatte er schon in einem aufsehenerregenden Match den Weltranglistenersten Andy Murray aus dem Turnier geworfen. Nach seiner Halbfinalteilnahme in Stuttgart reist Mischa Zverev nun weiter nach Halle, wo in der nächsten Woche ein weiteres Vorbereitungsturnier für Wimbledon ansteht. Dort wird er auch wieder seinen Bruder treffen, mit dem er jeden Tag via Telefon kommunizierte. Die Frage ist dann, wer wen nach einer turbulenten Woche mehr trösten muss.

© SZ vom 18.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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