Miroslav Klose:Stachel im Daumen

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Aus dem Zauderer Klose ist ein aggressiver Torjäger geworden.

Ludger Schulze

"Ich will da oben hin", sagt Miroslav Klose mit einer Entschiedenheit, die einen sofort an eine der bildhaftesten Geschichten der jüngeren deutschen Vergangenheit denken lässt. Da stand der Jungsozialist Gerhard Schröder vor dem Bonner Kanzleramt, rüttelte an den Gitterstäben und brüllte in die Nacht: "Ich will da rein!" Er kam da rein und war sieben Jahre drin.

Miroslav Klose, 28, brüllt seine Ansprüche nicht laut heraus, seine Tonart liegt eher bei sotto voce. Aber wer genau zuhört, ist anschließend aller Zweifel entledigt, ob er sein Ziel tatsächlich erreicht.

Klose (Werder Bremen), der beste Spieler der vergangenen Bundesligasaison, hat den festen Vorsatz, während dieser WM in die letzte Dimension des professionellen Fußballs vorzustoßen, in den exklusiven Zirkel der Stürmer von Weltklasse wie Schewtschenko, Drogba oder Henry. Ein bisschen Hybris? "Nein", sagt Miroslav Klose, "das ist normal für mich."

Man reibt sich unwillkürlich das innere Auge, wenn man diesen in sich ruhenden, mit lässigem Selbstbewusstein gepanzerten jungen Mann erlebt und an den Klose von der Weltmeisterschaft 2002 denkt.

Damals hätte er auf derlei Fragen den Blick auf die Turnschuhspitzen, die Stimme auf gerade noch hörbar gesenkt und geflüstert: "Ich will doch nur mein Bestes geben." Ständig wurden blöde Witze in Verbindung mit seinem Heimatverein SG Blaubach-Diedelkopf gemacht, was sich allerdings anbot, weil Klose wirklich so schüchtern auftrat wie ein pfälzischer Bezirksligafußballer, der ein Probetraining bei, sagen wir, Real Madrid absolvieren darf.

Vor vier Jahren schoss er allein im ersten Spiel gegen Saudi-Arabien (8:0) drei Treffer und danach zwei weitere, fünf insgesamt also. Das hatte für ihn die verhasste Konsequenz, vor ganz vielen Menschen etwas sagen zu müssen.

Olle Kamellen das, Kloses direkter Zug zum Tor schlägt sich inzwischen auch in seiner Rhetorik nieder: "Diese Marke will ich knacken", also mindestens sechsmal treffen.

Diese Meßlatte hätte er schon im Spiel gegen Polen (2:0) streifen können, er hat sie dann aber doch klar gerissen, weil ihm einmal die Latte querkam und zwei Kopfbälle sich die Frechheit herausnahmen, ein paar lumpige Zentimeter neben dem Tor zu landen.

Es gibt Stürmer, die würden sich nach solch vergebenen Möglichkeiten in einer Phase des An-sich-selbst-Verzweifelns versenken, der neue Klose nicht. "Ich bin froh, dass ich mir so viele Chancen erarbeitet habe." Weil darin der Nachweis einer blendenden persönlichen Verfassung liegt.

Reifer und viel besser

Auch wenn es ein Stereotyp ist: Miroslav Klose ist reifer geworden und noch besser, viel besser. Das Zagen und Zaudern, das ihn früher manchmal befiel, ist einer aggressiven Dynamik gewichen, die der Gegenseite vorkommen muss wie ein penetrant schmerzender Stachel im Daumen.

Beispielsweise hat der Klose von 2006 sein einst schwächeres rechtes Bein perfektioniert, beim Schusstraining im Verein und in persönlichen Zusatzeinheiten. Nun macht er Tore auch mit links und aus größerer Entfernung.

Gut so, sagt er, denn Zeit, sich die Kugel in aller Ruhe auf den bevorzugten Fuß zu legen, gibt es auf diesem Niveau nicht mehr, "im heutigen Fußball geht alles so schnell".

Auch die Hausaufgaben, die Jürgen Klinsmanns amerikanisches Bürstenhaarschnitt-Fitness-Team um Mark Verstegen allen Nationalspielern aufgaben, sind zweckdienlich für die optimierte Performance des Miro Klose gewesen.

Nicht, dass ein zusätzlicher Muskel an das 74-Kilo-Handtuch gekommen wäre, das nicht. Aber "eine Stabilisation im Rumpfbereich" hat sich ergeben, so dass Klose "kräftiger auf den Beinen" steht. Den Rest zur perfekten Form holt er sich zur Freude seiner Frau, die bereits größere Schäden an Vasen und Bildern zu beklagen hatte, daheim.

Wenn er nicht gerade die Windeln der Zwillinge wechseln muss, spielt Miroslav Klose im Wohnzimmer Fußball. "Wir haben große Lichtschalter", sagt er, "die versuche ich an- und auszuschießen."

© SZ vom 19.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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