Mike Tyson:Das Revival des Monsters

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"Iron Mike" steigt am Samstag wieder in den Ring. Es soll eine Wiedergeburt sein, das Aufleben des alten Mythos vom unbesiegbaren Boxer. Zweifel bleiben bestehen.

Roland Schulz

Finster klingen die Namen, die sie ihm gaben. Das Monster. Der dunkle Held. Der bösartigste Mann des Planeten. Die schreckliche Schönheit. Immer klingen sie finster, aber auch ein bisschen unbeholfen, diese Versuche, Michael Gerard Tyson mit einer Beschreibung zu fassen, die dem Boxer und seinem wahnwitzigen Leben gerecht wird.

Mike "Iron" Tyson ist der Alptraum und der nasse Traum der Boxwelt; ein Mann, in dem sich so viele verschiedene Bilder und Geschichten bündeln, dass sein Name längst allein steht und eine eigene Kraft besitzt, die aussagekräftiger ist als jeder Vergleich.

In Zukunft könnte sein Name einfach ein Verb sein - wenn ein Mensch so lebt, boxt und kämpft wie Mike Tyson, heißt es dann: Er tysont.

Es ist die Kraft dieses Namens, die den Kampf des Boxers gegen Kevin McBride heute Nacht schon jetzt zu einem Erfolg werden ließ, egal was passieren wird: Alle 17000 Karten für den Kampf sind verkauft, der US-Sender "Showtime" verlangt 44,95 Dollar dafür, das Ereignis im Fernsehen sehen zu können, in Deutschland kostet es 15 Euro - alles für den Kampf eines 38jährigen Mannes, der seit nunmehr neun Jahren keinen Weltmeistertitel mehr trägt und in dieser Zeit mit allem möglichen von sich reden machte, aber nur selten mit Boxen.

Der alte Tyson kehrt zurück

Doch Tyson zieht. Noch immer. Der Grund liegt in eben den Geschichten und Bildern, die den Namen Tyson formen - und eine Fortsetzung fordern. Nicht nur die Veranstalter des Kampfes wissen das, die dem Kampf den Titel "Anything can happen" gegeben haben, "Alles kann passieren", ein Slogan wie der einer Seifenoper.

Auch Tysons neuer Trainer Jeff Fenech weiß es. Er hat in den letzten Wochen in jede Kamera und jedes Mikrofon immer wieder einen Satz gesprochen: "Am 11. Juni wird die Welt keinen neuen Mike Tyson sehen, sondern den alten." Besser hätte er den Kampf nicht verkaufen können.

Ein neuer Mike Tyson, das wäre das gewesen, was viele Boxfans und Boxskeptiker mit Spannung erwartet hätten: Wie gibt sich und vor allem wie boxt dieser Typ Tyson jetzt, nach einer Reihe seltsamer Kämpfe, von denen er die besten verlor, wie gegen Lennox Lewis, aber ansonsten für skurrile Nachrichten sorgte?

Elf Tage vor seinem Kampf gegen Clifford Etienne im Jahr 2003 ließ sich Tyson eine Tätowierung im Stil der Maori-Krieger ins Gesicht stechen, ein Wahnsinn, weil jeder Treffer die strapazierte Haut hätte aufplatzen lassen können.

Er wurde noch während seiner Bewährungszeit nach einer Gefängnisstrafe wegen Vergewaltigung bei einer Barschlägerei festgenommen, versprach Lennow Lewis vor seinem Kampf gegen ihn, er werde seine Kinder essen und biss ihm dann während einer Prügelei auf der Pressekonferenz ins Bein - fast genau fünf Jahre nach seiner Attacke gegen Evander Holyfield, dem er ein Stück des Ohres abbiss.

Seine zweite Frau ließ sich Anfang 2003 von ihm scheiden, kurz darauf musste sich Tyson für bankrott erklären lassen, weil er, einst der reichste Sportler der Welt, geschätzte 150 Millionen Dollar verprasst und danach 30 Millionen Doller Schulden angehäuft hatte, darunter 8000 Dollar für Raubtierfutter.

Wie geht die Geschichte so eines Menschen weiter? Das ist die Frage. Aber Tysons Trainer Fenech sagt: Es wird keinen neuen Tyson geben, kein neues Kapitel in dieser Seifenoper - sondern vielmehr ein Revival des alten Tyson. Was für ein Versprechen.

Der alte Tyson, das war der Mann, der 1986, mit 20 Jahren, jüngster Schwergewichts-Weltmeister aller Zeiten wurde - mit einem Kampfstil, über den Boxfans noch heute mit Ehrfurcht sprechen. Tyson, geboren im Ghetto Brooklyns und gezähmt vom legendären Trainer Cus D'Amato, zermalmte seine Gegner. Es begann schon beim Marsch zum Ring.

Da kam ein Mann, mit einem Bizeps so groß wie eine Bowlingkugel und Schultern wie Felsbrocken, aber ohne den Firlefanz, mit dem andere Profi-Boxer ihren Einmarsch begleiten. Er betrat den Ring wie eine Besatzungsmacht, kredenzte sich seine Gegner wie auf einem Tablett und schlug sie meist sofort in den ersten Runden k.o. Damals umgab Tyson die Aura der Unbesiegbarkeit.

Nun ohne Eskapaden

Gleichzeitig aber war er das Symbol des amerikanischen Traums, "from ghetto to glory" - Firmen wie Pepsi warben mit ihm, sogar die US-Steuerbehörde. Die Tatsache, dass er begeisterter Züchter von Tauben ist, galt als Beweis seines Wandels vom gefährlichen Ghetto-Jungen zum domestizierten Profi-Boxer - wild, aber diszipliniert. So war Tyson damals aber auch wirklich. Erst als er nach dem Tod seines Mentors D'Amato über Jahre die Trainer und Promoter wechselte, begann der Niedergang. Und nun verspricht Jeff Fenech eine Wiederkehr dieses alten Tyson.

Er habe hart trainiert, sei ohne Eskapaden, wie früher eben, sagt Fenech. Tyson selbst sprach in den letzten Jahren oft davon, er sei "viele Dinge: Ich bin Vater, ich war ein Ehemann, ich bin jemandes Bruder. Ich bin ein verurteilter Krimineller, ein Schwerverbrecher, ein Schwergewichtschamp. Ich bin viele Dinge." Jetzt sagt er, er sei einfach er selbst: "Ich bin ein guter Mensch, kein schlechter."

Ob das wirklich stimmt, muss sich erst noch zeigen. Vielleicht sogar wirklich, wie sein Trainer Jeff Fenech hofft, heute Nacht.

(SZ vom 11.6.2005)

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