Michael Thurk:Ball als Belohnung

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Der erste Europacup-Auftritt von Eintracht Frankfurt nach elfeinhalb Jahren hat einen Hauptdarsteller: Michael Thurk erzielt drei Tore und erträgt eine Kopfnuss.

Tobias Schächter

Wer sich Donnerstagnacht nach einem berauschenden 4:0 der Frankfurter Eintracht im Uefa-Pokal gegen Bröndby Kopenhagen zuhause noch ein paar Minuten durch die Fernsehsender zappte, konnte sich bei den Wiederholungen der nachmittäglichen Talkshows auf den Privatsendern des Eindrucks nicht erwehren, auf einige Doppelgänger jenes frechen Burschen zu treffen, der kurz zuvor ziemlich verschwitzt den Fußballreportern in der Arena gegenübergetreten war.

Michael Thurk (Foto: Foto: AP)

Michael Thurk stand dort im Kabinentrakt, ein kleiner Mann mit leicht schiefer Lippe und blond gefärbtem Haar. Er trug den Spielball unter dem Arm wie eine Trophäe und sagte: "Dieser Ball bekommt einen Ehrenplatz."

Der Junge aus dem Frankfurter Arbeiterviertel Gallus muss nicht in 14-Uhr-Talkshows auftreten, die als Titel Mädchennamen aus den Achtzigern tragen. Und dennoch ist Thurk ("Ich habe früher einigen Mist gebaut") dem Trashfernsehen noch nicht ganz entkommen. Das Bundesligageschäft lässt sich ja auch als Seifenoper inszenieren, und der 30-Jährige hat mit seinem provozierten Wechsel vom FSV Mainz 05 nach Frankfurt in diesem Sommer so einige Trash-Folgen der Liga in einer Hauptrolle gestaltet.

Am Donnerstag lieferte er eine beachtliche, eine durchweg positive Fortsetzung seiner Rolle, als er per Hattrick (51., 71., 78.) maßgeblich an der triumphalen Rückkehr der Eintracht auf die internationale Bühne beteiligt war - nach elfeinhalb Jahren Frankfurter Absenz.

Rustikale Dänen

Thurk erzählte die Geschichte seines ersten Tores für die Eintracht, den Ball dabei fest unter den Arm geklemmt, wie folgt: "Die Jungs sagten, ich soll schießen, und dann habe ich gesagt: Wenn ihr wollt, schieß ich halt." Thurk hat den ersten Elfmeter reingehauen und nur zwanzig Minuten später einen zweiten in dieselbe Ecke - und weitere sieben Minuten später hat er mit dem Kopf noch einmal nachgelegt. Da waren die Dänen längst nur noch zu neunt unterwegs, weil gleich zwei von ihnen nach jener tumultösen Szene, die zum ersten Elfer führte, die rote Karte sahen.

Abwehrspieler Kildentoft hatte einen Schuss von Albert Streit nur mit der Hand am Überschreiten der Torlinie hindern können, es gab Elfmeterpfiff, und Kildentoft sah Rot. Beim begleitenden Gerangel versetzte Mark Howard Thurk eine Kopfnuss: erneut rote Karte für Bröndby. Zwei Platzverweise auf einen Streich - das ist neu in der Europacup-Historie der Eintracht, die immerhin einen Uefa-Pokal-Sieg (1980) oder ein 0:5 gegen Bröndby (1990) enthält.

4:0, das reicht? Trainer Friedhelm Funkel fand in seinem prall gefüllten Archiv ein populäres Beispiel dafür, was noch alles schief gehen kann im Rückspiel: Als Profi von Bayer Uerdingen kam Funkel einst trotz eines 0:2 im Hinspiel und eines 1:3 zur Rückspiel-Halbzeit gegen Dynamo Dresden noch eine Runde weiter. Funkel: "Auch so ein 7:3 wie damals ist in Dänemark möglich."

Gelängen der Eintracht nun auch drei Auswärtstore, müssten die Dänen bei Anwendung der Europacup-Arithmetik schon acht Tore fürs Weiterkommen schießen. Unwahrscheinlich, aber gemütlich wird's nicht. Klopfen doch die Dänen "ziemlich rustikal rein", wie Frankfurts Mittelfeldspieler Benjamin Huggel bemerkte.

"Heute darfst Du ihn behalten"

"Ich hatte nicht den Auftrag gegeben, hart zu spielen", versicherte Bröndbys niederländischer Trainer Rene Meulensteen. Die Gangart seiner Spieler erweckte allerdings den Eindruck, in Dänemark werde Fußball nach Eishockeyregeln gespielt. Nicht alle Frankfurter sind unverletzt aus dieser Rauf- und Treterei entkommen. Stürmer Ioannis Amanatidis musste in der 42. Minute humpelnd vom Platz geführt und zum Röntgen ins Krankenhaus gebracht werden (Diagnose: Fußbruch befürchtet, Prellung festgestellt).

Sein griechischer Landsmann Sotirios Kyrgiakos hielt die zweite Halbzeit nur deshalb durch, weil er in der Pause eine schmerzstillende Spritze zur Beruhigung einer Beckenprellung erhalten hatte. Beide drohen am Sonntag im Bundesliga-Heimspiel gegen Leverkusen auszufallen - wie bereits drei verletzte (Jones, Chris, Meier) und zwei gesperrte Stammkräfte (Vasoski, Spycher).

Übrigens: Den Ball bekam Michael Thurk von Robert Styles überreicht: "Reiner Zufall", erzählte Thurk, "ich hatte ihn bei Abpfiff als Letzter und habe ihn zum Schiedsrichter geworfen. Er rief mich dann zu sich und sagte: Heute darfst du ihn behalten!" Wahrscheinlich hatte auch der nette Herr Styles aus England gewusst, dass diesem Thurk noch nie drei Tore in einer so wichtigen Partie gelungen waren.

© SZ vom 16.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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