Mensch und Mythos:Warum sich Uli Hoeneß in Beckham verliebt hat

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Das sogenannte Global Headquarter der Firma adidas in Herzogenaurach ist nicht gerade das, was man sich unter der Kommandozentrale eines weltweit tätigen Erfolgskonzerns vorstellt. Doch hier präsentierte sich nun der berühmteste Fußballer der Erde.

Von Philipp Selldorf

Der Bau steht irgendwo zwischen Feldern und Wäldern und strahlt den Charme einer Bundeswehrkaserne aus, und als hier am Mittwoch Abend der berühmte Besucher aus Madrid zunächst im Kunstnebel vor einer Hand voll Gäste und wenig später auf der Bühne vor der adidas-Belegschaftsversammlung Einzug hielt, ähnelte das in der Tat dem Truppenbesuch durch eine Königliche Hoheit.

Sonnenkind David Beckham. (Foto: Foto: ddp)

Berühmt

Hat nicht David Beckham, der berühmteste Fußballer der Erde, die Stellung eines Monarchs ohne Grenzen eingenommen? "Die Leute bei adidas arbeiten so hart", sagte er und stattete seinen Dank ab an die Mitarbeiter des Ausrüsters und Geschäftspartners.

Beckham kam drei Stunden später als angekündigt zum PR-Termin, wegen eines Malheurs seines Privatjets aus Madrid, aber er sah natürlich trotzdem fabelhaft aus, im dunkelmelierten Anzug, schwarzes Hemd, braune Schuhe, Pferdeschwanz und dieses sanfte, fotogene Lächeln im Gesicht, das eben nicht nur Mädchen, Frauen und alte Damen begeistert.

Vor zehn Tagen nach dem Spiel in München hatte sich auch Uli Hoeneß spontan in ihn verliebt ("Mensch, ist der nett"), während andere Offizielle des FC Bayern überlegten, ob sie ein Dankschreiben an Real schicken sollten - weil Beckham sich so großartig verhalten habe.

Auch in Herzogenaurach bestätigte sich der Eindruck natürlicher Liebenswürdigkeit. Die Gäste der Präsentation bat er als erstes höflich um Entschuldigung für die Verspätung, "es war ein langer Tag für Sie", sagte er, und irgendwie fühlte sich dadurch gleich jeder geschmeichelt. "Keep it clean", ermahnt die Moderatorin überflüssigerweise die Fragesteller.

Faszinierende Erscheinung

Die Faszination der Erscheinung David Beckhams entfaltet sich selbstredend nicht nur auf dem Fußballplatz, auf dem er, erstaunlich genug, inzwischen eine dienende Rolle hinter Zinedine Zidane in Madrids Mittelfeld einnimmt. Stattdessen ist er als Mensch und Mythos auf allen Feldern des öffentlichen Lebens zu Hause. Meldungen über seinen neuen Haarschnitt, seine Mode und Garderobe überfluten täglich die Medien auf der ganzen Welt.

"Beckham verdankt seine Wirkung auch der Anmut seiner Bewegungen", schreibt der Times-Kolumnist Simon Kuper, "sein Körper ist ein im Wesen begriffenes Gesamtkunstwerk, an dessen Entwicklung Coiffeure, Tattoo-Künstler, Fußballtrainer und seine Modeschöpfer mitwirken - allen voran jedoch seine Frau, der es Spaß macht, ihn wie eine Puppe ständig neu auszustaffieren." Die Leute in Herzogenaurach haben also laut gelacht, als er auf Befragen versicherte: "Ich gebe gar nicht so viel Geld für Kleidung aus, um ehrlich zu sein."

Außer für die Fußballschuhe, die er nach jedem Spiel wechselt, außer, er hat ein Tor damit erzielt. Hier kreuzen sich wieder mal Eitelkeit und Beruf, seine eigentliche Passion. John Bullock, Beckhams früherer Sportlehrer an der Schule in Chingford bei London, behauptet, dass schon der junge David fußballverrückt gewesen sei: "Wenn du ein hübsches Mädchen oder einen Ball vor ihn gesetzt hättest, dann hätte er den Ball genommen."

Vorbildliche Arbeit

Niemand bestreitet mehr, dass er seine Arbeit als Fußballer vorbildlich macht, Eskapaden und Alkoholexzesse der britischen Art konnten Beckham nicht mal angedichtet werden - und er erfährt täglich, was es heißt, mit den Lügen der Medien leben zu müssen.

Für herabsetzende Äußerungen über Gegner oder Mitspieler wird ihn ebenfalls niemand gewinnen. Am Mittwoch wurde Beckham um einen Kommentar über Oliver Kahns Fehler beim 1:1 im Hinspiel gegen Real gebeten, seine Antwort war stereotyp, aber dennoch ernsthaft und überzeugend: "Ich habe es vor dem Spiel gesagt und ich sage es auch danach: Kahn ist einer der besten Torhüter der Welt, einer der großen Charaktere im Fußball.

Natürlich ist er für den Fehler kritisiert worden, aber jetzt ist er wirklich genug bestraft." Dass Kahn nun gelobt hat, das Spiel in Madrid allein gewinnen zu wollen, lässt ihn lächeln: "Ich glaube", sagt er, "er braucht noch ein paar andere Spieler."

Ein von Zweifeln geplagter Star wie Oliver Kahn könnte glatt neidisch werden auf David Beckham, dessen Sicht auf das Leben so ansteckend positiv ist, obwohl ihm im Laufe seiner Karriere viel Ablehnung, Häme und auch Hass begegnet ist, besonders von seinen Landsleuten, die sich einst Diego Maradonas irrigem Urteil angeschlossen hatten ("er ist zu schön, um aufs Feld zu laufen"). Beckhams biographische Bilanz in Büchern, Aufsätzen und Interviews ist immer dieselbe: "How lucky I am" - was für ein Glück ich habe (und hatte).

Ziel der Träume

Aufgewachsen ist er in einer kleinbürgerlichen Reihenhaussiedlung, sein Vater montierte Einbauküchen, die Mutter war Friseurin, und inzwischen ist er nicht nur Multimillionär (auf 50 Millionen Pfund taxierte ihn kürzlich die Sunday Times), sondern am Ziel seiner Träume: als Spieler von Real Madrid und - vor allem - als Kapitän der englischen Nationalelf, ein Ehrentitel erster Güte "in einem Land, in dem diese Funktion so viel gilt wie der Admiral der Kriegsmarine" - mindestens.

Seiner Wirkung ist sich der (Inter-)Nationalheld durchaus bewusst. Wie es ist, ein Leben als Ikone zu führen? Er genießt es: "Ich stehe nicht vor dem Spiegel und sage: Du bist eine Ikone. Es ist schön, dass mich die Leute so sehen, ein großes Kompliment. Es sind Menschen in jedem Alter, das ist das Besondere und das Schöne daran. Ich werde von 5-,6-jährigen Kindern erkannt und von der 95-jährigen Großmutter."

Es ist einfach so: Die Menschen lieben David Beckham. Und in Herzogenaurach nun um so mehr.

© SZ v. 5.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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