Maskes letzter Kampf:Die lange Nacht der Wunder

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Nach seinem Punktsieg über Virgil Hill im Duell der alten Boxherren zeigt sich Henry Maske so gelöst wie nie in seiner Karriere und will nun wirklich aufhören.

Roland Schulz

Es tanzte in seiner Brust, sprang den Hals hinauf, brach sich Bahn, er schrie, mit erhobenen Fäusten schrie er, die Pose des Siegers, nur die Augen hatte er ganz fest zusammengekniffen, wie kleine Kinder es im Angesicht des Unglaublichen tun.

Verschwitzt, aber glücklich: Henry Maske (Foto: Foto: ddp)

So schrie er - der ganze Mann ein einziger Triumph, getragen von Erregung, wie ein Vogel von Luft getragen wird. Die Gefühle schlugen hoch in Henry Maske. Wie entfesselt jagte der Boxer nach dem Ende seines Kampfes gegen Virgil Hill durch den Ring, offenbar war Ungeheuerliches geschehen, ein Wunder oder auch zwei.

Der Boxer ritt die Welle seiner eigenen Begeisterung noch eine halbe Stunde später, als er vor die versammelte Presse trat, eine Faust hob und mit breitem Grinsen seinen Blick von Kamera zu Kamera hüpfen ließ, wie zu einem kleinen, zauberhaften Rhythmus, den nur er allein zu hören schien.

Dann setzte er sich, hörte sich ein paar Fragen an, fand Gefallen an ihnen, antwortete zu seiner Vorbereitung auf den Kampf: "Da ich ein Boxer bin, der strategisch und taktisch vorgeht, war mir wichtig, ein Bild zu kriegen, wie ein Hill geboxt werden kann.''

Es war ein wahrer Maske-Satz, spröde und amtlich, er brach den Bann, die Welt fiel aus dem Zauber: Alles in Ordnung, das Geschehen spielt wieder im Land diesseits des Gefühlstaumels - und es war wirklich und wahrhaftig Henry Maske, der hier seinen Revanche-Kampf gegen Virgil Hill gewonnen hat.

Anstrengend filigran

Daran hatte man unmittelbar nach dem Sieg Maskes ebenso Zweifel haben können wie am Urteilsvermögen der Kampfrichter, die Maske nach einem trägen Kampf ein vielleicht verdientes, aber schmeichelhaftes Punkturteil zusprachen.

Alle drei Punktrichter sahen Maske als Sieger, zwei von ihnen mit 117:110 Punkten, was bedeutet, dass in ihren Augen Maske zehn der zwölf Runden des Kampfes gewonnen hatte. Das ist viel. Erst recht in einem Kampf wie dem Maskes gegen Hill, einem taktischen Gefecht zweier alter Boxer, die schon immer für ihren verhaltenen Boxstil bekannt waren: Hill wartete darauf, dass Maske angriff, Maske wartete darauf, dass Hill angriff, und da Maske beharrlicher wartete, übernahm schließlich Hill widerwillig die Rolle des Angreifers. Er sprang auf seinen Gegner zu, als wolle er ein Feuer austreten, und Maske konnte das machen, was er am liebsten macht im Ring: kontern.

So ging es sieben lange Runden, bis in der achten Runde ein unbeabsichtigter Kopfstoß Maskes das eintönige Gefecht unterbrach. Maske bekam einen Punkt Strafe abgezogen; der Stoß schlug eine Wunde über der Nasenwurzel Virgil Hills, der darauf den Rhythmus seines Kampfes verlor und von Maske mit Kontern ausgeboxt wurde.

"Der Kampf war von einer Disziplin, von einer kämpferisch-taktischen Leistung geprägt, die einzigartig ist'', sagte danach Maskes Trainer Manfred Wolke. "Das war für die Zuschauer manchmal sicherlich ein wenig anstrengend'', sagte Henry Maske, "aber auch filigran.'' So kann man es sicherlich auch sagen.

Konterboxen sieht unspektakulär aus, manche sagen langweilig, andere aber halten das Konterboxen für die höchste Kunst in diesem Sport - dementsprechend schwierig sind Kämpfe dieser Art zu bewerten. 117:110 war aber selbst manchen Mitgliedern des Teams Maskes zu viel. "Das Urteil ist ein wenig hoch'', sagte Jean-Marcel Nartz, der frühere Matchmaker Maskes, der ihm diesmal Sparringspartner vermittelt hatte.

Kritiker aber, die deswegen von einem von vornherein auf einen Sieg Maskes geeichten Kampf ausgingen, müsse man, sagte Nartz, einen ganz bestimmten Finger zeigen, den Mittelfinger: "Henry hat verdient gewonnen. Muss man denn immer ein Haar in der Suppe suchen? Man muss sich doch auch mal freuen können!''

Da hätte sich Jean-Marcel Nartz keine Sorge machen müssen. Das Freuen übernahm an diesem Abend Henry Maske ganz allein. Der sonst stets zurückhaltende Mensch Maske wirkte nach dem Kampf so losgelöst wie noch nie in seiner Karriere, es war fast ein wenig unheimlich: Ist das da wirklich Henry Maske? Seine Seele schien nach dem Kampf wie von Champagner belebt, noch im Ring holte Maske seinen Trainer Manfred Wolke, Manager Werner Heinz und einen alten Freund für ein Gruppenfoto wie auf Spaßsafari zusammen, um danach seinen Triumph in die Ränge zu schreien, als wäre er: ein Wunder.

Das war der Kampf in diesem Moment - in diesem Augenblick nach dem Schlussgong - auch. Den Zweiflern unter den Fans erschien die eindeutige Punktentscheidung als Wunder, den Laien die Leistung von zwei 43 Jahre alten Männern, zwölf Runden zu boxen, den selbst ernannten wie den echten Boxexperten die Winkelzüge des Konterboxens.

Die kleinen großen Jungen im Publikum, die immer Bundesligaprofi werden wollten, schöpften wieder Hoffnung, dass man noch mit 43 Jahren einen Traum verwirklichen kann, die 43 Jahre alten Männer genossen ihre neue Gewissheit, dass man in diesem Alter immer noch so sportlich sein kann wie ehedem, und die Ehefrauen wiesen darauf hin, dass ihren Männern doch auch die Figur Henry Maskes ein Vorbild sein könnte. Bei allen fuhren die Gefühle Achterbahn.

Die Zeit des Gefühlstaumels endete erst, als Henry Maske eine halbe Stunde nach dem Kampf, die Olympiahalle war schon fast leer, vor die Presse trat. Wie er sich fühle, wollte jemand wissen. "Mir geht es klasse'', sagte Maske, "mir geht es richtig gut. Es ist überschäumende Freude, und ich habe meinen Gefühlen freien Lauf gelassen.'' Und wie gehe es jetzt weiter, fragte ein Journalist. Vielleicht ein dritter Kampf gegen Virgil Hill? "Erst in zehn Jahren'', witzelte Maske. Ein anderer Journalist fragte erneut. Da wurde Maske ernst, seine Worte waren spröde wie stets. "Ich habe ein Versprechen gegeben, und das Versprechen werde ich halten. Das war wirklich eine letztmalige Sache.'' Wirklich? "Es war eine besondere Geschichte'', sagte Maske, ,,das war sie dann aber auch.''

© SZ vom 2. April 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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