Marvin Matip:Plötzlich berühmt

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Wurde in Kameruns Hauptstadt Jaunde auch auf der Straße erkannt: FCI-Kapitän Marvin Matip. (Foto: Mika Volkmann/Getty Images)

Ingolstadts Kapitän und Defensivchef Marvin Matip, 30, erlebt ein spätes internationales Comeback und spielt wieder für Kamerun.

Von Sebastian Fischer

Der kamerunische Fußballverband hat Ende des vergangenen Jahres etwas Ungewöhnliches getan. Nach der Entlassung von Nationaltrainer Volker Finke fiel es den Verantwortlichen offenbar schwer, einen Nachfolger zu finden; jedenfalls suchten sie ihn im Internet per öffentlicher Annonce: Der Neue müsse "moralische Integrität" haben, "Kenntnisse in Word, PowerPoint und Excel" mitbringen, bereits Titel gewonnen haben, natürlich den afrikanischen Fußball kennen und über gute Kontakte in die Fußballwelt verfügen.

Die Wahl fiel auf den Belgier Hugo Broos. Über seinen Umgang mit Exceltabellen ist wenig bekannt, aber immerhin hat er bei seinem Debüt am vergangenen Samstag Fußballkenntnis bewiesen - so dürfte das jedenfalls Marvin Matip sehen. Denn Broos hat Defensivspieler Matip nominiert und in der 77. Minute beim 2:2 gegen Südafrika eingewechselt. Der Kapitän des FC Ingolstadt sagt: "Ich denke, er musste nicht viel begründen. Ich bin Stammspieler eines Bundesligisten."

Matip, 30, ist Chef der FCI-Abwehr, die in 27 Bundesligaspielen erst 31 Gegentore zugelassen hat. Der gebürtige Bochumer und Sohn eines Kameruners, der in seiner Jugend bis zur U 21 für deutsche Auswahlmannschaften aufgelaufen war, hatte also durchaus Argumente für einen Einsatz gesammelt. Und doch schickt Matip emotionale Worte aus Südafrika, wo er sich mit dem Team auf das Rückspiel in der Afrika-Cup-Qualifikation an diesem Dienstag vorbereitet. Die Viertelstunde auf dem Rasen in Jaunde, sagt Matip, "waren sehr intensive Momente". Es hatte nicht mehr danach ausgesehen, als würde er überhaupt noch mal für Kamerun spielen dürfen.

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Fast drei Jahre liegt Matips erster und bis Samstag einziger Einsatz für die Unzähmbaren Löwen zurück, damals spielte er elf Minuten beim Freundschaftsspiel in der Ukraine (0:0). Doch als Zweitligaspieler fand er unter Finke sonst keine Berücksichtigung - anders als sein Bruder Joel, 24, vom FC Schalke, der zwei große Turniere - eine WM und einen Afrika-Cup - für Kamerun bestritten hat. Beim ersten Telefonat mit dem neuen Nationaltrainer Broos verwies Joel jedoch auf die wichtige Rückrunde für die Schalker, die er im Sommer nach Liverpool verlässt. "Ich habe mit Joel gesprochen, aber ich hatte das Gefühl, dass er nicht motiviert war und nicht kommen wollte", sagte Broos, als er das Aufgebot verlas - ohne Joel. Marvin war motiviert.

Er sei zufrieden mit seiner Leistung beim unverhofften Comeback, sagt Matip am Montag. Er spielte nicht Innenverteidiger wie in Ingolstadt, wo der Kapitän vor allem mit Kopfballstärke und lautstarker Mannschaftsführung auffällt. Sondern er leitete im defensiven Mittelfeld die kamerunische Schlussoffensive ein, die beinahe noch mit dem Siegtreffer in der Nachspielzeit belohnt worden wäre. In den Tagen zuvor, erzählt er, habe er es genossen, als Nationalspieler durch Jaunde zu laufen. "Fußball und gerade die Nationalmannschaft gleicht in Kamerun einer Art Religion", sagt er. Und auch wenn das "eigentlich kaum vorstellbar" sei: "Der Name Matip ist unfassbar berühmt in Kamerun. Durch Joel, aber auch durch die letzten zwei Jahre durch mich." Er sei oft auf den Aufstieg mit dem FC Ingolstadt angesprochen worden, und die Menschen hätten ihn für die Ergebnisse mit dem FCI beglückwünscht.

In Ingolstadt sehen sie es als Lohn ihrer guten Saison, dass neben Matip gerade neun weitere Profis mit ihrem Nationalteam auf Reisen sind, so viele wie noch nie. "Wir nehmen das ein Stück weit auch als Kompliment für unsere Arbeit", sagt Sportdirektor Thomas Linke. Matip sagt, ganz pflichtbewusst, er denke noch nicht darüber nach, was aus seiner Nationalmannschaftskarriere noch alles werden kann. Die WM in Russland? Erst einmal: "Der Klassenerhalt."

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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