Marion Jones:Spritzen vom Gatten

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C. J. Hunter verschärft den Dopingverdacht gegen seine frühere Frau, die Olympiasiegerin Marion Jones. Er selber habe ihr Spritzen gesetzt.

Von Thomas Hahn

Früher in diesem Jahr, bei einer dieser Pressekonferenzen, auf denen sie sich der Öffentlichkeit als Frau darstellte, die nichts zu verbergen hat, hatte Marion Jones schon einmal über C. J. Hunter gesprochen. In Ostrau war das vor dem Meeting Golden Spike, nachdem ein Presse-Attaché eine kritische Frage aus dem Plenum zu ihrer Vergangenheit schon zurückgewiesen hatte. Schon gut, sagte sie damals und dann: "Als ich herausfand, was mein Ex-Mann tat, oder was ihm unterstellt wurde, das er getan haben sollte, beendete ich die Beziehung."

Und in ihrer jüngst erschienenen Autobiographie "Life in the Fast Lane" berichtet sie, dass Hunter, 1999 Weltmeister im Kugelstoßen, ihr nicht einmal von seinen vier positiven Dopingtests auf das Steroid Nandrolon erzählt hätte. "Ich war seine Frau! Ich vertraute ihm" Neben ihm, dem Sünder, sollte ihre Unschuld umso klarer aufscheinen, und Hunter selbst schwieg. Jetzt aber? Schlägt er zurück?

Der Anwalt antwortet

Jedenfalls hat C. J. Hunter Anfang Juni im Rahmen der bundesbehördlichen Ermittlungen gegen den kalifornischen Nahrungsergänzungshersteller Balco einige Aussagen gegen Marion Jones zu Protokoll gegeben, die den schweren Dopingverdacht gegen sie noch verschärfen. Ermittlungsakten hatten Marion Jones bisher ohnehin schon deutlich auf ihre Zusammenarbeit mit Balco-Chef Victor Conte hingewiesen, von dem sie dessen Designer-Steroid THG erhalten haben soll, was heftige Dementis ihrerseits provozierte.

Jetzt berichten amerikanische Zeitungen über eine zweieinhalbstündige Vernehmung Hunters durch Ermittler der kalifornischen Steuerbehörde, bei der Hunter bezeugte, dass Marion Jones vor, während und nach ihren fünf Medaillengewinnen bei Olympia in Sydney gedopt gewesen sein soll, mit Mitteln, die in damals gängigen Tests nicht nachzuweisen waren. Hunter will gesehen haben, wie sie sich THG, das Blutdopingmittel Epo und das Wachstumshormon hGH einverleibte; einige Spritzen habe er ihr sogar selbst gesetzt.

Natürlich reagierte Marion Jones' Anwalt Joseph Burton sofort, verschickte ein Statement und deutete die Aussage so, wie es von einem Jones-Vertreter zu erwarten war: Er bezichtigte Hunter der Lüge und spielte auf seinen Frust an, den der nun nach der gescheiterten Ehe zu kompensieren versuche.

"C. J. Hunter hatte eine Rechnung offen", heißt es da, "Glücklicherweise stehen Hunters Bemühungen, seine Rache anzuführen, indem er der Regierung Lügen erzählt, in direktem Widerspruch zu den Aussagen von Marion Jones' früherem Trainer, der alles unterstützt hat, was Marion Jones bisher gesagt hat: dass sie nie leistungssteigerne Drogen genommen hat." Allerdings steckt Trevor Graham, den Burton wohl meint, selbst mittendrin im Doping-Skandal; nach Aktenlage gehörte er zum Team um Conte, das 100-m-Weltrekordler Tim Montgomery einst künstlich schnell machte.

So sehr sich Burton auch verrenkt, und so wenig vertrauenswürdig Hunter in der Tat nach seinen positiven Tests wirkte, seine Aussagen sind zu brisant, als dass man sie einfach abtun könnte; zumal sie durchaus zu manch anderer Aussage passen, die im Verlaufe der Affäre aktenkundig wurde.

So frontal ist Marion Jones bisher noch nicht angegangen worden, selbst die amerikanische Antidoping-Agentur war vorsichtig im Umgang mit ihren mutmaßlichen Doping-Vergehen. Anders als bei Jones' heutigem Lebensgefährten Montgomery verzichtete USADA bisher darauf, sie offiziell des Dopings zu beschuldigen.

Nun treffen sie Hunters Enthüllungen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da sie die US-Öffentlichkeit schon wieder ein Stück auf ihre Seite gebracht zu haben schien: Nachdem sie sich bei den US-Trials als Einzelstarterin nur im Weitsprung für Olympia qualifiziert hatte, gab sie wieder mal eine ihrer demonstrativen Pressekonferenzen, und die verfehlte ihre Wirkung nicht. Selbst der Kolumnist der New York Times schmolz dahin und schrieb: "Ich mag Marion Jones mehr denn je."

Detaillierte Aussage

Dabei geht es längst nicht mehr um Sympathien, sondern um das Problem, dass eine der prominentesten Olympia-Protagonistinnen der Welt unter dem dringenden Verdacht steht, ihre größten Erfolge mit unerlaubten Mitteln erlangt zu haben. Hunter stützt den Verdacht, und zwar laut San Francisco Chronicle ziemlich detailliert: Von Conte und bisweilen auch von Graham soll sie demnach ihre Dopingmittel erhalten haben, wobei sich da wohl schon Risse im Verhältnis Conte-Graham abzeichneten.

Denn aus Angst, Graham könnte die Balco-Präparate auch an andere Athleten verteilen, schickte er sie unter einem Decknamen direkt an Hunters und Jones' damalige Adresse. Hunter berichtete, dass zu Jones' Diät auch Insulin gehört habe, und dass Conte in Sorge war, Marion Jones würde es falsch dosieren. "Weiß sie nicht, dass sie einen Infarkt kriegen könnte, wenn sie es nicht auf die richtige Weise nimmt?", soll Conte Hunter am Telefon gefragt haben.

Außerdem habe Marion Jones durch durch die Dopingmittel starke Akne bekommen, die sie dick überschminkt habe. Zu dem eigens von Balco hergestellten Muskelaufbauer THG, Deckbezeichnung The Clear, gab Hunter auch Auskunft: Er und Jones hätten gewusst, dass es künstlich hergestellt wurde, aber nicht, dass es ein Steroid sei; Conte habe ihnen erklärt, dass es zweierlei Arten von The Clear gebe, keine von beiden sei nachweisbar.

Contes Anwalt Robert Holley sagte dazu wenig. Nur dieses: "Wir sind geschockt und wieder einmal empört, dass es aufs Neue ein Informationsloch gegeben hat." Der Kugelstoßer hatte auch ihn getroffen.

© Süddeutsche Zeitung vom 24.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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