Marc Bartra:Abgeschottet im Spital

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Nach seiner Operation am Handgelenk ist die Saison von Dortmunds beliebtem Spieler wohl vorzeitig beendet.

Von JAVIER CÁCERES

Es gab eine Zeit, da war die Aufregung vor den Spielen zu groß für Marc Bartra. Sein damaliger Manager, der es unter dem Künstlernamen "Mágico" Díaz bei Espanyol Barcelona zu einiger Berühmtheit gebracht hatte, riet ihm zu einem Psychologen, und der wiederum empfahl ihm die beruhigende Kraft des Feuers.

Bartra, damals noch beim FC Barcelona und dort zumeist Reservist, solle vor den Partien im Mannschaftshotel eine Kerze anzünden und das Spiel der Flamme beobachten. Es half offenbar. Denn an manchen Tagen riss Bartras Freund Gerard Piqué, Stammverteidiger bei Barça, die Tür auf und unterbrach die feierliche Zeremonie: "Genug jetzt mit der Kerze. Los geht's!"

Was Bartra, 26 und mittlerweile bei Borussia Dortmund, am Dienstagabend gegen 19.15 Uhr erlebte, stellte alle Aufregung in den Schatten, die er je als Profi durchzustehen hatte. Auf dem Weg zum Champions-League-Viertelfinalspiel gegen den AS Monaco explodierten nahe dem Mannschaftsbus von Borussia Dortmund drei Sprengsätze. Bartra wurde an der rechten Hand so schwer verletzt, dass er noch in der Nacht im Knappschaftskrankenhaus von Dortmund am Handgelenk operiert werden musste. Am Tag danach ging es ihm wieder "deutlich besser", so schrieb Bartra bei Twitter und Instagram auf spanisch und englisch. Auf einem Foto trägt er einen Gipsarm und reckt den Daumen der gesunden linken Hand in die Luft.

Wird mittlerweile in Barcelona vermisst: Marc Bartra gilt wegen seiner Spieleröffnung und seines Vorwärtsdrangs als moderner Verteidiger. (Foto: Marc Bartra)

Die Speiche war gebrochen, zudem hatten sich Fremdkörper in die Haut gebohrt: Splitter der zerborstenen Fensterscheibe des Busses, hinter der Bartra saß, aber auch Metallsplitter des Sprengsatzes. Der Fußball-Profi habe keine richtige Erinnerung an das, was passiert sei, geschweige denn eine präzise Vorstellung davon, wie genau er verletzt wurde, berichtete ein Vertrauter Bartras der SZ. "Ich habe einen lauten Knall gehört, ein Booom!, und lag auch schon am Boden", habe Bartra erklärt. Woran er sich erinnert habe, sei das Gefühl gewesen von "Schock und Panik, das Geschrei im Bus, die Schmerzen am Handgelenk". Auch andere BVB-Profis erzählten von chaotischen Szenen im Bus. Viele hätten sich voller Angst und Konfusion auf den Boden geworfen und geschrien. Ob es wirklich Mittelfeldspieler Sven Bender war, der den Busfahrer anbrüllte, "Fahr weiter, fahr weiter!", war nicht präzise zu rekonstruieren. Doch was ändert das schon?

Am Mittwochmorgen traf sich die Mannschaft wieder, um sich auf das Spiel gegen Monaco vorzubereiten. Ihr fußballerischer Wettstreit mit den Monegassen war plötzlich umfunktioniert zum Dienst an der Gesellschaft; BVB-Chef Hans-Joachim Watzke appellierte "in der Kabine an die Mannschaft, der Gesellschaft zu zeigen, dass wir vor dem Terror nicht einknicken". Marc Bartra selbst war zu diesem Zeitpunkt im Spital. Inoffiziell hieß es, dass der Verteidiger wohl vier Wochen ausfallen werde, das heißt: bis zum Ende der laufenden Saison, die für ihn so gut begonnen hatte.

Solidaritätsadresse: Am Tag nach dem Anschlag halten Fans das Liverpooler Motto hoch, das auch in Dortmund so beliebt ist - Du gehst nie alleine! (Foto: Marius Becker/AFP)

Im Sommer 2016 kam das Barça-Eigengewächs nach Dortmund, als Ersatz für den zum FC Bayern abgewanderten Mats Hummels. Der BVB zahlte an Barcelona eine heute abenteuerlich niedrig anmutende Ablöse: acht Millionen Euro. Sie war vertraglich für den Fall festgeschrieben, dass Bartra bei Barça eine bestimmte Einsatzzeit unterschreitet - und entsprach nicht ansatzweise seinem Marktwert. Zum Vergleich: Hummels kostete den FC Bayern angeblich 38 Millionen Euro. Bartra zählte 2016 zum Europameisterschaftskader der Spanier. Bei den letzten beiden Spielen des Nationalteams, gegen Israel und in Frankreich, war Bartra allerdings nicht dabei. Es heißt, dass der neue Nationaltrainer Julen Lopetegui korpulentere Verteidiger bevorzuge - anders als Vorgänger Vicente Del Bosque, der Bartra in die Nationalelf holte, obwohl er bei Barça nur Reservist war.

Bislang lief Bartra in 18 Bundesligaspielen auf; das sind fünf Einsätze mehr, als er 2015/16 beim FC Barcelona absolvieren durfte. Bei Barça hatte er als 19-Jähriger unter dem damaligen Trainer Pep Guardiola debütiert - allerdings als Rechtsverteidiger. Mittlerweile gilt er wegen seiner Spieleröffnung und seinem Vorwärtsdrang als moderner Verteidiger, der Piqué stilistisch ähnelt. Inzwischen wird er in Barcelona vermisst.

In Dortmund hat er sich für einen Neuling ein erstaunliches Standing erworben. Er gilt als einflussreich, intelligent und interessiert, und müht sich nicht nur mit Deutsch-Stunden ab, sondern auch mit privaten Taktik-Stunden und zusätzlichen Trainingseinheiten. "Er liebt alles an Dortmund: die Stadt, den Klub, die Mannschaft", sagt ein Vertrauter.

Auch in seiner Heimat war die Anteilnahme an seiner Verletzung groß. Familienangehörige beruhigte er in der Nacht nach der Attacke mit einem Foto, auf dem er gut gelaunt aussah - und das er über seine Verlobte Melissa Jiménez verbreitete, eine früheren Motorsport-Journalistin und Mutter seines anderthalbjährigen Kindes. Vor wenigen Monaten bereitete er ihr in Barcelona eine Überraschung: Er mietete einen Kinosaal an, auf der Leinwand liefen romantische Bilder aus ihrer Beziehung. Am Ende stand ein Antrag, Melissa stimmte zu: Im Sommer wollen die beiden heiraten.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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