Manipulationen im Fußball:Die Zocker schlagen zurück

Lesezeit: 3 min

Trotz verbesserter Warnsysteme gibt es den Verdacht, dass in Europa weiter Spiele verschoben werden.

München - Bisher galt ja beim kundigen Fußballpublikum so eine erste Hauptrunde im DFB-Pokal als eines der unspektakulärsten Ereignisse überhaupt. Spiele von ehrfürchtigen Dritt- gegen gelangweilte Erstligisten, von fiebrigen Amateuren gegen träge Zweitligakicker erlangten eine gewisse Brisanz allenfalls hinterher, wenn es einem der Davids tatsächlich gelungen war, einen der vermeintlichen Goliaths aus dem Bewerb zu kippen - "der Pokal hat seine eigenen Regeln", lautete die ewige Branchenfloskel dazu.

Dass diesbezüglich umgedacht werden muss, belegte allerdings ein Ereignis aus der ersten Pokalrunde des Vorjahres: Da feierte der Regionalligist SC Paderborn ein berauschendes 4:2 über den großen Hamburger SV, dank der umsichtigen Leitung des Referees Robert Hoyzer, dessen Namen heute als Synonym für Wettspielbetrug im Fußball gilt.

Unter den Nachwehen des Hoyzer-Skandals leidet die Branche noch zu Beginn der neuen Saison. Beim Informationsdienst Betradar, mit dem Deutscher Fußballbund (DFB) und Deutsche Fußball Liga (DFL) nun ein Frühwarnsystem für Sportwettenanbieter installiert haben, gingen allein in dieser Woche Dutzende von Medienanfragen bezüglich der Zweitliga-Partie Ahlen gegen den TSV 1860 München (1:2) ein.

Der Überwachungsdienst hatte die DFL auf Auffälligkeiten im Wettverhalten vor diesem Spiel hingewiesen, das die Gäste in vorletzter Minute für sich entschieden - allerdings hatte Betradar seine Beobachtung nur auf der untersten von drei Dringlichkeitsstufen angesiedelt. Das Ganze habe sich dann als blinder Alarm herausgestellt, hieß es hernach, das gelte auch für Auffälligkeiten, die es bei der Zweitliga-Partie Dynamo Dresden - SC Freiburg (2:0) am vergangenen Wochenende gegeben hatte.

Eine leise Paranoia wird den Spielbetrieb wohl noch eine Weile begleiten. Das ist unschön, hat der Fußballbetrieb aber durch sein lange allzu zögerliches Verhalten in der Hoyzer-Affäre mitverschuldet. Andererseits: Wie lässt sich überhaupt verlässlich ermitteln, ob es zu illegalen Vorgängen im Wettumfeld eines Fußballspiels gekommen ist? Die Ohnmacht der Verbände zeigt sich beeindruckend an zwei Beispielen.

"Torhüter und Schiedsrichter sind neuralgische Punkte"

Hierzulande konnte nicht einmal staatsanwaltschaftlich geklärt werden, ob sich hinter der 0:2-Niederlage von Rot-Weiß Oberhausen im Dezember 2004 beim FC Erzgebirge Aue wirklich nur zwei erschütternd dämliche Individualfehler verbargen (ein Eigentor und ein ohne Not verursachter Elfmeter); immerhin war ausgerechnet dieser Zweitliga-Kick tags zuvor in Asien und später auch in Europa so dramatisch auf just dieses Resultat gewettet worden, dass er schon vorm Anpfiff von vielen Wettlisten gestrichen worden war.

Noch krasser das Beispiel des offenkundig verschobenen Uefa-Cup-Spiels Panonios Athen gegen Dinamo Tiflis (5:2) von Dezember 2004. Im März hatte Markus Studer, Vize-Generaldirektor der des europäischen Fußballverbandes Uefa, der SZ gesagt, dass "dort die Manipulation schon vom sportlichen Ablauf her manifest" sei.

Das Resultat soll in Georgien Tage vor der Austragung kursiert haben, auch herrscht in Griechenland kaum Zweifel an der Existenz jener "Thessaloniki-Bande", die schon seit Jahren Spiele im großen Stil manipuliert und auch Kontakte zur einschlägigen Hoyzer-Szene in Berlin unterhalten haben soll. Prognosen dieses Zirkels seien zu 90 Prozent eingetroffen, hieß es im Laufe der Ermittlungen, vor allem habe es sich um Spiele mit kroatischen Profis gehandelt. Und trotzdem: Der Fall geht nicht mehr vorwärts.

Dabei hat die Uefa selbst Schwachstellen für Manipulationsversuche lokalisiert: "Torhüter und Schiedsrichter sind neuralgische Punkte. Aber auf die kann man leichter achten als auf Feldspieler", meint Studer grundsätzlich, auch berge der Wettkampfkalender Verlockungen: "Nehmen wir den UI-Cup. Ein Wettbewerb vor Saisonbeginn, wenn da ein Trainer sagt, er teste aus taktischen Gründen die zweite Garnitur, sind wir schon drin in der Grauzone."

Nun ist wieder Erntezeit

Nicht nur diese Grauzone hält den Europa-Verband auch zu Beginn der neuen Spielzeit auf Trab. Wegen des in Berlin aufgeflogenen Betrüger-Ringes hat ja nicht gleich die ganze internationale kriminelle Zockerszene ihre (höchst lukrative) Tätigkeit eingestellt - allenfalls etwas umgestellt. Gewettet wird beispielsweise derart kurz vor Spielbeginn, dass die Warnsysteme der Wettanbieter nicht mehr rechtzeitig anschlagen können.

Nun ist wieder Erntezeit: UI-Cup, Intertoto, Qualifikations-Runden zur Uefa-Cup-Teilnahme mit vielen eher chancenlosen Außenseitern - und immer wieder erhält die Uefa Warnungen. Zu zwei Spielen aus den letzten Wochen auf europäischer Ebene laufen sogar Ermittlungen, heißt es in hohen Uefa-Kreisen, man wolle die Untersuchungen aber nicht behindern, indem die Klubnamen genannt werden.

Offiziell hält sich die Uefa bedeckt, zumindest aber in einem Fall dürfte es sich um starken Tobak handeln: Ein Beauftragter des Verbandes soll mit seinen Nachforschungen schon in Belgrad gestoppt worden sein, nachdem er dort ernste Warnungen erhalten habe.

Bis hierhin und nicht weiter, die Zocker schlagen zurück. Gerade in Südosteuropa, wo die Experten das Zentrum anrüchiger Wettbewegungen lokalisieren, überlegt es sich mancher gern zweimal, ob er auspacken will.

© SZ vom 20.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: