Manchester United:Fast eine Milliarde Schulden

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Starke Reds und rote Nullen: ManU feiert in der Champions League sportliche Erfolge, leidet aber unter Verbindlichkeiten von 985 Millionen Euro

Raphael Honigstein

Man sieht ihn oft mit hochrotem Kopf und in manischem Tempo Kaugummi kauend vor seiner Bank, aber Alex Ferguson kann auch ein sehr charmanter Mann sein. Wenn er will. Der Trainer von Manchester United, 64, fasst Journalisten, die ihn nicht mit kritischen Fragen nerven, in kleineren Gesprächsrunden schon mal gerne freundlich ans Knie. So intim wurde es nach dem 3:0 gegen FC Kopenhagen im Pressesaal von Old Trafford zwar nicht, aber man hat ihn selten vergnügter erlebt. Der Schotte plauderte entspannt über den Ausfall von Ryan Giggs und Rio Ferdinand kurz vor Anpfiff, der ihn auf die Idee brachte, ausgerechnet dem hitzköpfigen Krawallisten Wayne Rooney die Kapitänsbinde anzudienen. ,,Wayne war heute fantastisch. Er wollte die Binde ja schon lange haben'', lachte Sir Alex.

Kommt ein Rooney geflogen... (Foto: Foto: AP)

Fergusons Dienstjubiläum

Rooneys überzeugende Vorstellung beim souveränen Sieg gegen die braven Dänen war nicht der Hauptgrund für Fergusons Zufriedenheit. Der dritte Sieg im dritten Champions League-Spiel kommt der frühzeitigen Qualifikation für das Achtelfinale gleich. Das ist nicht mehr als das Minimalziel, aber nach dem beschämenden Aus in der Vorrunde in der Vorsaison ein wichtiger Schritt nach vorne. Abgesehen davon braucht der einstige Branchenkrösus United die Millionen dringend, die das Weiterkommen einbringt. Und Sir Alex will ja im nächsten Monat sein 20-jähriges Jubiläum im Amt groß feiern. Der Erfolg vom Dienstagabend beseitigte die letzten Zweifel, dass es dazu kommen wird.

United hat in der Liga einen sehr guten Start hingelegt; auch ohne den lange vehement umworbenen Owen Hargreaves. Das liegt in erster Linie an den erstaunlich formstarken Altmeistern Paul Scholes, 32, und Ryan Giggs, 32, im Mittelfeld, und zweitens daran, dass sich der Abschied des in Ungnade gefallenen Torjägers Ruud Van Nistelrooy wider Erwarten bisher nicht negativ ausgewirkt hat. Ausgerechnet der französische Nationalstürmer Louis Saha (acht Saisontore), der sich sehr kritisch über den Verkauf des Niederländers geäußert hatte, wurde zum größten Nutznießer: Mit Rooney bildet er ein harmonierendes Paar im Angriff, und der wieder genesene Ole Gunnar Solskjaer treibt wie in glorreichen Zeiten als Einwechselschreck sein Unwesen.

Mit 19 Punkten aus acht Spielen sind die Red Devils Tabellenführer vor dem Meister FC Chelsea. Das nunmehr 76000Zuschauer fassende Stadion ist fast immer voll. Aber es gibt auch andere Zahlen. 15 Monate nach der kontroversen Übernahme durch den amerikanischen Milliardär Malcom Glazer, der den Klub mit Hilfe von sündhaft teuren Darlehen kassierte und diese danach auf den Verein abwälzte, hat United von allen Fußballklubs der Welt immer noch die meisten roten Nullen in der Bilanz. Eine Schuldenneustrukturierung im Juli vergrößerte die Verbindlichkeiten von 865 Millionen Euro auf 985 Millionen Euro. Die Tilgung kostet United dafür jährlich ,,nur noch'' 92,4 Millionen Euro. Wie viel Geld Ferguson tatsächlich für die weiter notwendige Aufstockung des Kaders zur Verfügung hat, vermag niemand genau zu sagen, vielleicht weiß es nicht mal Geschäftsführer David Gill.

Chefs aus Florida

Der gesundheitlich angeschlagene Glazer, 78, hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, die Geschicke des Klubs werden nun zunehmend von den Glazer-Kindern aus Florida bestimmt. Fünf Söhne und eine Tochter sitzen im United-Vorstand, Gill ist der letzte verbliebene Manager aus den Zeiten der erfolgreichen Aktiengesellschaft. Und auch er könnte bald gehen. Montag traten seine zwei wichtigsten Mitarbeiter und Verbündete, Finanzchef Nick Humby und der kaufmännische Vorstand Andy Anson, frustriert von ihren Ämtern zurück, weil sie nicht mehr in wichtige Entscheidungen miteinbezogen wurden.

So lange Ferguson sportliche Erfolge einfährt, kann die Fernsteuerung aus den USA einigermaßen funktionieren. Zukünftige Krisen scheinen aber programmiert. United hat erst gegen einen wirklich guten Gegner gespielt - die technisch bessere Elf des FC Arsenal führte sie im eigenen Stadion streckenweise vor und gewann mit 1:0. Am Sonntag kommt der FC Liverpool zu Besuch. Dann wird man sehen, ob der Höhenflug wirklich einem geglückten Umbruch geschuldet ist - und ob die gute Laune von Sir Alex anhält.

© SZ vom 19.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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