Mainz schlägt Hamburg:Sieg des Herzens-Hanseaten

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Kopfballtreffer aus minimaler Distanz: Der Mainzer Stefan Bell nickt zum 2:1 ein. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Mit etwas Pech und altbekannten Problemen verliert der HSV sein Spiel in Mainz 2:3. Dass der Mainzer Torwart - der ehemalige HSV-Keeper René Adler - einen besseren Tag erwischt als sein Nachfolger, passt ins Bild.

Von Christoph Ruf, Mainz

Der Fußball neigt in diesem Jahrtausend zu einem recht dramatischen Vokabular. Fährt Mannschaft A zu Team B, ohne vorher einen 6:0-Auswärtssieg zu prognostizieren, spricht deren Trainer gerne von "Demut". Wer gewinnen will, ist nicht ehrgeizig, sondern "gierig", und wer das Training nicht verschläft, fühlt sich "besessen". Genau das soll in der zurückliegenden Trainingswoche auch René Adler gewesen sein, berichtete dessen Mainzer Trainer Sandro Schwarz vor dem Spiel gegen den Hamburger SV. Ob das Wort bei einem solch besonnenen Menschen wie Adler das richtige ist, sei dahingestellt.

Aber natürlich war klar, dass Adler die Personalie des Spiels sein würde. Zum einen galt es zu erspüren, wie der Herzens-Hanseat, der nach dem Karriereende in sein in Hamburg gebautes Haus zurückziehen will, gegen die alten Kollegen auftreten würde. Und zum anderen wurde mit Neugier beobachtet, ob der HSV sich auf der Torwartposition tatsächlich verbessert hat, seitdem er statt auf Adler auf den jüngeren Christian Mathenia, einen gebürtigen Mainzer, setzt.

"Wir haben kein generelles Torwartproblem", beteuern sie beim HSV

Belege für letztere Frage ließen sich am Samstag, bei der 2:3-Niederlage des HSV in Mainz, nicht wirklich auftreiben. Mathenia wirkte in einigen Szenen unsicher und verschuldete den spielentscheidenden dritten Gegentreffer. "Das war vielleicht keine Top-Leistung heute von ihm", sagte HSV-Sportdirektor Jens Todt. "Aber wir haben kein generelles Torwartproblem." Adler hingegen hielt ganz generell völlig solide, machte in der Nachspielzeit noch eine Hamburger Großchance zunichte und ging nach dem Spiel gelöst und gut gelaunt vor die Mikrofone: "Ich bekomme mein Geld von Mainz 05 und nicht vom HSV, da freue ich mich jetzt über die drei Punkte für unsere Mannschaft", sagte er. Um dann etwas gefühliger nachzuschieben: "Aber die nächsten Spiele können die Hamburger von mir aus natürlich gerne gewinnen."

Mathenia hatte als erster der beiden Torhüter im Mittelpunkt gestanden, nach nicht einmal 120 Sekunden führten die Mainzer durch ein Tor von Alexandru Maxim (2.). Hamburgs Keeper war dabei allerdings ebenso macht- und hilflos wie kurz darauf Kollege Adler beim Ausgleich durch Walace (9.), weil sich ihre jeweiligen Vorderleute willfährig angestellt hatten. Beide Torhüter hatten bis zum Halbzeitpfiff dann kaum noch etwas zu tun, gönnten sich dafür aber jeweils eine skurrile Aktion. Während Adler beim Herauslaufen über den Ball trat und Glück hatte, dass der Hamburger Angreifer André Hahn in den Sekundenbruchteilen danach den Ball nicht ortete, zog Mathenia bei einem 30-Meter-Schuss von Danny Latza die Hände zurück. Der Schuss des Mainzers klatschte wenige Zentimeter neben dem Keeper an die Latte (29.). Kurios auch, wie Hahn kurz vor der Halbzeit freistehend den Ball an die Latte drosch - was weit schwieriger anmutete, als ihn ins Tor zu drücken.

Mathenia setzt sich beim dritten Gegentreffer dem Spott aus

Und dann passierte beim HSV das, was in den Jahren oft passierte: Irgendwann im Spiel - am Samstag in Mainz war die Zäsur der Halbzeitpfiff - verliert die Mannschaft den Faden und begleitet das Geschehen nur noch aus der Beobachterrolle. Das Spiel des HSV verblasste in den ersten 30 Minuten des zweiten Durchgangs völlig, ehe es in der Schlussphase noch einmal kräftigere Konturen annahm. Dementsprechend leicht fiel es den Mainzern, so viele Treffer zu erzielen, wie es für einen komfortablen Sieg braucht.

Stefan Bell traf ohne nennenswerte Gegenwehr des Gegners zum 2:1 (52.), Mathenia setzte sich beim 3:1 erneut dem öffentlichen Spott aus, als er einen Latza-Schuss durch die Finger gleiten ließ (58.). Dass sich die Mainzer vorher an der Strafraumkante den Ball seelenruhig hin- und herspielten, dürfte HSV-Trainer Markus Gisdol aber noch mehr geärgert haben. Das 3:2 durch einen per Videobeweis berechtigterweise verhängten und von Sead Salihovic verwandelten Handelfmeter (90.+3.) kam zu spät, um Gisdols schlechte Laune nach dem sechsten sieglosen Spiel in Serie zu bessern. "Ich bin richtig sauer", sagte er nach dieser "unnötigen" Niederlage.

© SZ vom 15.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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