Mainz besiegt Berlin:Unterwegs mit eigener Tabelle

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So, wie die Mainzer rechnen, marschieren sie Richtung Champions League.

Ronny Blaschke

Nun ist es raus: Der FSV Mainz 05 spielt nicht mehr in der Bundesliga. Er weigert sich, die alten Regeln zu akzeptieren und sucht sein Glück im Alleingang. "Wir spielen eine neue Saison mit eigener Tabelle", sagte Manager Christian Heidel im Berliner Olympiastadion.

"Diese Tabelle schreibe ich mir sogar auf. Und wissen Sie was: Wir marschieren Richtung Champions League." Glaubt man der Theorie von Heidel, so hat Mainz in den ersten fünf Saisonspielen 13 Punkte gesammelt. Ein Remis, vier Siege, am Samstag glückte ein 2:1 bei Hertha BSC. Christian Heidel besteht darauf: "Alles andere interessiert nicht."

Die selbsternannte Karnevalscombo erschafft sich ihre eigene Welt, als wäre die Bundesliga eine einzige Büttenrede. Vielleicht sind die Mainzer ein bisschen übermütig geworden nach dem ersten Sieg an einem Fastnachts-Wochenende in 17 Jahren Profifußball. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich der FSV aus Selbstschutz unter einer Käseglocke eingerichtet hat.

"Das war unsere einzige Chance", erläutert Heidel. "Wir mussten diesen Schnitt vor der Rückrunde machen." Natürlich besteht eine Bundesliga-Saison aus zwei Serien, das weiß auch der Manager. Die Hinrunde war für Mainz eine einzige Ohrfeige: elf Punkte, ein Sieg.

Dass das Team in vier Wochen von Platz 18 auf Rang elf vorrücken konnte, ist eine der großen Überraschungen der Saison. Vereinspräsident Harald Strutz erklärt das so: "Ständig war die Rede von Problemen und Schwachstellen, doch wir haben uns nicht auseinander bringen lassen."

Die Mainzer führen die Auferstehung auf ihren Gemeinschaftssinn zurück. In Berlin hatten sie allen Grund dazu, immerhin haben sie zum ersten Mal einen Rückstand umgebogen. Nach der Hertha-Führung durch ein Weitschusstor des Ungarn Pal Dardai (22.) sah es kurz nach einem bösen Erwachen aus, doch Trainer Jürgen Klopp schien in der Halbzeit die richtigen Worte gefunden zu haben: "Die erste Halbzeit erinnerte eher an ein Freundschaftsspiel." Es spricht für Nervenstärke, dass Mainz fortan geduldig kombinierte und sich weiter auf ein sicheres Abwehrverhalten konzentrierte. Sie profitierten dabei von einem plötzlich schlafwandelnden Gastgeber.

Den Rest erledigte das Duo der Überläufer: Mohamed Zidan und Leon Andreasen, in Bremen nicht mehr erwünscht und nach Mainz weitergereicht, spielten abermals in beispielhafter Form. Zidan setzte in der Offensive früh nach und forderte energisch die Bälle. Ihm war es vergönnt, den Ausgleich per Elfmeter zu erzielen (54.). Sein Kollege Marco Rose war nach einem umstrittenen Zweikampf mit Herthas Kapitän Arne Friedrich zu Boden gegangen. Unnötig, wie Berlins Trainer Falko Götz fand: "Der Elfmeter war ein absolute Sauerei. Das war für mich eine klare Schwalbe."

Eine strittige Schwalbe

Trotzdem war Mainz nun das bessere Team. Den Rhythmus gab unter anderem Leon Andreasen vor, in der 64. Minute erzielte er wie schon im Spiel gegen Dortmund den Siegtreffer. Eine Flanke von rechts drückte er mit der Fußspitze über die Torlinie. "Es ist einfach unglaublich, wie gut wir im Moment drauf sind", sagte der Däne.

Andreasen und Zidan, die für 3,2 Millionen Euro gekommen waren, haben sieben der acht Mainzer Rückrunden-Tore erzielt. Auch der dritte Zugang, der Kolumbianer Elkin Soto, überzeugte in Berlin. "Die Neuverpflichtungen haben perfekt eingeschlagen", bilanzierte FSV-Präsident Harald Strutz. "Alles, was wir im Winter beeinflussen konnten, haben wir getan." Trainer Klopp ergänzte: "Wir haben die Jungs geholt, damit sie uns helfen und damit wir ihnen helfen können. Das ist auch nötig, so lange die Konkurrenz auch gewinnt."

Während die Mainzer sich über neue Spieler und alte Tugenden freuten, diskutierten die Berliner über eine vermisste Stammkraft und ein abwanderungswilliges Talent. Der türkische Spielgestalter Yildiray Bastürk, der seit Monaten fehlt, zog sich im Training einen Teilanriss des Innenbandes im linken Knie zu und wird weitere Wochen fehlen. Herthas Manager Dieter Hoeneß wird dennoch bald wieder die Verhandlungen für eine Vertragsverlängerung mit ihm aufnehmen.

Mit einem anderen Mittelfeldspieler ist das nicht mehr möglich. Der Wechsel von Ashkan Dejagah, 20, nach Wolfsburg zum Saisonende hat Hoeneß so geärgert, dass Dejagah ins Amateurteam abgeschoben wurde. "Er hätte uns gegen Mainz auch nicht den Sieg gebracht", sagte Hoeneß. Eine Rückkehr wollte er jedoch nicht ausschließen: "Von einer Suspendierung kann keine Rede sein. Wir werden diese Personalie von Fall zu Fall entscheiden."

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