Mainz 05 besiegt Cottbus:Kosmische Kraftpakete

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Mainz 05 verlässt nach einer beeindruckenden Leistung die Abstiegsränge.

Christoph Hickmann

Man konnte dem Mainzer Fußballtrainer Jürgen Klopp im vergangenen Sommer recht oft dabei zusehen, wie er über Fußball sprach. Man konnte dabei fast ein bisschen ehrfürchtig werden, weil Klopp in seiner Rolle als Weltmeisterschaftsfernsehgeneralexperte eine Ahnung davon zuließ, wie tief er die Komplexität dieses Spiels durchdrungen hat, und man konnte beinahe vergessen, dass dieses Spiel trotz all seiner Verwinkelungen noch immer gut ist für sehr einfache Geschichten wie diese: Der Mainzer Stürmer Mohamed Zidan verliert in der 20. Spielminute den Ball, was mittelbar dazu führt, dass der Cottbuser Sergiu Radu ihn zum 1:1 ins Tor schießt. Klopp ruft nun Zidan an die Außenlinie, nimmt ihn in den Arm, streicht ihm über den Kopf, und keine Minute später schießt Zidan das 2:1.

Nach dem Spiel dann wollte man vom Trainer wissen, was er seinem Stürmer an der Linie so Heilsames mit auf den Weg gegeben hatte. Und Klopp sprach: "I give you all my power." So einfach ist das also. Da injiziert der Trainer dem Spieler per Austausch von Körperwärme ein wenig kosmische Energie, die dem Spieler dann genügt, um drei Tore zu schießen, eines davon per Foulelfmeter, und den FSV Mainz 05 am Samstag 4:1 gegen den FC Energie Cottbus siegen zu lassen.

"Hier hat mich der Trainer getröstet"

Man mag über die Episode lächeln, doch tatsächlich hatte Klopp mit ihr bereits ein gutes Stück Erklärung geliefert für jene Mainzer Wandlung, die sich nach einer teils katastrophalen, teils schlicht traurig anzusehenden Hinrunde nun in zehn Punkten aus vier Rückrundenspielen manifestiert: Jener Rückkehrer Zidan, der während seiner Zeit in Bremen nie so zum Zug kam wie schon während seines ersten Mainzer Jahres, war nach holprigen ersten 20 Minuten plötzlich scheinbar überall, passte, wirbelte, schoss und vertrickste sich manchmal, wie das seine Art ist.

Danach stand er vor den Reportern, nannte sich selbst einen "Verrückten" und sagte: "Hier nimmt man mich so, wie ich bin." Er schob hinterher: "In Bremen hätte man mich nach so einem Fehler ausgewechselt. Hier hat mich der Trainer getröstet."

Einkauf gut, alles gut

Allerdings ist dies nur einer von mehreren Faktoren, aus denen sich die aktuelle Mainzer Hochkonjunktur zusammensetzt: Klopp weiß mit diesem Spieler umzugehen und seine bisweilen die Grenze zur Disziplinlosigkeit überspringende Spielfreude einzusetzen. Der zweite, wichtigere Faktor ließ sich hinter Zidan beobachten: Die Mainzer haben, wohl eher ob der puren Not denn mit strategischem Weitblick, beim Winterpausen-Einkauf ein paar gute Griffe getan.

Leon Andreasen, ebenfalls aus Bremen gekommen, dominierte vor der Viererkette das Mittelfeld und spielte derart oft überraschend nach vorn, dass die Mainzer den Pausenstand von 3:1 durchaus hätten ausbauen können. Der Kolumbianer Elkin Soto schließlich bereitete in seinem ersten Ligaspiel das 1:0 durch Andreasen vor und holte den Elfmeter heraus.

Auf dem Weg nach vorn

Auch damit allerdings lässt sich nicht alles erklären, es bleibt ein einigermaßen mysteriöser Rest, dessen Wirkung man vor allem während der ersten Minuten beobachten konnte. Da standen die Cottbuser weit in der Mainzer Hälfte, sie störten sehr früh, und vor allem der bullige Francis Kioyo war kaum zu bändigen. In der Hinrunde hätte das wohl einmal mehr zu einem Mainzer Zusammenbruch geführt.

Doch von einigen Unsicherheiten in der Viererkette abgesehen, hatte man am Samstag nie das Gefühl, dass diese Mannschaft sich von ihrem Weg nach vorn würde abbringen lassen. Es mag altmodisch klingen, aber man konnte sehen, dass sie wieder an sich selbst glaubt, wie auch immer Klopp das geschafft hat. Vor allem in der zweiten Halbzeit spielte das Team derart befreit, als stünde da kein direkter Konkurrent auf dem Platz, sondern nur ein Testspielgegner.

Mission Possible 15

Mainz steht nun nicht mehr auf einem Abstiegsplatz, und dass dies bereits nach vier Spielen so kommen würde, hatten die meisten Kommentatoren als ungefähr so realistisch eingeschätzt wie die Vorstellung von einem Abstieg des FC Bayern. Das vor der Rückrunde ausgerufene Projekt Mission Possible 15, die Zielvorgabe Klassenerhalt, hatte man für eine niedliche Idee zur Unterhaltung der eigenen Anhänger gehalten.

Nun aber hat Mainz die Gefahrenzone erst einmal verlassen, und da könnte man auf die Idee kommen, dass Jürgen Klopp seine Spieler demnächst häufiger zwecks kosmischen Kraftaustauschs an die Linie ruft. Leider aber, sagte Klopp, seien "nicht alle so empfänglich dafür" wie der sensible Stürmer Zidan. Es wird in den nächsten Wochen noch hilfreich sein, dass er sich auch in den irdischen Feinheiten des Fußballs auskennt.

© SZ vom 12.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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