Mailand-Sanremo:Der Bergkönig gewinnt

Lesezeit: 2 min

Der Favorit Julian Alaphilippe feiert auf der Via Roma seinen ersten Triumph. John Degenkolb springt die Kette vom Rad.

John Degenkolb blickte nach unten und konnte es nicht begreifen. Ausgerechnet in der Abfahrt vom Poggio, wenige Kilometer vor dem Ziel, sprang dem aussichtsreichen deutschen Fahrer die Kette von seinem Rad - aus und vorbei der Traum vom erneuten Sieg beim Klassiker Mailand-Sanremo. Stattdessen setzte sich der französische Top-Favorit Julian Alaphilippe durch und feierte auf der berühmten Via Roma seinen ersten Triumph bei einem Radsport-Monument. Degenkolb rollte 2:37 Minuten nach dem Sieger mit finsterer Miene als 84. ins Ziel. "Ich hatte das Zeug, um hier um den Sieg mitzusprinten. Dann fällt mir die Kette runter, und das Rennen war gelaufen", sagte der 30-Jährige tief enttäuscht. "Wenn man sich den ganzen Winter auf diesen Tag vorbereitet, ist das umso frustrierender. Es war ein großes Ziel."

Alaphilippe, 26, sicherte sich den Erfolg nach einem kraftvollen Sprint aus einer Führungsgruppe. Der Profi aus der Mannschaft Deceuninck-Quick Step gewann vor dem Belgier Oliver Naesen (AG2R) und dem Polen Michal Kwiatkowski (Sky). "Ich brauche erstmal Zeit, um das zu begreifen", sagte Alaphilippe überwältigt. Bester Deutscher wurde der Kölner Nils Politt vom Team Katusha-Alpecin auf Platz 27 (+0:27 Minuten). Auf Rang vier kam nach 291 Kilometern und fast sieben Fahrstunden der dreimalige Weltmeister Peter Sagan aus dem deutschen Team Bora-hansgrohe, der Slowake muss weiter auf seinen ersten Erfolg bei der Primavera warten. Alaphilippe dagegen, der Bergkönig der zurückliegenden Tour de France, holte für sein in diesem Frühjahr überragend starkes Team einen weiteren äußerst wertvollen Erfolg: "Ich war total fokussiert und dachte am Ende: Jetzt oder nie."

Vor vier Jahren hatte John Degenkolb auf der Via Roma gewonnen

Gut sechs Kilometer vor dem Ziel setzte der Top-Favorit am Poggio seinen lang erwarteten Angriff, doch Sagan und auch der amtierende Weltmeister Alejandro Valverde aus Spanien ließen sich davon nicht irritieren. Eine Selektion gelang Alaphilippe aber schon, denn einige der besten Sprinter hielten dem hohen Tempo nicht stand. Auch Degenkolb verlor ein wenig den Anschluss, war aber später gerade drauf und dran, wieder aufzuschließen, als ihn der technische Defekt ereilte. Das stundenlange Vorgeplänkel der Favoriten hatte eingangs des Finals an der Cipressa, der ersten Schlüsselstelle, ein Ende. Ernsthafte Attacken ließen aber noch auf sich warten. Degenkolb war gut in Nähe der Spitze zu erkennen, sein Tritt wirkte noch locker, und er war jederzeit auf der Höhe des Geschehens. Bei Sonnenschein und - zur Fahrt in den Frühling passend - strahlend blauem Himmel durften sich früh zehn Fahrer aus dem Peloton lösen und ihre Teamfarben an der Spitze präsentieren.

Als im Feld das Tempo angezogen wurde, reduzierte sich der Vorsprung rasant, der maximal über zehn Minuten betragen hatte. Der Italiener Fausto Masnada wurde als letzter Ausreißer an der Cipressa gestellt. Degenkolb hatte sich viel ausgerechnet, seine Erwartungen waren hoch. "Ich bin fest davon überzeugt, dass ich 2015 wiederholen kann", sagte der 30-Jährige. Vor vier Jahren hatte Degenkolb auf der Via Roma triumphiert, wenig später folgte der spektakuläre Sieg bei Paris-Roubaix. Dann wurde es schwierig. 2016 verhinderten die Folgen eines schwerwiegenden Trainingsunfalls seinen Start bei der Primavera, 2018 musste er erkrankt passen. Und auch in diesem Jahr war der Klassikerspezialist unverschuldet ohne Chance. Es bleibt damit bei sieben deutschen Siegen bei der Classicissima. Vor Degenkolb hatten Gerald Ciolek (2013), Erik Zabel (1997, 1998, 2000, 2001) und Rudi Altig (1968) gewonnen.

© SZ vom 24.03.2019 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: