Magic Moments - EM 1992:Big Mäc im Stadtpark

Lesezeit: 3 min

Die angeblich unschlagbaren Deutschen verlieren das EM-Finale 1992 gegen Fast-Food essende Dänen. Und auch in Hamburg geschieht ein Fußballmärchen.

Jan Becker

Der Fußballsommer 1992 war ein besonderer, nicht nur wegen der anstehenden Europameisterschaft in Schweden. Aber diese Geschichte beginnt 1990.

"We're red, we're white, we're Danish dynamite!" (Foto: Foto: dpa)

Ich hatte nach meiner Schulzeit beschlossen, nie wieder Fußball zu spielen. Ich war es leid, immer als Letzter gewählt zu werden, um dann zu hören: "Du gehst ins Tor!".

Im WM-Jahr 1990 war ich 23 Jahre alt und arbeitete als Sportfotograf in Hamburg. Ich verfolgte seit einiger Zeit jeden Morgen die Profis vom Hamburger SV und vom FC St. Pauli beim Training, war an jedem Wochenende im Volksparkstadion oder am Millerntor. Ich fühlte mich reif für mein fußballerisches Comeback und so nahm mich ein Kollege mit zum Journalisten-Kick im Hamburger Stadtpark.

"Wir gegen uns!"

Das Gefühl gab mir Recht. Ich wurde nicht als Letzter gewählt und ich musste auch nicht ins Tor. Vielleicht lag es an meiner guten Kondition oder an meinen technischen Fähigkeiten. Vielleicht aber auch nur daran, das wir auf zwei Tore aus Sportjacken mit einem Abstand von 1,5 Metern und ohne Torwart spielten. Aber das war mir egal, ich hatte wieder Spaß am Kicken. So spielte ich im Sommer im Stadtpark und im Winter in der Halle und verfolgte die kuriose EM-Qualifikation der deutschen Mannschaft.

Anfangs wurde die BRD in eine Gruppe mit der DDR gelost. Der Kicker titelte: "Wir gegen uns!" Aber zu diesem Spiel kam es nicht. Die DDR gab es nicht mehr und so entstand die erste gesamtdeutsche Nationalelf. Franz Beckenbauer war der Meinung, dass diese Mannschaft auf Jahre unschlagbar sei.

Wie sich der "Kaiser" irren sollte! Einem 3:2 gegen Luxemburg folgte ein 0:1 in Wales. Irgendwie haben es die angeblich Unschlagbaren dann doch geschafft nach Schweden. Aber dort lief es kaum besser.

Lothar Matthäus hatte sich schwer verletzt. Im ersten Spiel gegen die ehemalige Sowjetunion, die unter dem Namen GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) auflief, brach sich Rudi Völler den Arm. Mal gut, mal schlecht, der neue Bundestrainer Berti Vogts hatte die Weltmeister plus DDR-Neulinge nicht im Griff. Doch irgendwie schafften es die Deutschen immer weiter. Obwohl sie gegen Holland dramatisch deutlich 1:3 verloren hatten, standen sie am Ende wieder im Finale.

Verbundenheit unter Torhütern

Interessanter war da schon der Gegner: Dänemark! Dänemark? Aufgrund des UN-Embargos und der politischen Unruhen entschied sich die Uefa, Jugoslawien auszuschließen und den Zweiten der Qualifikationsgruppe, Dänemark, nachzunominieren.

Viele Spieler kamen direkt aus dem Urlaub nach Schweden. Unvorbereitet und untrainiert startete das Team in die EM. Keiner glaubte an einen Erfolg, die Buchmacher hatten eine Quote 1:40 für den Außenseiter. Sie hießen das Big-Mäc-Team, weil sie durch Besuche bei einer Fast-Food-Kette und den Verzehr von Burgern, Pommes und Cola aufgefallen waren. Sie hatten keine Chance - und diese nutzten sie.

Sie schlugen Frankreich, im Halbfinale auch die Holländer.

Ich hatte mittlerweile viel Sympathie für unseren nördlichen Nachbarn. Von Hamburg aus ist der Weg ja nicht weit. Sie hatten erfrischenden Fußball geboten und besonders der überragende Peter Schmeichel im Tor der Dänen gefiel mir. Verbundenheit unter Torhütern eben.

Das erste Tor

Das Spiel begann und in meinem Körper schlugen zwei Herzen. Ausgerechnet John "Faxe" Jensen brachte die Skandinavier in Führung. In zwei erfolglosen Jahren beim Hamburger SV hat er kein Tor geschossen. Als Kim Vilfort in der 78. Minute zum 2:0 trifft, ist alles Klar. Ob er den Ball nun mit der Hand vorgelegt hat oder nicht, ist bis heute nicht geklärt und eigentlich auch egal.

Unvergessen auch die Fans mit ihrem Schlachtruf: "We're red, we're white, we're Danish dynamite!" Die sympatischen Dänen sind Europameister und das, ohne sich für diese Turnier qualifiziert zu haben. Keiner anderen Mannschaft habe ich jemals den Sieg über ein DFB-Team mehr gegönnt als diesen Beach-Boys.

Beschwingt von dieser Lockerheit, trat auch ich im Sommer 1992 bei meinen Stadtpark-Spielen cooler auf. Und das Fußballmärchen ging weiter. In diesem Sommer schoss ich mein erstes und einziges Tor im Stadtpark.

Ob ich vorher einen Big Mäc gegessen habe? Ich weiß es nicht, aber es könnte gut sein.

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