Lyon überrascht Bremen:Debakel an der Weser

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Eine Klassemannschaft aus Lyon hinterlässt konsternierte Bremer: Ausgerechnet im eigenen Stadion verspielt der deutsche Meister fast jede Chance auf ein Weiterkommen in der Champions League.

Die laufende Saison der europäischen Champions ist für den deutschen Fußballmeister Werder Bremen so gut wie beendet: Trotz phasenweise guten Spiels wurde der deutsche Pokalsieger im Achtelfinal-Hinspiel von Frankreichs Titelträger Olymique Lyon mit 0:3 (0:1) am Ende regelrecht gedemütigt und steht im Rückspiel am 8. März in Südfrankreich vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Vor 37000 Zuschauern im Weserstadion nutzten die im Stile eines Klasseteams aufspielenden Gäste ihre Torchancen durch Wiltord (9.), Diarra (78.) und Juninho (80.) konsequent zum Sieg.

Ivan Klasnic warf die Pläne von Trainer Schaaf in letzter Minute über den Haufen. Beim Aufwärmen verletzte sich der soeben erst genesene Kroate erneut an der Wadenmuskulatur, für ihn musste Klose einspringen, der ebenfalls nicht ganz fit war. Womöglich auch wegen dieses kleinen Schockerlebnisses war der Bremer Angriff zunächst wenig gefragt, Tempospiel entwickelten zunächst nur die Gäste in Richtung Werder-Gehäuse.

Und das frühzeitig mit durchschlagendem Erfolg. Diarra setzte sich an der Mittellinie gegen Magnin durch, seine Flanke von der rechten Außenseite erreichte Govou, dessen Querschläger Wiltord nur noch ins Netz zu drücken brauchte. Das 0:1 nach nur acht Minuten - und Werder tat sich weiter schwer gegen die selbstbewussten Franzosen, die schon an der Mittellinie aggressiv attackierten.

Gefährliches Konterspiel

Erst nach 17 Minuten köpfte Borowski gefährlich aufs Tor von Olympique Lyon, Stalteri hatte ihn mit der gleichen Präzision bedient wie zehn Minuten später Klose - dessen Kopfball aber aus zehn Metern Entfernung parierte Lyons Schlussmann Coupet per Faustabwehr.

Immerhin, die Bremer diktierten nun das Geschehen, angetrieben von Micoud und Kapitän Ernst; die Franzosen schlossen ihre Reihen und warteten auf weitere Konterchancen. Eine französische Co-Produktion - Ecke Micoud, Kopfball Ismael - hätte Werder fast den Ausgleich beschert (31.), doch der Abwehrspieler zielte knapp über den Querbalken. Auch die Gäste blieben mit Vorstößen über die schnellen Wiltord und Govou gefährlich.

Die Bremer Antwort: Eine verzweifelte Schlussoffensive, eingeleitet durch einen weiteren Angriff über Stalteri, der vom rechten Flügel erneut auf Borowski flankte - und der Nationalspieler traf erneut das Tor nicht (39.). Werder gab nun eindeutig den Ton an, drückte mit Macht auf den Ausgleichstreffer noch vor der Pause - doch alle Mühen zerschellten an einer Mauer aus dunkelblau bedressten Leibern, die sich am Gästestrafraum aufgebaut hatte.

Werder war nach Wideranpfiff sogleich bemüht, den hohen Druck wieder herzustellen. Was wenigstens den Nebeneffekt hatte, dass die Franzosen ihr eigenes Kombinationsspiel nicht aufbauen konnten. Die Partie wurde ruppiger, Borowski sah Gelb (54.) nach einem Foul an Diarra.

Und Werder versuchte es weiter mit hohen Flankenbällen auf Klose und Valdez - erfolglos. Die beiden Bremer Spitzen wichen nun häufiger auf den linken Flügel aus, versuchten sich selbst als Vorbereiter, doch im Lyoner Strafraum herrschte als Abnehmer weiterhin ein Überangebot an Gästespielern vor.

Allmählich dämmerte es auch dem schweigsam gewordenen Publikum: Dieses Ensemble aus Lyon war eine Klassemannschaft, auf allen Positionen Champions-reif besetzt und wohl nicht ganz zufällig als Gruppensieger vor Manchester United in die Zwischenrunde der europäischen Meisterliga eingezogen.

Kopflose Bremer

Schaaf brachte Jungstürmer Aaron Hunt für Borowski (63.). Doch erst Klose stellte Lyons Keeper Coupet mit einem Schuss aus 14 Metern vor Probleme (65.). Die Replik der Franzosen kam prompt: Govou kam Ismael bei einer Rechtsflanke zuvor, köpfte den Ball an den Innenpfosten, der schon geschlagene Reinke barg den Abpraller in den Armen (66.).

Die Riesenchance auf der Gegenseite: Piata verstolperte den Ball im Strafraum, Valdez zog allein aufs Gästetor - und schob das Spielgerät vorbei (71.). Dann die Entscheidung, erneut nach einem Klasse-Spielzug der Franzosen: Die Bremer brachten auf der rechten Seite den Ball nicht weg, der gerade für Wiltord eingewechselte Clement legte zurück auf Diarra, der aus 22 Metern unhaltbar ins rechte Toreck traf (78.).

Die Bremer konsterniert - erst recht, als Juninho zwei Minuten später einen 30-m-Freistoß im linken Torwinkel versenkte. Das 0:3 bedeutete höchstwahrscheinlich das Aus in der Champions League. Entsprechend kopflos agierten die Bremer nun auch, verhinderten mit Mühe weitere Gegentreffer - aber nicht, dass sie nach allen Regeln der Fußballkunst vorgeführt worden sind.

© Süddeutsche Zeitung vom 24.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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