Lohnfortzahlung:Hoffentlich Fifa-versichert

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Der Weltfußball-Verband kommt den Vereinen entgegen und zahlt, wenn Spieler wegen WM-Verletzungen ausfallen.

Martin Reim

Erstmals können Vereine Geld von der Fifa erwarten, falls sich Spieler während einer WM verletzen. Der Weltfußball-Verband offeriert für das laufende Turnier eine Lohnfortzahlung für den Fall, dass die Kicker zum Start der nationalen Ligen nicht einsatzfähig sind.

Diese Entscheidung, die bereits vor einigen Monaten fiel, ist besonders bemerkenswert, weil die Klubs seit langem Entschädigungen verlangen, wenn sie Nachteile durch internationale Einsätze ihrer Spieler erleiden.

Die Fifa stellt dafür 15 Millionen Schweizer Franken (knapp zehn Millionen Euro) bereit. Indirekt stammt diese Summe von den nationalen Verbänden der WM-Teilnehmer. Denn bedient wird der so genannte Versicherungspool aus jenen 300 Millionen Franken, die als Preisgeld insgesamt zur Verfügung stehen.

Umgekehrt erhalten die Teilnehmerländer das aus dem Pool zurück, was nicht abgerufen wird. Es ist also offen, wie hoch die Prämien für die Nationalmannschaften sein werden - ebenfalls eine Premiere bei internationalen Turnieren.

Wie viel letztlich bei den Vereinen landet, hängt unter anderem davon ab, welche Spieler wie schwer verletzt werden. Falls Michael Ballack für seinen neuen Verein FC Chelsea monatelang ausfiele, käme das erheblich teurer als etwa die Verletzung des australischen Ersatztorwarts.

Ausdrücklich ausgeschlossen sind nach Angaben des Fifa-Sprechers Andreas Herren Verletzungen, die während der WM-Vorbereitung aufgetreten sind. So können weder der FC Liverpool noch Olympique Marseille auf einen Scheck von der Fifa hoffen.

Kein Schadenersatz während der Vorbereitung

Liverpools Stürmer Djibril Cissé, der in der kommenden Spielzeit an Marseille ausgeliehen wird, hatte sich bei einem Testspiel der französischen Nationalmannschaft gegen China ein Bein gebrochen. Liverpools Trainer Rafael Benitez hatte daraufhin von der Fifa Schadensersatz gefordert.

Noch aus einem anderen Grund ist unklar, wie viel die Fifa im Zuge der WM zahlen muss. Sie hat alle Vereine mit Nationalspielern verpflichtet, Versicherungen für eine Lohnfortzahlung abzuschließen.

Ob diese Policen bei einer Blessur greifen oder der Versicherungspool, sei nur im Einzelfall zu entscheiden, sagte Herren. Generell habe die Fifa eine Reihe von Experten an der Hand, die relevante Verletzungen taxieren.

Der Sprecher wollte sich nicht äußern, warum der Versicherungspool gerade jetzt eingeführt wurde. Er dementierte allerdings eine Verbindung mit dem Fall des Marokkaners Abdelmajid Oulmers.

Der Mittelfeldspieler ist beim belgischen Zweitligisten RSC Charleroi angestellt, war 2004 von einem Länderspiel verletzt zurückgekehrt und ein Dreivierteljahr lang ausgefallen. Der Klub hatte die Fifa daraufhin vor dem Handelsgericht in Charleroi auf Schadenersatz in Höhe von 615000 Euro verklagt.

Der Zweitligist hatte keine Versicherung für seine Spieler abgeschlossen. Vor einem Monat reichte das Gericht den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiter. Er soll klären, ob das Fifa-Reglement, wonach Vereine ihre Spieler entschädigungslos abstellen müssen, die EU-Verträge verletzt.

Wie beim Autoverleih

Die G-14, die Vereinigung von mittlerweile 18 wichtigen europäischen Klubs, hatte sich der Klage angeschlossen und von der Fifa pauschal 860 Millionen Euro als Schadenersatz für die vergangenen zehn Jahre verlangt. Damit kam die G-14 allerdings nicht durch, rückwirkend dürfen laut Gericht keine Pauschalentschädigungen geltend gemacht werden. Der Geschäftsführer der G-14, Thomas Kurth, bezeichnet den Versicherungspool nun als "Schritt in die richtige Richtung". Die Fifa komme der G-14 erstmals in einem zentralen Punkt entgegen.

Allerdings dürften sich die Leistungen nicht auf die WM-Endrunde beschränken, sagt Kurth, sondern müssten zumindest die Qualifikationsspiele einschließen. "Die Fifa handelt bei Nationalspielern wie ein Fahrer, der sich bei jemandem ein funktionierendes Auto ausleiht, es demoliert zurückgibt und dann sagt, ,Deine Versicherung zahlt das schon'." Diese Praxis komme die Vereine extrem teuer, die Jahresprämie allein für die Lohnfortzahlung betrage in manchen Fällen knapp eine Million Euro. Kurth bezeichnet es als "schäbig", dass die Beiträge für den Versicherungspool indirekt von den nationalen Verbänden erbracht werden. "Die Fifa verdient so viel an der WM, da könnte sie von den Einnahmen einiges abgeben."

Fifa-Sprecher Herren hingegen sagt, einzige Alternative seien Versicherungen durch die einzelnen Mitgliedsverbände. Hier wären arme Länder schnell überfordert - etwa im Fall von Didier Drogba, der beim FC Chelsea ein Millionengehalt bezieht und für die bitterarme Elfenbeinküste stürmt. "Der nationale Verband täte sich schwer, die Prämien für diesen Spieler zu bezahlen."

© SZ vom 19.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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