Leonardo Bonucci kommt aus Turin:Ungläubiges Staunen in Mailand

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Ciao Milan: Italiens Nationalverteidiger Leonardo Bonucci, der bisher für Juventus Turin grätschte, nach seinem Wechsel zum AC Mailand. (Foto: Luca Bruno/AP)

Mit Leonardo Bonucci wechselt einer der besten Innenverteidiger der Welt den Klub. Statt in der Champions League mit Juventus spielt er künftig mit Mailand in der Europa League.

Von Johannes Kirchmeier, Mailand/München

Die Mailänder Fußballanhänger klopften wild auf den Wagen, der sich einen Weg durch sie zu bahnen versuchte, so zeigten es die Fernsehbilder, die am Freitag in Dauerschleife liefen. Jubelnd eskortierten die Tifosi das Gefährt, das sich zum Vereinsgelände des AC Mailand durchkämpfte. So ganz glauben konnten wohl selbst sie noch nicht, dass der Mann, der sich darin befand, künftig ein "Rossoneri" sein wird, ein Rot-Schwarzer.

So ganz glauben konnte man diesen Transfer ohnehin erst, als er dann kurz darauf auch offiziell abgeschlossen war. Seit Donnerstag waberten Gerüchte durch die Gazetten, der Innenverteidiger Leonardo Bonucci, einer der begabtesten, wenn nicht der begabteste seines Fachs, könnte zum AC Mailand wechseln. Die Gerüchte hielten sich bis zum Freitag, bis er dann tatsächlich in besagtem Wagen saß, und aus dem anfangs ungläubigen Staunen Gewissheit wurde. Der 30-Jährige wechselt zum AC, für 42 Millionen Euro. Die Mailänder haben sich damit in dieser Sommerpause bereits Verstärkungen für mehr als 170 Millionen Euro zugelegt. Und Bonucci wird nicht der letzte namhafte Zugang sein.

Er dürfte jedoch der namhafteste bleiben. Mit Juventus Turin stand Bonucci schließlich in diesem Jahr im Finale der Champions League, wo die Italiener Real Madrid 1:4 unterlagen. Gemeinsam mit Giorgio Chiellini und Andrea Barzagli bildete er in Turin wie auch in der italienischen Nationalmannschaft die härteste Tür im Profifußball: Die drei ließen nur wenige in den Hoheitsbereich ihres Torhüters und Kapitäns Gianluigi Buffon. Der schrieb ob des Weggangs seines Türstehers: "Teamkollegen und Reisepartner. Wir sind einen Teil des Weges gemeinsam gegangen. Eines siegreichen Weges. Ich wünsche dir nur das Beste, werde dich aber vermissen..."

Craiova statt Madrid. Mailand statt Turin

Mit dem AC Mailand wird er künftig in der Europa-League-Qualifikation spielen. In Craiova, in Rumänien. Craiova statt Madrid. Mailand statt Turin. Nicht nur Buffons traurige Abschiedsworte und die anstehenden Auswärtsauftritte lassen die Branche verwundert zurück: Auf den ersten Blick ergibt dieser Wohnortwechsel wenig Sinn. Bonucci ist ein moderner Verteidiger, der nicht mehr viel gemein hat mit den Kloppern, die man immer noch vor Augen hat. Er paart die Eleganz im Spielaufbau mit Robustheit im Zweikampf. Fast schon legendär ist etwa seine Vorlage über zehn Belgier hinweg auf den Torschützen Emanuele Giaccherini bei der EM 2016 in Frankreich. So einen wünscht sich jeder Trainer in der Mannschaft. Auch der FC Chelsea und Manchester City hinterlegten ihr Interesse in Turin. Doch er entschied sich anders.

Bonucci macht drei Schritte zurück, um am Ende vielleicht vier nach vorne zu kommen. Er hat in sieben Jahren sechs Meisterschaften mit Turin gewonnen, seinen Vertrag dort bis 2021 verlängert und im Januar säuselte er gar über die "alte Dame", wie sie den Verein in Italien nennen: "Jedes Mal wenn ich dieses Trikot anziehe, gibt es mir eine enorme Energie. Ich hoffe, ich kann für Juventus so wichtig sein, wie Juventus für mich." Nun wechselt er doch zur neuen Flamme. Die verbrachte die vergangenen Jahre im Mittelfeld der Serie A. Ein bisschen verblichen sind die Erinnerungen an die sieben Champions-League-Siege inzwischen, zum letzten Mal gewann Milan 2007.

Doch jetzt greift der Klub wieder an. Denn seitdem der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi im April den Klub an den Chinesen Yonghong Li und den US-amerikanischen Hedgefonds Elliott Management Corporation veräußerte, bieten die Rossoneri offensiv auf dem Transfermarkt mit. Neben Bonucci verstärkte sich Milan unter anderem mit André Silva (von FC Porto), Andrea Conti (Bergamo), Hakan Calhanoglu (Leverkusen), Ricardo Rodriguez (Wolfsburg) und Mateo Musacchio (Villarreal). Gehandelt werden derzeit zudem der Münchner Mittelfeldspieler Renato Sanches und der Argentinier Lucas Biglia von Lazio Rom.

Bonucci verabschiedet sich mit Anzeige in der Gazzetto dello Sport

Die Mailänder bauen Bonucci also gerade schon eine ganz ansehnliche Elf zusammen, die er nun von hinten dirigieren darf. Außerdem verdient er auch 6,5 bis zehn Millionen Euro, wenn man den verschiedenen italienischen Medien glauben will. Und statt den Hoheitsbereich des mittlerweile 39-jährigen Gianluigi Buffon sichert er künftig den von Gianluigi Donnarumma: 18 Jahre alt - und das größte Torwart-Versprechen des Fußballs.

Man darf Bonucci auch nicht unrecht tun, er hat sich standesgemäß von der alten Liebe verabschiedet: Er schaltete eine ganzseitige Anzeige in der Sportzeitung Gazzetta dello Sport, in der er erklärte: "Sieben Saisons sind vorbei. Sieben Spielzeiten voll mit Siegen, mit realisierten Träumen, mit Wachstum, durch das eine empathische und außergewöhnliche Verbindung zu einer Einheit geworden ist. Natürlich ist die Enttäuschung immer noch groß, das Champions-League-Finale nicht gewonnen zu haben. Aber dafür ist der Stolz umso größer auf all die Erfolge und darauf, Teil dieser großen Familie gewesen zu sein."

Zudem lobte er darin seine Mitspieler. Nicht explizit erwähnt wird in der Anzeige der Trainer von Juventus: Massimiliano Allegri. Mit dem stritt sich Bonucci in der vergangenen Saison immer wieder, unter anderem in der Halbzeitpause des Champions-League-Endspiels.

Das an Bonucci interessierte ManCity verpflichtete am Freitag übrigens einen anderen Abwehrspieler: Kyle Walker von Tottenham. Der englische Rechtsverteidiger ist nach Informationen des Guardian mit einer Ablösesumme von umgerechnet etwa 57 Millionen Euro nun angeblich der teuerste seines Fachs. Aber nicht der begabteste.

© SZ vom 16.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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