LeMans-Sieger Hülkenberg zurück in der Formel 1:Wie Tag und Nacht

Lesezeit: 4 min

Gerade erst verwandelte der Deutsche seinen ganzen Königsklassen-Frust in pure Sportwagen-Lust. Nach dem Porsche-Triumph holt er im Forcia India Startplatz 5 - und genießt den Respekt der Kollegen.

Von Elmar Brümmer, Spielberg

Immer von links in seinen Rennwagen einzusteigen, das ist so eine Marotte von Nico Hülkenberg. Insofern hat er sich nicht groß umstellen müssen bei seinen zwei Rennen in einer Woche, zwischen denen - in jeder Hinsicht - Welten liegen. Noch besser gesagt: Es war buchstäblich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Nico Hülkenberg kehrt an diesem Wochenende als Le Mans-Sieger mit dem Porsche-Sportwagen in die Formel 1 zurück, wo er beim Großen Preis von Österreich wieder in den Rennwagen von Force India steigen muss. Ein rasanter Ritt. Erwartet worden war der Rückwärtsgang vom Podium ins Mittelfeld. Doch offenbar gibt der Erfolg im geschlossenenen Rennauto Hülkenberg auch Schub für seinen Hauptberuf im Formel-1-Cabrio, in der Qualifikation am Samstag landete er auf dem fünften Startplatz: "Ich bin einfach nur glücklich über diese Leistung und werde hart kämpfen, diese Position zu verteidigen!" Trotz dieser starken Ausgangsbedingung gilt die Prophezeiung: Die Nacht mit Porsche ist generell heller als der Tag beim indischen Rennstall.

"Der größte Erfolg meiner Karriere"

"Die 24 Stunden sind ein ganz besonderes Rennen, und deshalb ist der Sieg in Le Mans auch etwas ganz Spezielles für mich", sagt der 27-Jährige aus Emmerich, "ich denke, das ist der größte Erfolg, den ich in meiner Karriere und meinem Leben erreicht habe." Dabei war er zuvor noch nie beim Sportwagen-Klassiker gestartet und musste wie alle Novizen erst eine Fahrprüfung im Simulator ablegen. Schon nach der Qualifikation für das Tag- und Nachtrennen hatte er begeistert ausgerufen: "Jetzt bin ich hier entjungfert." Für den Sieg mit dem Stuttgarter Werksteam war er auch nicht unbedingt vorgesehen, das hatte man bei Porsche eher Sebastian Vettels ehemaligem Kollegen Mark Webber zugetraut. Aber Hülkenberg verwandelte seinen ganzen Königsklassen-Frust in die pure Sportwagen-Lust. Vor allem die Nachtfahrten und die vielen Überholvorgänge faszinierten ihn mehr als die mühsamen Platzkämpfe im Grand-Prix-Sport. Beim Marathon in Le Mans scheiden sich die Männer von den Buben, da sind echte Rennfahrer-Qualitäten gefordert.

Erfolgreiche Woche: Gerade erreichte Nico Hülkenberg in seinem Force India den fünften Rang im Qualifying von Spielberg, Österreich. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Hülkenberg gilt auch in der Formel 1 seit Jahren als Talent, gerade hat ihn Fernando Alonso als einen der drei besten Fahrer im aktuellen Starterfeld bezeichnet. Doch im Motorsport kommt es auch darauf an, zur richtigen Zeit im richtigen Auto zu sitzen. Das tat er weder bei Williams, noch bei Sauber und Force India - obwohl er jeweils den schwierigen Umständen trotzte und das meiste aus seinen Mittelfeld-Autos herausholte. Wie auch gerade wieder, zuletzt fuhr er in Kanada als Achter vier Punkte ein, was für die derzeitigen Verhältnisse ein großer Erfolg ist. Die großen Chancen verpasste er vor zwei Jahren, als sowohl Ferrari und McLaren an seinen Diensten interessiert waren. Auch für die kommende Saison stehen seine Chancen, in einem konkurrenzfähigen Auto zu landen, nicht rosig. Er muss darauf hoffen, dass Force India mit einem neuen Rennwagen in der zweiten Saisonhälfte einen Sprung nach vorn macht.

Die Top-Teams sind belegt, sein Manko bei den anderen ist der Mangel an persönlichen Groß-Geldgebern. Der historische Sieg in Le Mans - zuletzt hatte dort 1991 ein aktiver Formel-1-Pilot gewonnen - sorgt zumindest für mehr Anerkennung. Und Aufmerksamkeit, eine wichtige Währung in diesem Geschäft. "Was es auslöst? Ich denke, nur Positives", glaubt der Force-India-Fahrer. Wohin die Reise geht, weiß er noch nicht. Sein Teamchef Vijay Mallya ist begeistert über den Aushilfsjob seines Stammfahrers. Ob er Hülkenberg noch für andere Sportwagen-Rennen frei gibt, ob dessen generelle Zukunft in der Langstrecken-WM liegt - das sind die Fragenzeichen der nächsten Monate. Zunächst kommt der neue Force-India-Rennwagen erst in zwei Wochen, dann aber will Hülkenberg zumindest die zweite Saisonhälfte zu "seiner" machen. Spezialist für solche Aufholjagden ist er ja auch: "Ich bin ziemlich optimistisch, dass es aufwärts geht."

"Gigantisch", sagt Rosberg, und selbst Vettel bekommt große Augen

Das breite Grinsen seit der Zieldurchfahrt in Le Mans hält jedenfalls noch immer an. Fernando Alonso war im vergangenen Sommer, als er nach Alternativen zu Ferrari suchte, ebenfalls "sehr nah" an einem Deal mit Porsche. Der McLaren-Pilot überlegt jetzt einen Start in der "nahen Zukunft", vielleicht schon im kommenden Jahr. Der Australier Daniel Ricciardo, ziemlich genervt von den mangelnden Fortschritten bei Red Bull-Renault, guckte 18 der 24 Stunden ("Ich bin ein Fan, das war ziemlich cool") und stellte sich vor, wie toll das gewesen wäre, hätte er dort auch mitfahren können: "Wir Formel-1-Fahrer haben Glück, Nico hat uns gut aussehen lassen, und jetzt haben wir alle Chancen auf einen Start." Sebastian Vettel bekommt ebenfalls große Augen: "Da wird immer am Limit gefahren. Und mehr Runden bedeutet mehr von diesem Gefühl. Dafür sind wir ja Rennfahrer. Super. Ich glaube, wir sind alle auch ein bisschen neidisch, dass es ihm so leicht von der Hand ging. So hat es zumindest von außen ausgesehen. Ich glaube aber, dass es ein schweres Stück Arbeit war. Respekt, denn in einem 'Nebenjob' so perfekte Arbeit abzuliefern, ist unglaublich." Nico Rosberg reichte ein Wort: "Gigantisch!"

Teamchef Mallya sieht in dem Le-Mans-Sieg nur die Bestätigung von Hülkenbergs Fähigkeiten: "Ich hoffe, er bekommt durch diesen Erfolg einen weiteren Schub und setzt das in eine weitere Spitzenleistung für uns um." Die Zusatz-Motivation für Hülkenberg ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Zuletzt hatte der Deutsche, ein angenehmer ruhiger Zeitgenosse in der egozentrischen Fahrerlagerwelt, im Jahr 2009 ein Autorennen gewonnen. Die Entzugserscheinungen waren also ziemlich schlimm. So wie die letzten Runden in Le Mans. Der Sieg war Hülkenberg und seinen beiden Kollegen Earl Bamber und Nick Tandy da unter normalen Umständen schon nicht mehr zu nehmen. Kurz vor Mitternacht hatte das Auto mit der Nummer 19 erstmals die Führung übernommen. "Man fängt natürlich an, ein bisschen zu träumen und schwärmen, muss sich aber runterbringen und fokussieren", sagt Hülkenberg über das einsame Glücksgefühl.

"Das ist ganz intim. Du bist alleine, fühlst dich wie unsichtbar"

Die Taktik unterscheidet sich bei dem 5300-Kilometer-Rennen für ihn in nichts von dem bei einem Formel-1-Rennen: "Wir haben die ganzen 24 Stunden gepusht, sind volles Rohr gefahren. Dass das Tempo bei einem Langstreckenrennen so enorm hoch ist, hätte ich nicht erwartet." Eine Runde betrug der Vorsprung auf den zweiten Porsche. Auch die so genannten Vierfach-Stints, die zwei Grand-Prix-Distanzen in Folge entsprechen, meisterte er bravourös: "Ich mag diese Situationen, in denen man unter Druck die Leistung bringen muss."

Da ist er ganz Routinier. Anfänger war er in der langen Nacht auf dem nicht ungefährlichen Kurs in Le Mans. "Aber das ist mein Spezialding geworden. In der Formel 1 gibt es ja auch Flutlichtrennen, aber das ist kein Vergleich." Er wird beinahe poetisch, als er die besondere Atmosphäre im Cockpit schildert: "Alles um Dich herum ist dunkel, im Cockpit gibt es Schwarzlicht, damit man die Knöpfe und Schalter findet. Das ist ganz intim. Du bist alleine, fühlst dich wie unsichtbar, einfach nur du und dein Auto und die Strecke. Eine wirklich coole Erfahrung."

© SZ vom 21.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: