Leipziger 2:1-Erfolg:Den Sieg eingewechselt

Lesezeit: 3 min

Spiel gedreht: Yussuf Poulsen (M.) schießt Leipzig zu einem hart erkämpften Sieg gegen Hannover. (Foto: Jens Meyer/AP)

RB Leipzig kann noch gewinnen: Der Tabellenzweite dreht das Spiel gegen starke Hannoveraner - auch wegen der "brutal hohen Qualität" von Emil Forsberg und Naby Keita. Und natürlich spielt auch Timo Werner wieder eine Hauptrolle.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Wenn jemand eines Hinweises bedurfte, welche Bedeutung der Sieg gegen Hannover 96 für RB Leipzig hatte, der musste nach dem Ende der Partie nur ein wenig auf seinem Platz verharren und nach dem 2:1 (0:0) das Treiben auf dem Rasen beobachten. "You gotta fight/for your right/to party", dröhnte es aus den Boxen, während Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl über den Rasen trollte und versuchte, wirklich jedem seiner Spieler habhaft zu werden, der sich dort jubelnd in den Armen lag. Am Ende holte er sie alle zusammen, ließ sie einen Kreis formen und hielt eine erste, emotionale Ansprache.

Wer weiß, vielleicht fielen auch bei dieser Gelegenheit die Worte, die wenig später, auf dem Weg in die Kabine, die Leipziger Spieler wiedergaben: dass es ein sehr, ja gar ein extrem wichtiger Sieg gewesen sei, wie Torwart Peter Gulacsi, Kapitän Diego Demme oder auch der neu in die Nationalmannschaft berufene Marcel Halstenberg formulierten, unisono. Nach drei - teilweise bitteren - Niederlagen gegen den FC Bayern (in Pokal und in der Liga) sowie beim FC Porto in der Champions League zeigte Leipzig, dass es das Siegen nicht verlernt hat. In einem Spiel, das ein gigantisches und in dieser Form vielleicht nicht ganz erwartetes Stück Arbeit war. "Wir waren hier heute echt ganz nah dran, etwas mitzunehmen", sagte 96-Trainer André Breitenreiter.

Hannover spielt nicht wie ein Aufsteiger

Hannover war mit augenblicklich erkennbarem Optimismus nach Leipzig gereist. Jeder einzelnen Handlung der Hannoveraner wohnte der Brustton der Überzeugung inne - vor allem, wenn es darum ging, Angriffsbemühungen der Leipziger gar nicht erst entstehen zu lassen. Ihlas Bebou, Jonathas de Jesus und Felix Klaus verstellten der Leipziger Hintermannschaft die Passwege ins Mittelfeld, hinten agierte eine massive Dreierkette, die sich bisweilen zu einer Fünfer-Formation ausweitete, mit Folgen: die Leipziger versuchten zu schnell, die Linien mit langen Bällen zu überbrücken, die sich immer wieder im defensiven Gestrüpp der Hannoveraner verfingen. Das gelang so prächtig und war von so viel Reife getragen, dass man sich nur anhand von Archivmaterial vor Augen führen konnte, dass 96 unter den Aufsteiger-Teams der laufenden Saison firmiert. "Wir waren in der ersten Halbzeit sehr variabel, haben wenig zugelassen und sind nach der Pause vielleicht verdient in Führung gegangen", sagte Breitenreiter.

Das geschah in der 56. Minute. Nach einem Pass von Julian Korb aus der eigenen Hälfte ließ Bebou den Ball zunächst durch, auf dass er bei Jonathas de Jesús lande, und bot sich seinem Sturmpartner dann als Doppelpass-Adressat an. Der Togolese war damit der privilegierte Zeuge des vierten Saisontors des Brasilianers. Danach aber beugte Leipzig das Spiel doch noch zu seinen Gunsten. Denn Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl wechselte "brutal hohe individuelle Qualität" ein, wie Breitenreiter sagte - in Anspielung auf den Schweden Emil Forsberg und den Guineer Naby Keita.

Beide hatten das Spiel auf der Bank begonnen, wegen der Strapazen der letzten Wochen - und nicht, wie Hasenhüttl im Falle Keitas betonte, wegen der großflächigen Schlagzeilen in der Presse. Die Bild-Zeitung hatte am Samstag berichtet, dass Keita einen Strafbefehl über eine sechsstellige Summe erhalten habe. Der Grund: Er soll versucht haben, dem deutschen Ordnungsamt zwei Mal einen angeblich gefälschten Autoführerschein aus seiner Heimat Guinea-Conakry unterzujubeln, um diese zu einer deutschen Fahrerlaubnis umschreiben zu lassen. Ein RB-Sprecher bestätigte, Kenntnis vom Vorgang zu haben, betonte aber, dass man "nach eingehenden Gesprächen" nicht davon ausgehe, "dass es sich um eine Fälschung handelt". Der Anwalt Keitas sei eingeschaltet und warte nun auf Einsicht in die Akten.

Timo Werner beweist seine Gabe, niemals aufzustecken

Wie auch immer die Geschichte ausgehen wird: Die Leistung Keitas belastete dies offenkundig nicht. Zusammen mit Forsberg fand er die Räume zwischen den dichten Reihen der Hannoveraner Abwehrreihen, die den Kollegen zuvor verborgen geblieben waren. Vor allem Forsberg, der an beiden Toren beteiligt war. Beim 1:1 schickte er Timo Werner auf die Reise, der den Ball im Strafraum Yussuf Poulsen selbstlos vorlegte (70.). In der 85. Minute leitete der Schwede einen Pass von Diego Demme direkt auf Werner weiter, der aus kurzer Distanz traf. Zur Erleichterung von Hasenhüttl. Denn er lag richtig, als er sagte, dass "Timo zum tragischen Held hätte werden können".

In der ersten Halbzeit nämlich hatte Werner instinktiv den Fuß in einen Schuss von Marcel Sabitzer gehalten, der auch so ins Tor gegangen wäre. Mit fatalen Folgen, denn weil Werner im Abseits stand, wurde der Treffer annulliert (24.). Und auch sonst schien das Glück zunächst nicht auf seiner Seite zu sein. Nach einem Gewaltschuss von Marcel Sabitzer, den der gute Hannoveraner Torwart Philipp Tschauner hatte abklatschen können, schoss Werner den Torwart an (14.); in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit lenkten Hannovers Verteidiger Julian Korb und Torwart Tschauner einen Gewaltschuss Werners an die Querlatte. Und in der 79. Minute hatte er einen Eckball von Forsberg nur ans Außennetz geköpfelt.

Doch weil Werner die Gabe hat, nie aufzustecken, und so lange weiterarbeitet, bis er den Ball im Tor versenkt sieht, blieb den Hannoveranern am Ende eines überaus anregenden Spiels nur ein kleiner Trost. "Man hat heute gesehen, dass es kein Zufall ist, dass wir schon so viele Punkte haben", sagte Breitenreiter, dessen Mannschaft weiter im oberen Tabellendrittel bleibt - während Leipzig den Spitzenreiter Bayern München nicht aus der Sichtweite verliert und an Borussia Dortmund vorbeigezogen ist.

© SZ vom 05.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: