Soeben hat Bayer Leverkusens Sportvorstand Rudi Völler mitgeteilt, dass das 19 Jahre alte Supertalent Kai Havertz auch in der kommenden Saison für Leverkusen spielt. Aber man wollte am Samstag beim Bayer-Heimspiel gegen RB Leipzig auch den jungen Mann selbst zu diesem Sachverhalt hören. Und Havertz sprach. Mit Toren. Zunächst verwandelte er um 15.40 Uhr einen Foulelfmeter zum 1:0 und geradezu traumhaft geriet ihm sein zweites Tor um 15.53 Uhr aus halbrechter Position an den Innenpfosten zur zwischenzeitlichen 2:1-Führung. Havertz war glücklich, Leverkusener zu sein.
Eineinhalb Stunden später hat er es aber vielleicht schon wieder ein klitzekleines bisschen bereut, ein weiteres Jahr zu bleiben, denn es sieht so aus, als sollte Bayer auch in dieser Saison und auch unter dem Trainer Peter Bosz irgendwie nicht vorankommen. Das Spiel gegen Leipzig ging trotz der 2:1-Halbzeitführung noch mit 2:4 verloren, und nach dieser dritten Niederlage nacheinander mit elf Gegentoren verlieren die Leverkusener den Kontakt zu den Europapokalplätzen. "Ich zweifle trotzdem nicht an unserem Fußball, und ich hoffe, dass die Spieler es auch nicht tun", sagte der Trainer Bosz, den die defensiven Schwächen bei Borussia Dortmund vor 16 Monaten dort den Job gekostet hatten.
Dass es trotz des Havertz-Doppelpacks nichts mit einem Leverkusener Sieg wurde, lag an immer stärker werdenden Leipziger und hier auch an einem Spieler, der wie Havertz bei den Bayern gehandelt wird und bei dem Leipzig bislang nicht mitteilen konnte, dass er bei RB verbleibt: Timo Werner, 23, schoss in der 64. Minute den sehenswerten 2:2-Ausgleich, bevor in der 72. Minute sein Kollege Emil Forsberg einen fragwürdigen Handelfmeter zum 3:2 verwandelte und Matheus Cunha in der 83. Minute den für Leverkusen schmerzhaften Schlusspunkt setzte. Die Sachsen blieben damit im zwölften Pflichtspiel nacheinander ungeschlagen (neun Siege). "Das waren Big Points für die Champions League", sagte der Trainer Ralf Rangnick.
Leverkusen hadert mit dem Videoschiedsrichter
Rangnick gestand aber auch, dass sein Team diesmal "das nötige Matchglück" hatte, denn nicht nur der Leipziger Elfmeter zum 3:2 wurde per Videobeweis entschieden, sondern Leverkusens Treffer zum 3:1 durch Leon Bailey war in der 51. Minute auch per Videobeweis aberkannt worden.
Für Fußball-Connaisseure war es irritierend gewesen, dass sich Deutschland in der vergangenen Woche offenbar ausschließlich auf das Spiel zwischen München und Dortmund zu freuen schien, schließlich ist bekannt, dass die Duellanten Leverkusen und Leipzig ebenbürtig einen schönen wie torreichen Fußball zu spielen verstehen. Leipzigs Willi Orban sollte nach dem Spiel sagen: "Für den neutralen Beobachter war das ein überragendes Spiel." Entscheidend für dieses angemessene Urteil war die zweite Halbzeit.
In der 51. Minute bejubelten die Leverkusener zunächst ihr drittes Tor, doch es wurde aufgrund einer Abseitsposition zurückgenommen. Abwehrspieler Wendell hatte einen langen Ball geschlagen, und im Abseits stand dabei zwar nicht der Torschütze Bailey, aber Kevin Volland, der Wendells Pass zunächst anzunehmen schien, ihn dann aber für Bailey durchließ. Dadurch irritierte er zwei Leipziger Abwehrspieler und nahm Einfluss, was man in Abseitsposition selbst ohne Ballkontakt nicht darf.
Leipzig nutzte die Fügung des Schicksal zu neuerlichem Mut und übernahm durch seine nach der Pause zu einem 3-5-2 korrigierte Formation Kontrolle über das Spiel. Der 2:2-Ausgleich in der 64. Minute resultierte aus einer prächtigen Aktion des Nationalstürmers Werner, der linkerhand von der Strafraumgrenze nach innen zog und dabei von Leverkusens Abwehrmännern eher bewundert als gestört wurde. Sein satter Schuss schlug rechts unten im Tor ein. "Wir müssen einfach besser verteidigen", sagte Leverkusens Sportdirektor Simon Rolfes mit entnervtem Ton.
In der 69. Minute wurde die leidige Handspiel-Diskussion um eine Anekdote reicher. Leverksens Mitchell Weiser sprang im eigenen Strafraum ein halbhober Ball recht eindeutig unabsichtlich und fast zart an die Hand, die er noch wegzuziehen versuchte, doch das hinderte den Schiedsrichter Tobias Welz nicht daran auf Elfmeter zu entscheiden. Zuvor hatte Videoassistent Sören Storks eine eigene Entscheidung gescheut, und Welz schien sich vom Monitor am Spielfeldrand gar nicht mehr trennen zu können. Dann entschied er auf Elfmeter. "Ich hätte diesen Elfmeter nicht gegeben", sagte Leipzigs Trainer Rangnick. "Dieses Handspiel war aus meiner Sicht nicht strafbar", sagte Leipzigs Kapitän Willi Orban. "Dieser Elfmeter war ein Witz", sagte Leverkusens Sportdirektor Rolfes.
Forsberg war es trotzdem ein Vergnügen, den Ball aus elf Metern ungestört einzuschießen. Der eingewechselte Cunha machte dann mit einer überaus sehenswerten Einzelaktion und dem vierten Leipziger Tor alles klar. Dieser Sieg ging trotz allen Eventualitäten in Ordnung.