Leipzig mit erstem Saisonsieg:Wie ein Spiel mit dem Feuer

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Dank nach oben: Timo Werner erzielt zwei der drei Tore für Leipzig. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Der Aufstellungsbogen hielt eine enorme Überraschung parat. Für das ersehnte Ergebnis der Leipziger sorgte beim 3:2 gegen Hannover 96 dann aber vor allem Timo Werner.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Am Ende lag Timo Werner am Boden. Von Krämpfen geschüttelt. Aber absehbar glücklich. Zwei Tore hatte er erzielt (40./63.), und damit den Grundstein dafür gelegt, dass seine Mannschaft, RB Leipzig, am Samstag gegen Hannover 96 den ersten Bundesligasieg der Saison verbuchen konnte. Ganz ohne Leid ging es nicht ab, in den Schlussminuten kam Hannover nach den Eckbällen elf und zwölf noch zu zwei Großchancen, erst dann war das 3:2 (2:1) der Leipziger perfekt. "Es war sicher ein glücklicher Sieg. Aber den nehmen wir gerne mit", sagte Leipzigs Trainer Ralf Rangnick. Und: "Heute war es erst einmal wichtig, den ersten Saisonsieg einzufahren".

Die Partie, die Rangnicks Kollege André Breitenreiter später als "tolles Fußballspiel" bezeichnen sollte, war ähnlich aufreibend wie die Stunden vor Spielbeginn. Denn der Aufstellungsbogen hielt eine enorme Überraschung parat. Der französische Stürmer Jean-Kévin Augustin, der als bislang bester Leipziger Torjäger ein fester Startelfkandidat war, saß nicht einmal auf der Bank. Der Grund: Die Leipziger umtrieb eine Rechtsunsicherheit. Nach seiner Absage an die U21-Nationalmannschaft seines Landes, die er mit muskulären Problemen begründete, hatte Frankreichs Fußballverband FFF den Weltverband Fifa eingeschaltet - und offenkundig eine Sperre gefordert.

Zwar hatte sich RB Leipzig nach Angaben von Rangnick bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) rückversichert und erfahren, dass keine Abstellungspflicht für Augustin bestand. Der Ärger bei den Franzosen muss aber enorm gewesen sein, auch weil Augustin dann in der Länderspielpause in einem Testspiel Leipzigs spielte. Leipzigs Versuch, sich bei der Fifa eine Bestätigung dafür einzuholen, dass Augustin gegen Hannover spielberechtigt war, schlug fehl. Rangnick verzichtete auf den Franzosen - um nicht Gefahr zu laufen, einen möglichen Erfolg gegen Hannover durch einen Aufstellungsfehler am "Grünen Tisch" zu verlieren. Am Ende "war es für das heutige Spiel nicht so entscheidend", sagte Rangnick. Denn die anderen Stürmer Leipzigs zeigten sich nicht nur in formidabler Verfassung - vor allem funktionierte nach langer Zeit die gefährliche Kombination aus Timo Werner und Emil Forsberg.

Werners Treffer bereitete den Boden für das Spiel, das die Leipziger so lieben

Den ersten Treffer erzielte freilich der dänische Ersatzmann Augustins, Yussuf Poulsen. Nach neun Minuten unterlief Hannovers Linton Maina im Strafraum eine Flanke, Diego Demme konnte im Strafraum zu einer neuerlichen Hereingabe ansetzen, die abgefälscht auf dem Kopf von Poulsen landete. Der Däne nickte aus nur drei Metern ein. Vier Minuten später schlugen die Hannoveraner fulminant zurück: Ihlas Bebou ließ Leipzigs Kapitän Willi Orban aussteigen, Stefan Ilsanker bekam den Ball nicht unter Kontrolle und stocherte ihn zu Niclas Füllkrug, der den Ball volley und aus spitzem Winkel zum zwischenzeitlichen Ausgleich unter die Latte knallte.

Danach hatte der Japaner Takuma Asano innerhalb von einer Minute gleich zwei Mal gute Gelegenheiten, Hannover in Führung zu bringen. Doch Leipzig drehte auf. Der erneut auffällige Zugang Nordi Mukiele zwang Hannovers Torwart Michael Esser zu einer Glanztat, dann ließ Werner aufhorchen: Nach einer Mukiele-Flanke jagte der DFB-Stürmer den Ball aus spitzem Winkel an den Außenpfosten. Die Aktion war der Vorbote des ersten Werner-Tors (40.). Werner veredelte einen Ball, den ihm Forsberg nach einem Ballverlust von Asano im Mittelfeld zentimetergenau in den Lauf spielte.

Es war ein Treffer, der den Boden für das Spiel bereitete, das die Leipziger so lieben. Nach dem Seitenwechsel nämlich verlegten sie sich darauf, die Räume zuzustellen, um die Hannoveraner mit Kontern auf dem falschen Fuß zu erwischen, am Ende standen gerade mal 40 Prozent Ballbesitz für die Leipziger. Zunächst wirkte diese Herangehensweise wie ein Spiel mit dem Feuer: Leipzigs Innenverteidiger Ibrahima Konaté musste vor der Linie einen Ball klären, den Asano fast erlaufen hätte; dann prüfte Mittefeldspieler Walace nach einer Ecke Leipzigs Tormann Peter Gulacsi mit einem Kopfball (53.). Die erste Chance der Leipziger aber nutzte neuerlich Werner, und wieder ging ein feiner Pass Forsbergs in den Lauf voraus. "Für einen Stürmer ist es immer schön, wenn er trifft", sagte Werner später.

Hannover konnte durch seinen chilenischen Linksverteidiger Miiko Albornoz noch einmal verkürzen. Nach einem Pass von Walace in den Strafraum schlenzte Albornoz den Ball über Gulacsi hinweg quer in den rechten Winkel. Aber durch eine gute Defensivleistung hielten die Leipziger den Ball gut vom eigenen Strafraum fern, bis die Hannoveraner durch die Eckstöße noch einmal Hektik aufkommen ließen. "In den letzten Minuten haben wir es unnötig spannend gemacht", rügte RB-Torwart Gulacsi. Doch der Sieg gegen durchaus gut aufspielende Hannoveraner war erstens nicht unverdient und zweitens die nötige Moralspritze für das pikante Europa-League-Duell am Donnerstag gegen RB Salzburg. "Jetzt", sagte Matchwinner Werner, "können die nächsten Wochen kommen".

© SZ vom 16.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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