Länderspiel Deutschland-USA:Befreiung durch einen sorglosen Geist

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Na also, geht doch: Nach einer torlosen ersten Halbzeit beweist die deutsche Nationalmannschaft Siegeswillen - und schlägt die ersatzgeschwächten Amerikaner mit 4:1.

Vor dem Anpfiff lächelte Jürgen Klinsmann, als sei dies tatsächlich nur das 24. Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, welches er als Bundestrainer verantwortete. Klinsmann stopfte die Hände in seine Jackentaschen und plauderte vor der Haupttribüne des Dortmunder Westfalenstadions mit seinem Assistenten Joachim Löw.

Jubelarien in der zweiten Halbzeit: Auch Michael Ballack steuerte einen Treffer zum Sieg bei. (Foto: Foto: ddp)

Vermutlich besprachen sie, welchen Klamauk ihre rheinische Humorbombe Lukas Podolski und dessen bayrischer Spezl Bastian Schweinsteiger während der Anfahrt im Teambus mal wieder veranstaltet hatten.

Natürlich schauspielerte Klinsmann in diesen Momenten, denn so frei von Anspannung ist nicht einmal er.

Dafür ist aber wohl Klinsmanns Freude nach dem Abpfiff ziemlich authentisch gewesen, denn nach einer furiosen Schlussphase war sein Team noch zu einem 4:1-(0:0)-Erfolg gegen die ersatzgeschwächte Auswahl der USA gekommen. Niemand, das wusste er, würde ihn nach diesem Resultat nach seinem Wohnsitz fragen.

Auf Klinsmann und seine Männer hatte ja ein Spiel auf Bewährung gewartet, eine letzte Chance, die Stimmung im Land so kurz vor der WM wieder zu beruhigen nach dem schrecklichen 1:4 vor drei Wochen in Italien. Und wer schien dafür geeigneter als ein Gegner, der in der offiziellen Weltrangliste immerhin auf Position fünf notiert ist, der allerdings gleich sechs Stammkräfte zu ersetzen hatte?

Auch das Dortmunder Publikum bereitete der Elf einen freundlichen Empfang

Einen besseren Aufbaugegner hätte wohl allenfalls das Nationalteam Liechtensteins oder eine Regionalauswahl aus dem Nachbarstädtchen Castrop-Rauxel abgegeben, doch selbst diese deutsche Nationalmannschaft der fortgeschrittenen Klinsmann-Ära hat ein wenig Stolz. Der personell gehandicapte WM-Starter USA sollte es also sein, und Klinsmann wählte für diese vermeintlich befreiende Aufgabe eine offensive Ausrichtung.

Dem zentralen Angreifer Klose stellte er die nachrückenden Spitzen Asamoah und Podolski an die Seite, dahinter sollten sie Ballack und Schneider mit gescheiten Anspielen füttern. Das defensive Verbindungsstück des im Dreieck angeordneten Mittelfeldes gab erwartungsgemäß der Dortmunder Profi Kehl bei seinem soliden Comeback im (diesmal wieder poerntief-rein) weißen Adlerhemd, und mit dieser Nominierung errreichte Klinsmann sein erstes Etappenziel: das Dortmunder Publikum bereitete der Elf einen freundlichen Empfang.

45 Minuten später indes, beim Ausmarsch zur Halbzeitpause, hatte sich die Stimmung s wieder gedreht. Pfiffe begleiteten die Klinsmänner nach einer verheerend ideenarmen Vorstellung in die Kabine. Denn was sich zunächst so ordentlich angelassen hatte, war rasch zu einer verkrampften Angelegenheit verkommen.

Traurige Querschläger in der deutschen Viererreihe

Nach einem ersten Diszanzversuch von Lahm (6.) glückte den Deutschen zwar nach gut zehn Minuten eine hübsche Kombination, als Ballack den Ball in den Rücken der US-Deckung legte und Klose darauf Podolski in Schussposition brachte. Doch damit hatte sich das Kreativrepertoirte der Gastgeber bereits erschöpft, wenn man einmal von Freidrichs Flankenschlag auf Ballacks Haupt (14.) absah.

Gegen eine disziplinierte Deckung stockte fortan das Offensivspiel der Deutschen; sie rannten sich immer häufiger fest und sahen sich darauf unangenehmen Kontervorstößen ausgesetzt. Conrad drosch dabei die Kugel vehement gegen das Außennetz (24.), und vor der Pause dribbelte Convey dem Berliner Außenverteidioger gleich mehrere Konten in die Beine - Metzelder assistierte in höchster Not mit einer sauberen westfälischen Grätsche.

Ansonsten bereicherte die Viererreihe das deutsche Spiel allenfalls mit traurigen Querschlägern, und vor allem Mertesacker, ehedem ein Musterschüler der Mannschaft, belegte auf dramatische Weise: Diese Mannschaft war nach n jüngsten Tiefschlägen nichts anderes als verunsichert.

Nach dieser verstörenden Halbzeit hätte man darauf wetten können, dass am ehesten ein sorgloser Geist wie Bastian Schweinsteiger die Szene ein wenig entkrampfen könnte. Dass indes die Hereinnahme des Münchners (für Podolski) gleich in der ersten Minute nach Wiederbeginn die Führung herbeiführen würde, überraschte denn doch.. Das 1:0 war jedoch kein Produkt hoher Spielkultur, sondern geprägt von jenen Urtugenden, mit welchen zuletzt auch der FC Bayern wieder in die Spur gefunden hatte.

Schweinsteiger nutzte einen Freistoß zu einem tückischen Chip in den Strafraum, wo Klose mit seiner gestreckten Zehe die US-Boys inklusive Keeper Keller irritierte. Da Klose den Ball wohl nicht mehr berührte, durfte sich Schweinsteiger als Torschütze feiern lassen.

Dieses Tor wirkte am Ende befreiend auf die lange Zeit zittrigen Gastgeber. Sie hielten den Gegner nun effektiver fern, vor allem die überfällige Hereinnahme von Borowski verhalf im Mittelfeld zu einem Übergewicht.

Das letzte Lächeln gehörte Jens Lehmann

Die Deutschen kombinierten nun zwar immer noch nicht unvergesslich schön, doch sie erhöhten mit der zurückerlangten Spielkontrolle den Druck auf die unerfahrenen Amerikaner, deren Deckung am Ende kollabierte: Zunächst erhöhte Klinsmanns zweiter Wechselspieler Neuville mit einem prachtvollen Drop-Kick zum 2:0 (73.), und auf diesen erlösenden Kunstschuss reagierte die DFB-Auswahl geradezu euphorisch.

Dem zweimaligen Assistenten Klose gelang nur zwei Minuten später das 3:0, und auch Ballack kehrte mit seinem schönen Kopfball als Hauptdarsteller zurück (79.). Ermöglicht hatte dieses flotte Finale Oliver Kahn, ohne dessen Reflex gegen Johnson das 1:1 (66.) verhindert hatte.

Das letzte Lächeln gehörte allerdings Kahns Rivalen Jens Lehmann, der von der Bank aus verfolgte, wie die Numemr eins nach einer Kollision mit Johnson vergebens auf eine Foulentscheidung wartete. Der Ball war ins Tor getrudelt, und Referee Fröjdfeldt gab tatsächlich den Ehrentreffer.

© SZ vom 23.03.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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