Lacrosse:Die Irokesen vom Kunstrasen

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Schnelle Pässe und harte Schläge: Mehr und mehr etabliert sich in Deutschland die ursprünglich indianische Sportart Lacrosse.

Christopher Heidt

Sie rennen mit Helm, Schulterpanzer, Ellenbogenschützern und dicken Handschuhen über den Kunstrasen. In den Händen tragen sie lange Schläger mit Fangnetzen, und spielen sich so die Bälle zu. Schnell geht das, aus vollem Lauf.

WM 2006 in Kanada: Die deutsche Lacrosse-Nationalmannschaft stürmt gegen das Team aus England. Am Ende reicht es zu Platz acht. (Foto: Foto: DLaxV)

Da braucht der Fänger viel Geschick, um das Geschoss zu erwischen, ein paar Schritte mitzunehmen und den Ball anschließend eben so kräftig einem anderen Mitspieler zuzuschleudern. Die Verteidiger versuchen, das schnelle Passspiel zu stören. Sie schlagen nach dem Ball im Netz des Angreifers und treffen dabei auch den Spieler. Szenen einer Trendsportart, die Spieler vom Hockey und Lacrosse Club Rot-Weiß München beim Training.

Rund 1500 Menschen begeistern sich in Deutschland mittlerweile für ihr raues Spiel. Viele Universitäten bieten Lacrosse als Uni-Sport an. Aber auch in Vereinen etabliert sich die exotische Sportart zunehmend.

"Gerade die Geschicklichkeit und das hohe Tempo gefallen mir am Lacrosse", erzählt Benjamin Diez. Der 22-jährige Student ist "Offense-Spieler" bei den Münchnern. Seine athletische Statur passt zu der Position. Als Angreifer muss er schnell sein.

Wenn Diez auf das gegnerische Tor zuläuft, schirmt er den Ball mit seinem Körper und schnellen Schlägerbewegungen gegen die Verteidiger ab. Eine Körpertäuschung rechts, dann links am Verteidiger vorbei, noch zwei Schritte näher ans Tor - und der Ball saust am Torwart vorbei ins Netz.

Körpereinsatz erlaubt

Von der Spielart ähnelt Lacrosse dem Feldhockey. Zehn gegen Zehn spielen sie, mit einem Ball auf zwei Tore. Die Tore sind ins Spielfeld eingerückt und dürfen von den Spielern umlaufen werden. Ein Schusskreis markiert den Mindestabstand, den ein Angreifer beim Torversuch einhalten muss.

Den Ball tragen die Spieler im Netz des Schlägers. Fällt der Ball zu Boden, darf er von beiden Mannschaften aufgenommen werden. Schutzkleidung ist für die Männer unbedingt nötig, da beim Lacrosse voller Körpereinsatz erlaubt ist. Im Frauen-Lacrosse hingegen gibt es eigene Regeln, es kommt ohne Rempeleien aus.

Diez spielt seit fünfeinhalb Jahren Lacrosse. Angefangen hat er zu Schulzeiten. Damals noch ohne Konkurrenz, da seine Schule die einzige in Hannover mit einer Mannschaft war. Mit seinem Team vom HLC Rot-Weiß München spielt er jetzt in der Bundesliga.

Vergangenes Jahr unterlagen sie im Finale um die deutsche Meisterschaft nur knapp den HTHC Warriors aus Hamburg. Das Spiel endete nach Verlängerung mit Sudden Death und 6:7 Toren.

Organisiert wird die Liga vom Deutschen Lacrosse Verband (DLaxV), der sich 1998 aus elf Vereinen zusammensetzte. Dieses Jahr sind 27 Mannschaften in der Männer-Liga vertreten. Die Bundesliga ist in vier Divisionen (Nord, Ost, Süd und West) aufgeteilt. Die zwei besten Teams jeder Division nehmen im Sommer an den Play-offs teil, die vier besten spielen anschließend die deutsche Meisterschaft aus.

Eine deutsche Lacrosse-Nationalmannschaft gibt es bereits seit 1994. Sie nimmt alle zwei Jahre an der Europa- oder der Weltmeisterschaft teil. Für das Nationalteam kann sich jeder bewerben.

Finale der deutschen Meisterschaft 2008: Lacrosse-Spieler des HLC Rot-Weiß München (blau) verteidigen das Tor gegen einen Angreifer der HTHC Warriors. (Foto: Foto: oh)

In den "Try-outs", einem Trainingscamp, entscheidet sich dann, wer sich zu den besten Spielern des Landes zählen darf und mit der Nationalmannschaft bei den großen Turnieren antritt. Bei der vergangenen Weltmeisterschaft in Kanada erreichte das deutsche Männer-Team den achten Platz. Im Jahr 2001 waren sie Europameister.

Für Dominik Flucke vom HLC Rot-Weiß München ist Lacrosse ein richtiger Männersport, bei dem es auch mal hart zu Sache geht. Auch das "Checken", also das Umrennen von Gegnern, ist Teil des Sports.

Flucke erinnert sich an ein Hallenturnier in Göteborg, bei dem die Mannschaften auf einem Eishockeyfeld gegeneinander antraten. Da könne man den Gegner ordentlich in die Bande rempeln, schwärmt der ehemalige Karatekämpfer. Natürlich gibt es beim Lacrosse auch Schiedsrichter. Wer es mit dem Körperkontakt übertreibt, landet für 60 Sekunden auf der Strafbank.

Der 22-Jährige trainiert fünf bis sechs Mal die Woche Lacrosse. Angefangen hat seine Begeisterung vor zweieinhalb Jahren in Neubiberg. Die dortige Bundeswehruniversität stellt eine eigene Lacrosse-Mannschaft, die zwar nicht in der Bundesliga spielt, aber regelmäßig an nationalen und internationalen Turnieren teilnimmt.

Aus den USA mitgebracht

Entstanden ist die Sportart in Nordamerika. Dort spielten bereits die indianischen Ureinwohner Lacrosse, um Streitigkeiten zwischen Stämmen beizulegen. Sie nannten das Spiel "Baggataway", den kleinen Bruder des Krieges. Die Irokesen nehmen bis heute als eigene Nation an den Weltmeisterschaften teil.

Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich das Spiel in den USA an den großen Universitäten der Ostküste. In Kanada ist Lacrosse heute offizieller Nationalsport und ersetzt im Sommer das Eishockey.

Anfang der neunziger Jahre kam Lacrosse nach Deutschland. Einige Schüler hatten die Sportart während ihres Austauschjahres an den Highschools der USA kennengelernt und nach ihrer Rückkehr die ersten deutschen Teams gegründet.

2007 ist der Münchner Lacrosse Verein dem Hockey Club Rot-Weiß beigetreten. Mit fast hundert eigenen Mitgliedern ist Lacrosse mittlerweile ein fester Bestandteil des Vereins. Nur am Schriftzug über dem Vereinsheim ist Lacrosse noch nicht angekommen. Dort leuchten immer noch die Buchstaben HC Rot-Weiß.

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