Krisengipfel in Hamburg:Ein Kreuzzug gegen Doping

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Team-Manager, Profis und Verbandsfunktionäre suchen nach der Affäre um den wahrscheinlich gedopten Tour de France-Sieger Floyd Landis nach einem Ausweg aus der Misere. Vor dem ProTour-Rennen in Hamburg gab es verstärkte Kontrollen - und laute Rufe nach Reformen im Radsport

Der Radsport-Weltverband UCI hat auf den Doping-Skandal um den Amerikaner Landis reagiert und vor dem Hamburger ProTour-Rennen 40 unangemeldete Kontrollen durchgeführt. Wie BDR-Präsident Rudolf Scharping bei einer Pressekonferenz mitteilte, waren alle Proben negativ.

Der Start zum Profi- Rennen Cyclassics in Hamburg (Foto: Foto: dpa)

Auf die Einladung von Scharping kamen am Vorabend der Cyclassics außerdem 25 Radsport-Vertreter zu einem knapp dreistündigen Treffen in der Hamburger Handelskammer zusammen.

Scharping sprach von einer "sehr breiten und sehr wirksamen Koalition", die auch international Eindruck machen werde. Für Anfang August kündigte er ein weiteres Treffen an. Anschließend sollen andere Sportverbände in Deutschland, der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), die übrigen Radsportverbände in Europa und der Weltverband UCI für eine Koalition gewonnen werden.

Der im Vorjahr neu gewählte Weltverbands-Präsident Pat McQuaid aus Irland erklärte den Anti-Doping-Kampf zu seinem "persönlichen Kreuzzug". Scharping ist für Null-Toleranz: "Unser Ziel: Strich drunter und alle, die mit Doping zu tun haben raus."

Beim Krisengipfel verständigte sich der Ex-Verteidigungsminister mit Vertretern der deutschen Profiteams, der Renn-Veranstalter und der Sponsoren bereits jetzt auf einen Maßnahmenkatalog. Die drei Kernpunkte sind die Verbesserung der Wirksamkeit von Dopingkontrollen, die Verschärfung der Sanktionen gegen Dopingsünder sowie eine Angleichung der Gesetzgebung an internationale Standards.

Zudem wird eine strenge Lizenzierung von Beratern, Betreuern und Physiotherapeuten angestrebt, um auch auf das Umfeld der Profis einzuwirken.

Ist die Mehrzahl wirklich clean?

Nach der Ansicht von Patrick Lefévère, dem Sprecher des Elite-Teams, soll die Tour entschärft und auf 15 Tage reduziert werden, um die Anforderungen zu minimieren. Zudem soll eine Art Betriebsarzt oberste medizinische Instanz für alle ProTour-Profis sein. "Diese Vorschläge habe ich schon während der Tour gemacht. 17 von 20 Chefs der ProTour-Teams haben zugestimmt, drei ein langes Gesicht gezogen bei dem Vorschlag mit den Ärzten", sagte der Belgier.

Das Phonak-Team von Landis hätte laut Lefévère nach den vorangegangenen Doping-Affären in der Schweizer Mannschaft zur Tour nicht zugelassen werden dürfen. "Aber vielleicht lag es daran, dass Phonak-Manager John Lelangue vor zwei Jahren noch im Tour-Direktorium saß", vermutete der Belgier, der "rund 93 bis 95 Prozent der Fahrer" für clean hält.

Diese Rechenart - gemessen an etwa 1000 lizenzierten Profis - deckt sich in etwa mit den Zahlen der spanischen Polizei, die 58 Radprofis der Zusammenarbeit mit den juristisch verfolgten Medizinern Eufemiano Fuentes und José Merino Bartres verdächtigt.

Der spanische Ex-Profi Jésus Manzano, bei Kelme in den Fängen von Fuentes, nannte im ZDF-Sportstudio andere Zahlen: "Alle 139 Tour-Fahrer, die Paris erreichten, waren gedopt."

"Ich habe die Nase voll von Fahrern, denen es nur ums große Geld geht und die nach dem Prinzip verfahren: Nach mir die Sintflut", sagte der deutsche Zeitfahr-Meister Sebastian Lang aus Erfurt.

"Wie aggressiv Landis im Ziel reagierte - das war nicht normal"

Sein Team-Kollege, die große, deutsche Hoffnung Markus Fothen, sagte: "Ich sehe meine Existenz wegen der Doping-Vorfälle langsam den Bach runterschwimmen. Ich will aber noch acht oder zehn Jahre fahren."

Jens Voigt schlug vor: "Wir sollten nicht mehr antreten, wenn Doping-Verdächtige am Start stehen" und forderte, "Blutwerte aller Profis" zu veröffentlichen.

Doppel-Olympiasieger Robert Bartko, früherer Team-Kollege des von T-Mobile gekündigten Jan Ullrich, hält es für unwahrscheinlich, dass Teamärzte Doping-Praxis in ihren Reihen über einen längeren Zeitraum nicht mitbekommen. "Wie aggressiv Landis im Ziel in Morzine reagierte - das war nicht normal.

Die ARD berichtete über eine Urin-Kontrolle im Ziel der 17. Tour-Etappe: Bei Etappensieger Landis betrug das Verhältnis des männlichen Hormons Testosteron im Vergleich zu Epitestosteron 11:1. Die Norm liegt bei 4:1.

"In unseren Gesundheitspässen stehen nicht nur die Blutwerte, sondern auch der Testosteron-Status. Es dürfte nicht schwer sein, herauszufinden, ob Landis die Wahrheit sagt", Jens Voigt.

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